Schaut man die ersten Videos an, sieht man, dass auch Leo Sampson im dritten Restaurationsjahr gereift ist, während seine Tally Ho sich deutlich verjüngt hat. Die Zeit vor Weihnachten hatte Leo weiter solo an der Tally Ho gearbeitet, dem Kutter von 1910, den wir von Beginn an bei seiner Restauration begleiten.
Er hat die Spanten mit Lasertracker und Maßlatte genau ausgerichtet und sie an der Innenseite geglättet, damit sie genau in der Flucht stehen und das nächste wichtige Bauteil aufnehmen können: den Balkweger.

Angelique-Holz für die Balkweger
Der Balkweger ist der beiderseits längsschiffs an den Oberkanten der Spanten laufende Balken, auf dem die Decksbalken ruhen. Er ist bei größeren Schiffen mit Bolzen, bei Yachten als Schwalbenschwanz eingelassen und fest mit den Spanten verbunden. Der Balkweger verleiht dem ganzen Boot Steifigkeit im oberen Bereich des Rumpfes und stellt die Verbindung zum Deck her.
Leo verwendet für die Balkweger der Tally Ho Angelique-Holz, ein nachhaltiges Hartholz aus Surinam. Pro Seite braucht er zwei Balken von 6,5 Zoll auf 3 Zoll Stärke und circa acht Metern Länge. Jedes Stück wiegt 80 kg. Die Hölzer müssen sowohl in Längs- als auch in Querrichtung gebogen werden und dürfen deshalb keine Holzfehler haben. Von den wertvollen Bohlen, die er für die Balkweger verwendet, hatte Leo im Herbst einen ganzen Container voll aus Surinam bekommen. Das Holz liegt noch in der improvisierten Trockenkammer bei Port Townsend.

Nach dem Glätten mit dem schweren Elektro-Handhobel macht Leo mit Hilfe von Gabelstapler, Pickup Truck und dem 20 t Wagenheber einen Biegetest. Der verläuft ganz zu seiner Zufriedenheit. Das Holz ist noch relativ grün und lässt sich fast 20 cm weit biegen, ohne dass es Anzeichen von Faserbruch gibt. Um auf eine Gesamtlänge von 15 Metern zu kommen, muss Leo die Hölzer mit Haken-Schäftungen verbinden, so dass die Enden genau auf den Spanten aufliegen.
Dabei versucht er, die Schäftungen backbord und steuerbord nicht gegenüberliegend zu platzieren, möchte aber so weit wie möglich hinter Mast und Rüsteisen bleiben. Außerdem setzt er sie so, dass das hintere Teil auf dem vorderen aufliegt und es nach unten drückt. So kann es der Wanten-Zugbelastung des Riggs entgegenwirken.


Leo-typisch sind die Schäftungen so genau gearbeitet, dass kein Haar dazwischen passt. Eigentlich unnötig, denn das frische Holz zieht sich mit der Zeit noch zusammen, die Verbindungen werden gebolzt und können später nachgezogen werden. Die schweren Bohlen bewegt er alleine, scheinbar mühelos. Das Zusammenbolzen und an Deck Wuchten muss bis zum neuen Jahr warten. Volunteers sind zur Zeit nicht in Sicht und so gönnen sich Leo und Cecca zwischendurch eine kurze Auszeit in New York.
Big Apple, der Duke und Captain McAllister
Leo und Cecca machen die Sampson Co Werft winterfest bevor sie aufbrechen. Die Vermieter kümmern sich um Hühner, Papagei und Hunde, während die beiden ihre Weihnachtstage bei Freunden in New York verbringen.

Leo verbindet den Trip mit dem Holzeinkauf in Connecticut. Die Sägemühle New England Naval Timbers liegt nur 150 km nördlich von New York City, aber hier herrscht Winter und alles ist verschneit. Bei der Begutachtung der Decksbalken des Schoners „Zodiac“ hat Leo gesehen wie sehr grün verbaute Eiche nach ein paar Jahren zusammentrocknet, das soll bei „Tally Ho“ nicht passieren, also sucht er abgelagertes Holz.
Duke, der Inhaber von Naval Timbers setzt seit Jahren auf das Konzept Stämme von White Oak, dembesten Schiffbauholz der Ostküste, in dicke Bohlen aufzuschneiden und 2-4 Jahre trocknen zu lassen. Dabei zeigt sich, ob das Holz die Tendenz hat, in einer bestimmten Richtung zu „arbeiten“. Dieses abgelagerte Holz wird dann auf Kundenwunsch mit mobilen Bandsägen in entsprechender Stärke zugeschnitten. Die Eiche, die dabei zur Anwendung kommt, stammt meist von Bäumen aus Windbruch, die kurz davor sind abzusterben oder großen Bauvorhaben im Weg stehen.


Der Klimawandel und die Holzwirtschaft
Durch den Klimawandel weicht auch hier der Boden, der früher meist gefroren war, auf und selbst 400 Jahre alte Bäume werden durch Schneelast oder in Winterstürmen entwurzelt. So hat sein Unternehmen auch den Beinamen „Sustained Yield Forestry“, was so viel heißt wie nachhaltige Forstwirtschaft. Der alte Duke und Leo suchen ein paar gute Stämme aus, bevor Leo wieder nach N.Y.C. zurückfährt.

Dort hat er eine Verabredung mit Captain Jeffrey McAllister, Hafen-Schlepper Unternehmer in 5. Generation. Er ist begeistert von Leo‘s „Tally Ho“ Projekt und nimmt ihn mit auf dem hochmodernen 6.700 PS Schlepper „Captain Brian A. McAllister“ um ein Containerschiff sicher in den Hafen von New York zu bringen. Das Wetter ist traumhaft und so gelingen Leo ein paar faszinierende Filmsequenzen von der Brücke des Container-Riesen und aus dem Maschinenraum des „Super-Tugs“. Ein krasser Kontrapunkt zu dem archaischen Bootsbau in Sequim.

Wie kommt das Holz nach Sequim?
Bevor Cecca und Leo auf Familienbesuch nach England reisen machen sie einen ausgiebigen Sightseeing Trip durch New York und Leo fährt noch einmal zu der Sägemühle. Er hat gute Stämme gefunden, in sanfter Kurve gewachsen, passend für Tally Ho‘s Decksbalken, die er jetzt in 4“ und 5“ (10- 12,5cm) Bohlen aufschneiden lässt.
Die nächste Herausforderung ist nun, das Holz auf die Werft in Washington zu bringen, 5.000 km quer durch die USA. Also startet Leo per Video einen Aufruf. Bei seinem Glück findet sich bestimmt ein Spediteur oder Trucker der die Bohlen als Zuladung auf dem Tieflader mitnimmt. Für die nächsten Wochen liegt es erst einmal gut auf Duke‘s Holzplatz und die beiden können ihren Heimat-Urlaub genießen.
Leo könnt ihr hier unterstützen.