Meine Erfahrungen mit Katamaranen beschränkten sich bislang auf einige Stunden mit Hobie-Kats vor Fuerteventura. Aber je mehr Spaß das Gleiten über das Wasser im Trapez machte, um so fließender war der Übergang vom Segeln zum Schwimmen. Fahrtenkatamarane bereiteten mir hingegen oft Kopfschmerzen. Allerdings erst am nächsten Morgen, nicht aus seemännischen Gründen.
Denn Freunde in der Türkei, wo ich seit über zweieinhalb Jahren auf einer Moody 425 lebe, residieren auf einer Lagoon. Und sie halten dort regelmäßig Hof. Sprich, sie laden gerne zu feuchtfröhlichen Abenden (oder bereits Nachmittagen) ein, die nur selten früh enden.

Ich muss gestehen, ich war bisher kein großer Freund der komfortablen Zweirümpfer. Als ich einmal den Katamaran eines Freunds als „Reihenhaus auf Kufen“ bezeichnete, wurde mir das lange nachgetragen. Das Verhältnis von (Einrumpf)-Seglern zu Katamaran-Veteranen erinnert bisweilen an die Kluft zwischen Seglern und Motorbootfahrern. Same, same – but different.
Um so dankbarer war ich, als Sebastian Kummer mir das Angebot machte, zusammen mit ihm und wechselnden Crewmitgliedern eine brandneue Lagoon 42 von Les Sables d’Olonne in die Türkei zu überführen, die dort bei Pitter-Yachting in den Charter geht. 3.000 Seemeilen, sieben Länder, sechs Wochen.
Same, same – but wirklich different?
Für mich eine großartige Gelegenheit, die Biskaya und den Atlantik kennenzulernen und von den Erfahrungen anderer Segler zu profitieren. Mit Gorm Gondesen ist für mehrere Wochen zum Beispiel ein versierter Offshore-Racer an Bord, der nicht nur etliche Male im Rennmodus den Atlantik überquert hat. Mit seiner „Nica“ segelte er auch um die halbe Welt. Erst Corona konnte ihn in Neuseeland stoppen.
Der Überführungstörn hat nur einen kleinen Haken. Da Sebastian einige Male die „Soffio“ aus beruflichen Gründen verlassen muss, überträgt er mir als Kat-Novizen die Kapitänsbinde. Na dann: Mast- und Schotbruch!

Als wir die „Soffio“ übernehmen, bin ich anfangs etwas skeptisch. Gerade der einladende Salon scheint mir zwar hervorragend geeignet für harmonische Hafentage und angenehme Ankerplätze, aber für die Biskaya mit einer hohen Welle ist der Freiraum ohne Haltegriffe gefährlich groß.
Doch ich soll eines Besseren belehrt werden. Der Katamaran nimmt die Welle erstaunlich gelassen. Während eine Yacht in der Brandung wild auf den Kämmen reitet und der Mast wie ein Taktmeter von Luv nach Lee geigt, scheinen wir im Vergleich dazu wie auf Schienen zu gleiten.
Schiffsbewegung auf Kat und Kielboot
Und genau davor hatte ich Angst. Die Bewegung auf einem Katamaran unterscheidet sich von der eines Kielbootes immens. Mehrfach hatte ich bereits von sturmerprobten Seglern auf Weltumseglung gehört, dass sie noch nie seekrank wurden. Bis zu dem Tag, an dem sie einen Katamaran betreten haben. Dieses Schicksal blieb mir zum Glück erspart.

Die größten Vorteile eines Katamarans gegenüber einem Monohull sind ziemlich offensichtlich: der enorme Komfort, der große Salon, eine Pantry, die so mancher Küche in einer Zweizimmerwohnung in nichts nachsteht, dazu großzügige Kabinen mit jeweils eigener Nasszelle und natürlich der Außenbereich am Heck unter und auf der Flybridge sowie die Netze am Bug zwischen den Rümpfen. Selbst bei großer Crew bietet ein Katamaran genügend Rückzugsräume, um auch mal stille Momente zu genießen.
Nicht umsonst haben die Zweirümpfer in den vergangenen Jahren enorme Marktanteile im Serienbau gewonnen. Die Bänder in den Produktionshallen laufen heiß – wenn sie denn nicht aufgrund einer Cyberattacke stillstehen. Besonders im Mittelmeer sind Katamarane beliebt. Bei Eignern wie auch in der Charter.
Gibt es neben Komfort auch Segelspaß?
Doch kann ein Kat neben Komfort auch Segelspaß? Und was muss ein Skipper bei seinem ersten Mal auf zwei Rümpfen beachten?

