Wenn ein Volvo Ocean Racer ein Problem mit dem Rigg hat, braucht man eine Frau wie Liz Wardley, um es zu lösen. Die 38-Jährige bestreitet derzeit als Boat Captain des Teams Turn The Tide on Plastic die härteste Etappe des Volvo Ocean Race 2017/2018. Diese führt die Flotte non-stop von Auckland in Neuseeland rund um Kap Hoorn nach Itajaí in Brasilien, über eine Distanz von 7.600 Seemeilen.
Auf Höhe der Falkland-Inseln musste „Turn The Tide On Plastic“ verlangsamen und die Segel bergen. Denn Liz Wardley, die am Steuer stand, war eine Veränderung am Rigg aufgefallen. Eine der Salings hatte sich gelöst und verbogen. Einfach so weitersegeln? Besser nicht – beinahe zeitgleich hatte mit „Vestas 11th Hour Racing“ ein anderes Team seinen Mast komplett eingebüßt und musste das Rennen abbrechen.
Wie es aussah, würde der Rest der Etappe nun nur noch mit extrem eingeschränkter Segelfläche zu bewältigen sein; für den Moment war sogar nur das Segeln auf Backbordbug möglich. „Wie eine einbeinige Ente, die immer im Kreis schwimmt“, bringt Crewmitglied Lucas Chapman die Situation auf den Punkt. Würde „Turn The Tide On Plastic“ nun hinter dem Rest der Flotte herhinken müssen?

Nein! Zum Glück gibt es zu Ostern Wunder – und jemanden wie Liz Wardley an Bord. Zunächst erlaubt das Technikteam an Land nach ausführlicher Rücksprache mit dem Masthersteller deutlich mehr Segelfläche und prüft Möglichkeiten, das restliche Rigg der verbogenen Saling anzupassen. Dann lässt sich Liz in den Mast ziehen und beseitigt das Problem einfach komplett. Indem sie mit einer Mischung aus „Genialität, Ausdauer und etwas brutalem Krafteinsatz“ wieder richtig rückt, was seinen Platz verlassen hatte. Zur großen Freude aller an Bord.
Das Liz Wardley das richtige Gespür und Geschick für eine solche Aufgabe mitbringt, kommt nicht von ungefähr. Schon vor Beginn des aktuellen Rennens hatte sie über 80.000 Seemeilen auf dem One Design Volvo Ocean Racer (VO65) im Buch stehen. Die Australierin ist auf Papua-Neuguinea geboren und quasi auf Booten aufgewachsen. Von klein auf mit dem Meer vertraut, gewann sie die Australischen Meisterschaften im Hobie Cat 16 und wurde Erste beim Sidney-Hobart Race 1999. Mit der Frauencrew von „Amer Sports Too“ nahm sie an der Ausgabe 2001/2002 des Volvo Ocean Race Teil.

Als im Jahr 2014 mit dem Team „SCA“ wieder eine reine Frauencrew an den Start ging, war Liz ihr Boat Captain – mithin die Ausrüstungsspezialistin an Bord. Aus schierer Begeisterung für die technische Seite heuerte sie im Anschluss an das Rennen beim Ingenieurteam des Volvo Ocean Race Boatyard in Lissabon an. Als eine von nur zwei Frauen im 30-köpfigen Team. Mehr Expertise hätte sich Dee Caffari, die Skipperin von „Turn The Tide On Plastic“, kaum an Bord holen können.

Zum Weiterlesen
Im März 2017 veröffentlichte das englischsprachige Portal „WISP – Women in Sports“ ein langes Interview mit Liz Wardley, in dem sie über ihre Aufgaben im Boatyard und die Bedeutung einer steilen Lernkurve für zuküftige Rennteilnahmen erzählt.