Manchmal probiert man neue Dinge aus und denkt sich: „Wahnsinn, ist das toll. Hätte ich das doch bloß schon früher gemacht!“ Als ich mit Mitte 20 das erste Mal die Adria mit einer Segelyacht überquerte und vor Begeisterung gleich durchgehend acht Stunden Ruder ging, war das so.
Als ich vor einiger Zeit auf die Webseite von Leo Sampson Goolden stieß, ging es mir genau so. Nach Stunden auf seinem Blog und viele Videos später dachte ich: Könnte ich jetzt sofort die Uhr um 30 Jahre zurückdrehen, würde ich es genauso machen wie er.
Leo wächst in England auf. Nach der Schule ist er ein paar Jahre auf Reisen – klassisch mit Rucksack, per Anhalter. Ein langer Road-Trip, bei dem er sich kräftig und unheilbar mit dem Reisevirus infiziert. In dieser Zeit entsteht sein Wunsch, ein Handwerk zu erlernen, das sich gut mit dem Reisen verbinden lässt. Der klassische Holzbootbau ist dafür genau das Richtige.
Zurück in England findet er eine Lehrstelle und wird Bootsbauer. 2012 kauft er das schwedische Folkeboot „Lorema“ von 1947, restauriert es und lebt als selbständiger Bootsbauer auf dem Boot. Mal hier, mal da, je nachdem wo ihn die Arbeit gerade hin verschlägt.

Kein Klo, kein GPS, aber viele Flaschen Wein an Bord
2015 erfüllt sich Leo einen lang gehegten Wunsch und überquert auf der „Lorema“ einhand über die Kanaren und die Kapverden den Atlantik. Die „Lorema“ ist für die Ozeanüberquerung sehr schlicht ausgestattet: Sie hat keinen Motor, kein GPS, keine Wassertanks oder Gasflaschen, kein Klo. Stattdessen hat sie nur ein einfaches Ruder, einen Sextanten aus Plastik, einen Holzofen und eine Pütz. Sein Luxus ist eine Gitarre, ein altes französisches Rennrad, gutes Werkzeug für die Holzbearbeitung, viele Kisten Wein und ein Solarpaneel für die Stromversorgung des Soundsystems.
Im selben Jahr nimmt Leo mit seiner „Lorema“ als kleinstem Boot an der Antigua Classic Yacht Regatta teil und gewinnt. Dadurch und durch Bootsbauarbeiten auf größeren Klassikyachten werden vermögende Yachtbesitzer auf Leo aufmerksam. Unter ihnen ist der norwegische Eigner der 90-Fuß langen „Sincerity“, einer Holzketsch aus den 1920er-Jahren, der auf der Suche nach einem neuen Skipper ist. Für ihn skippert Leo die Yacht mit Eigner und Gästen auf einem ausgedehnten Grönlandtörn und zurück ins Mittelmeer.

Im Frühjahr 2016 wechselt er als Bootsmann auf den 65 Meter langen Dreimastschoner „Adix“. Es folgen bewegte Monate bei Regatten und Events in der Karibik und an der amerikanischen Ostküste. So hätte es weitergehen können: Meer, Segeln, klassische Yachten und interessante Menschen.
Dann stößt Leo auf „Tally Ho“, die Siegeryacht der harten 1927er Fastnet-Regatta. Die englische Yacht von 1909, im Albert-Strange-Design gebaut, ist 47,5 Fuß lang und kuttergetakelt. Eine klassische Holzyacht, die nach einem langen und bewegten Bootsleben als Rennyacht, Familienyacht, Frachtsegler und Fischerboot schließlich vergessen im Hafen von Brookings (Oregon) langsam verrottet und darauf wartet, wieder wachgeküsst zu werden.

Ich habe etwas sehr Dummes getan, ich habe „Tally Ho“ gekauft.
Leo Sampson Goolden besichtigt die Yacht und kauft sie für ein Pfund von der Albert Strange Association, die ihn beim Refit der Yacht unterstützt. Seither hat Leo das Schiff auf dem Landweg nach Sequim in Washington überführen lassen. Hier lebt er auf dem Grundstück eines Bekannten, direkt neben einer Schreinerei und renoviert die Yacht alleine. Praktischerweise liegt um die Ecke Port Townsend, die Hochburg des Holzbootsbaus im Nordwesten der USA.

Mit dem Beginn dieses riesigen Refit-Projekts startet Leo einen sehenswerten Video-Blog. Er zeigt in seinen Videos, wie er die Werkstatt herrichtet, sich eine Wohnung baut, wie er die Bauhütte plant und errichtet, wie er die Schraubenwelle zieht und letztens ganz alleine den fünf Tonnen schweren Bleikiel abtrennt. Immer in Begleitung von Hund und Papagei. Gut gemachte, kurzweilige und spannende Videos, mit denen er auch um finanzielle Unterstützer wirbt.
Für Leo Sampson Goolden ist dieses Projekt eine weitere Herausforderung. Ihm geht es darum, ‚eine gute Geschichte zu erzählen und gute Leute dazu zu bringen, sie weiter zu erzählen‘, sagt er auf seiner Seite. Das tun wir gerne. Leo freut sich über jede Unterstützung.
Die Tally Ho im Werden: www.yachttallyho.com