In Seenot gerät man schneller, als man denkt, wie die Havarie eines Multihulls kürzlich vor Ostia und Berichte über versagende Navigations-Software zeigen. Nachdem float-Autor Stephan Boden im Sommer auf der Nordsee von den Seenotrettern abgeborgen werden musste, hat es nun Karsten Sahner und mich erwischt. Karsten Sahner, der Besitzer der Reederei und des Restaurantschiffs van Loon und ich, Hafenmeister der Citymarina Berlin, haben bei einem Törn in der Ägäis den Mast verloren.
Es war der letzte Segeltag unseres einwöchigen Törns, auf dem Weg von Skiathos nach Kymi in der Ägäis. Wir waren mit unserem 43 Fuss Katamaran auf dem Weg zum Liegeplatz und Winterlager seiner Yacht „Popcorn“ und zu zweit unterwegs. An diesem Morgen waren wir besonders früh aufgestanden, um vor dem für den Abend angekündigten Sturm im Hafen zu sein. Vorhergesagt waren 70 Knoten ab 18 Uhr, davor etwa 10 bis 20 Knoten.
Gegen Mittag kamen die ersten Böen
Wir segelten in den Sonnenaufgang. Um 9 Uhr ließ der Wind ganz nach, und wir mussten etwa eine Stunde unter Motor fahren. Anschließend rauschten wir bei angenehmen 15-20 Kn Wind mit 10-13 Kn Fahrt bei strahlendem Sonnenschein und unter Begleitung von Delfinen übers Meer – immer am Wind.
Gegen Mittag kamen die ersten Böen, die bis auf 25 Knoten anstiegen. Wir entschieden, die Genua durch den Kutter zu ersetzen und setzten also erst den Kutter, um dann die Genua einzurollen. Plötzlich kam eine Bö mit 34 Knoten, kurz bevor die Genuaschot gefiert werden konnte. Wegen der starken Krängung – der Luv-Rumpf war schon in der Luft – entschied Karsten sich, das Groß loszuschmeißen.
In diesem Moment brach der Block der Trimmleine des unteren Backstags. Das obere Backstag hatte dem Druck zwar standgehalten, aber der Mast konnte unter der enormen Belastung – 110 Quadratmeter bei 38 Knoten – den Schwingungen nicht standhalten und war in sich gebrochen.
Großes Gemetzel an Deck
Nachdem ich genug geflucht hatte, entschieden wir uns, den Mast so schnell wie möglich loszuwerden, um eine Beschädigung des formverleimten Rumpfs nicht zu riskieren. Daraufhin haben wir ein großes Gemetzel an Deck gestartet: Das stehende Gut habe ich mit Rohrzange und Schraubendreher losmachen können. Der Rest wurde mit Teppichmesser und einem Rambo-Dolch entfernt. Den Baum und paar Kleinigkeiten haben wir noch demontiert, und dann haben wir den Rest versenkt.
Das Losschneiden dauerte etwa 30 Minuten. Wir waren nun ein Motorboot und von unserer Tankfüllung abhängig. Zum Glück hatten wir am Abend zuvor 20 Liter Diesel nachgetankt, aber der Füllstand war trotzdem eher dürftig. So nahmen wir die restlichen 30 Seemeilen motorend in Angriff.
Plötzlich auf dem Motorboot
Der Wind frischte weiterhin auf. Wir mussten inzwischen bei 40 bis 45 Knoten gegenan. Als wir vor dem Kap vor Kymi aus der Landabdeckung heraus mussten, hatten wir bereits 60 bis 70 Knoten Wind von vorne. Kurz zuvor hatten wir die zweite Maschine dazu genommen, die sich aber schon nach kurzer Zeit wieder verabschiedete: Die Vorförderpumpe machte die Grätsche. Eine schnelle Reparatur war nicht möglich. So schlichen wir mit weniger als 100 m Abstand und weniger als 2 Knoten über Grund und einer Welle von 4 Metern an der schroffen Felsküste vorbei.
Wir haben es geschafft!
Mit zehn Litern im Tank kamen wir sicher in den Hafen und waren heilfroh. Die von uns bereits in die Wege geleitete Rettungsaktion mussten wir zum Glück nicht in Anspruch nehmen. Im Video kann man den Mastbruch live sehen.
direkt zum VideoDas Boot
- 43-Fuß-Katamaran, Baujahr 1979
- 2 Motoren je 18PS
- formverleimter Rumpf
- 50 qm Großsegel, 51 qm Genua, 9 qm Kutter
- 16 m Alu-Mast, Carbon Großbaum, Harken-Beschläge
- 4 Doppel-Kojen, offene Pantry im Salon, kleines WC und Außendusche
- Schlauchboot mit 2,5 PS Honda Motor