Zur Freude der Segler legt die neue Generation an Fahrtenkatamaranen wieder mehr Wert auf Performance. Trotzdem laufen die Zweirümpfer deutlich weniger Höhe als Kielboote. Spitzer als 60 Grad zum Wind leidet der Speed bereits spürbar. Und auch mit Wind von achtern ist das Segeln bei leichten Winden nicht vergnügungsteuerpflichtig.
Zumindest nicht mit der Standardsegelgarderobe aus Selbstwendefock und Großsegel. Zum Glück ist die „Soffio“ für unseren 3.000-Seemeilen-Trip mit einem Gennaker ausgerüstet, so dass wir die Küste Portugals mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Knoten entlangdüsen.
Der Radius des Baums ist viel geringer
Wer auf einem Katamaran einen Schmetterling segeln möchte, kommt schnell an seine Grenzen. Oder genauer gesagt: an die Wanten. Das Groß einfach so lange fieren, bis es den raumen Wind bestmöglich einfängt, ist nicht möglich – konstruktionsbedingt. Katamarane haben kein Achterstag, dafür verlaufen die Wanten weiter heckwärts, die den Radius des Baums stark einschränken.
Dabei ist darauf zu achten, dass das Groß die Wanten nicht touchiert, da sonst die Segellatten brechen könnten. Mehr Beachtung sollten Kat-Segler deshalb auch dem Zusammenspiel von Traveller und Großschot schenken.
Wohl dem, der einen Gennaker an Bord hat. Doch auch hier gibt es Tücken. Ebenfalls konstruktionsbedingt. Auf Yachten im Urlaubsmodus sieht man oft den Gennaker ohne ein gesetztes Großsegel. Der Vorteil, gerade bei leichten Winden: Das Großsegel erzeugt keine Verwirbelungen und raubt dem Vorsegel nicht den Wind. Der Gennaker auf einem Kat sollte aber immer mit dem gesetzten Großsegel, zumindest gerefft, gefahren werden, da das Segel dem Rigg Stabilität verleiht und als eine Art Ersatz-Achterstag dient.
Keine Schräglage, aber viel Druck aufs Rigg
Auch empfiehlt es sich auf Katamaranen, den vom Hersteller vorgegebenen Reffplan einzuhalten, der genau angibt, bei welcher Windgeschwindigkeit und Kurs wie gerefft werden muss. Da der Kat so gut wie keine Schräglage hat, steigt der Druck auf das Rigg bei zu viel Segelfläche enorm an. Die Gefahr: Der Mast beugt sich dem Wind. Und kann runterkommen. Ab 16 Knoten scheinbaren Wind sollte der Gennaker nicht mehr gefahren werden.
Der exponierte und bequeme Steuerstand bei Katamaranen hat Vor-, aber auch Nachteile. Meist liegt er seitlich erhöht, oder ganz auf der Flybridge, um freie Sicht vorbei am Mast zu haben. Auf See ist die Sicht unschlagbar, als Rudergänger komme ich mir manchmal aber vor wie ein Lkw-Fahrer auf einer leeren Autobahn.
In engen Häfen rächt sich allerdings der seitlich gelegene Steuerstand, weil der Abstand des gegenüberliegenden Rumpfes zu Steg, Mole oder Bootsnachbarn nicht einsehbar ist. Wahrscheinlich minimiert die Routine das Risiko.
Da ein Katamaran in jedem Rumpf eine Maschine hat (bei längerem motoren sollte auch nur eine im Einsatz sein), lässt sich der Zweirümpfer gut und auf engstem Raum manövrieren. Vorausgesetzt, es ist windstill. Die Windangriffsfläche ist groß und der fehlende Kiel oder das Schwert lassen den Kat schnell driften.
Allerdings empfiehlt es sich für jeden Neuling am Ruder, die Manöver fernab einer Marina zu üben. Denn anders als beim Monohull lässt man am besten die Finger vom Steuer und lenkt den Kat ausschließlich mit den beiden Maschinen. Dazu ist es wichtig, das Ruder unbedingt zuvor festzusetzen – besonders bei Rückwärtsfahrt.
„In jeder Hand einen Hebel“
Nachdem wir die Biskaya gequert und entlang der spanischen und portugiesischen Atlantikküste gesegelt sind, ist Cascais bei Lissabon der erste Hafen, den wir anlaufen. Für mich heißt das üben, üben und noch einmal üben. Denn auf der nächsten Etappe nach Mallorca wird Sebastian nicht an Bord sein. Also kreuze ich durch das Feld der Ankerlieger, vorwärts und rückwärts, versuche Kreise zu drehen, auf dem Teller zu wenden und aufzustoppen. Gewöhnungsbedürftig!

Sebastian hat einen guten Tipp: „Du musst den Kat fahren wie einen Bagger“, sagt der versierte Kat-Veteran, „in jeder Hand einen Hebel“. Für mich klingt das einleuchtend. Das Problem ist nur, ich bin auch noch nie Bagger gefahren.
Die ersten An- und Ablegemanöver erfordern noch eine gehörige Portion Konzentration – trotz wenig Wind. Aber immerhin: Bislang ist alles gut gegangen. In Kürze erreichen wir Mallorca – die Hälfte unserer Strecke. Und Sebastian kommt wieder bis Sardinien an Bord.