Die Leinen loswerfen, vom Liegeplatz aufs offene Wasser paddeln, die Segel setzen, den Wind prüfen, einen Kurs bestimmen – und los. Das ist schön, sportlich und ruhig – und es wirkt unerreichbar, wenn man noch nie auf einem Segelboot war. Das Grübeln beginnt: Ist Segeln nicht der Sport auf dem Wasser, den immer nur die anderen machen? Brauche ich hier nicht den absoluten Überblick, bei dem man die Richtung von Windböen schon aus der Ferne erkennt und nach Landmarken navigieren können muss? Manches davon stimmt, anderes ist Seemannsgarn.
Schöne Orte zum Lossegeln gibt es weltweit – und direkt um die Ecke: Auf vielen der kleinen und größeren Binnenseen und den Küstengewässern vor allem der Ostsee kann man segeln, aber auch in klassischen Charterrevieren wie Kroatien und Griechenland – bis zu exotischen Charter-Destinationen wie der Karibik. Die letzten Wochen der aktuellen Saison können, auch in Zeiten von Corona, gut der Start für den Einstieg ins Segeln lernen sein. Am einfachsten sicher ganz in der Nähe.
Für Segler sind Reviere zugänglich, die anderen Wassersportlern verwehrt bleiben: Viele Seen sind für Boote mit Benzin- oder Dieselmotor tabu. Selbst Segelboote sind mit hier mit elektrischen Flautenschiebern wie denen von Torqeedo oder ePropulsion unterwegs. Viele Gewässer, besonders in unseren Nachbarländern Österreich und Schweiz, sind für Motorboote und Wasser-Motorräder komplett gesperrt – und nur per Wind- oder Muskelkraft für den Wassersport nutzbar.
Wie geht das eigentlich?
Schot, Fall, Baum, Dirk – rund ums Segeln wimmelt es nur so vor zunächst unverständlichen Begriffen. Wenden, Halsen, Fieren, Reffen – alles das sind wichtige Dinge, aber warum haben sie so seltsame Namen? Ein Grund dafür ist die uralte Tradition der Seefahrer, deren Fachsprache sich bis heute gehalten hat.
Doch auch ohne vollständige Kenntnis des Vokabulars, mit dem Profis sich an Bord untereinander verständigen, ist der Weg aufs Segelboot frei. Natürlich unter der Anleitung eines kundigen Skippers. Lektion 1 der Segelausbildung: Skipper nennt man die Person, die an Bord das Sagen hat.
Welche Kleidung ziehe ich beim ersten Törn an, und wie ist der Dresscode auf dem Steg? Muss ich mich ducken, wenn das Segel im Boot plötzlich auf die andere Seite schwenkt? Wie lautet die korrekte Antwort auf die Frage „Bereit zur Wende“? Warum ist Wassertrinken bei Tagestörns so wichtig? Was ist ein Mensch-über-Bord-Manöver? Warum sollte ich eine Rettungsweste tragen?
Verein oder Bootsschule?
Fragen wie diese beantworten sich nicht alleine durch eine Web-Recherche. Wer Segeln als Sport oder Freizeitbeschäftigung betreiben will, sollte die Menschen kennenlernen, die aktiv auf dem Wasser unterwegs sind – auf einer kleinen Jolle für den Binnensee oder einer fürs Meer gemachten großen Fahrtenyacht.
Zu Beginn geht es beim Segeln lernen nicht um den Erwerb amtlicher Sportbootführerscheine, sondern um erste Erfahrungen – und um eine ganz praxisorientierte Ausbildung in den grundlegenden Fertigkeiten des Segelns. Und „Theorie“, also das Aufnehmen des grundlegenden Wissens, gibt es natürlich auch. Dafür ist der Winter da.
Eine Gelegenheit dafür bieten die zahlreichen Schnupperangebote der Segelvereine. In manchen Städten so wie in Berlin gibt es das in organisierter Form: Beim 2021 wieder veranstalteten Day of the Bay, wo sich Dutzende Wassersportvereine gemeinsam an einem Wochenende vorstellen. Im Verein treffen sich die organisierten Segler. Und viele von ihnen freuen sich über engagierten Nachwuchs und interessierte Neueinsteiger. Den Überblick geben die im Deutschen Segler-Verband organisierten Segelclubs.
Für die erste Kontaktaufnahme bietet sich ein Anruf beim Sportwart oder dem für Neumitglieder zuständigen Vorstandsmitglied an. Denn auch in Segelvereinen wird das meiste ehrenamtlich organisiert., auch die Segelausbildung. Keine Angst: Ein Boot muss keiner mitbringen, der oder die mit dem Segeln beginnt.
Segeln im Urlaub lernen
Eine gute Alternative zum Club ist es, bei einer Wassersportschule einen Einsteigerkurs zu besuchen. Hier lernt man, unter der Anleitung eines ausgebildeten Segellehrers, in einem bezahlten Kurs in kurzer Zeit alles Wesentliche kennen, um ein Segelboot selbst zu steuern.
In den Mittelmeerländern werden Segelkurse für Anfänger meist als Wochenseminar angeboten. Damit passt die Ausbildung gut in die Ferienplanung: Eine Woche segeln lernen, eine Woche Strand – und das alles am selben Urlaubsort. Viele Segelschulen, beispielsweise auf den Balearen oder an der Adria, beschäftigen deutschsprachige Lehrer. Einige bieten auch in Deutschland anerkannte Segelscheinprüfungen an – üblicherweise nach einem Intensivkurs von zwei Wochen Dauer.
Auch hier gilt: 2020 ist ein besonderes Jahr wegen der notwendigen Vorsicht in der Corona-Pandemie. Wer nicht individuell mit dem Auto zum Ferienziel anreisen kann und auf Flugzeug und Bahn angewiesen ist, sollte überlegen, Segeln zunächst lieber in heimischen Gefilden zu lernen.
Aller Anfang ist leicht
Die Kraft des Windes zu bändigen und in kontrollierte Fortbewegung umzuwandeln, um so sein Ziel ohne Motoren zu erreichen – so lässt sich Segeln definieren. Oder so: Spaß auf dem Wasser haben mit Wind und Mitseglern – und dabei nie aufhören, mit Respekt vor den Elementen zu lernen.
Einen sehr guten Start bieten die Web-Anleitungen auf entdecke-wassersport.de – in Ergänzung und als Vorbereitung zur ersten Segelstunde. Hier wird auch erklärt, woher der Wind weht und welche Kleidung für welches Boot und Revier passend ist. Auch die Frage „Segelschule oder Club?“ beantwortet die Einführung.
Die richtige Antwort auf alle Fragen ist: Es kommt darauf an, was man will. Und darauf sollte man es ankommen lassen. Denn dann ist das vorher scheinbar Unerreichbare greifbar nah. Drei Monate Mittwochssegeln ist dieses Jahres noch drin, bevor die Boote für den Winter an Land gehen. Dann kommt – so gar nicht grau – die Theorie.