Eines Abends, kurz nach dem Abendessen, waren sie plötzlich da, Mutter und Kind. Esther Horvath griff ihre Kamera und fotografierte die Eisbären aus sicherer Entfernung von Bord der „Polarstern“, dem Forschungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts. Es sind diese zwei weißen Bären im Eis, die Esther Horvath beim World Press Photo Award 2020 in der Kategorie Umwelt eingereicht hat. Sie wurde dafür mit dem 1. Preis des wichtigsten Wettbewerbs für Pressefotografie ausgezeichnet.
Dreieinhalb Monate lebte die Ungarin mit der Crew und 60 Forschern an Bord des Forschungsschiffs und dokumentierte die Arbeit des neuen Projekts MOSAiC des Alfred-Wegener-Instituts im hohen Norden. Das Bild, das den Umweltpreis von World Press Photo bekam, erklärt in nur einem Foto den Sinn dieser Forschungsmission. „Ich war extrem glücklich über den Preis“, sagt die Polarfotografin im Interview mit float. „Es war immer ein Traum von mir, diesen Award zu gewinnen.“

Esther Horvath ist es gewohnt, monatelang im Eis eingeschlossen zu sein. Als Fotografin für das Alfred-Wegener-Institut, kurz AWI genannt, begleitet sie die Wissenschaftler regelmäßig zu Polarexpeditionen, seit sie vor zwei Jahren aus New York nach Bremen kam.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin folgte nach dem Studium ihrer Leidenschaft für Fotografie. Sie verließ Ungarn und studierte in New York City noch einmal, und zwar Dokumentarfilm und Fotojournalismus am International Center of Photography. Ihr fotografischer Schwerpunkt liegt seitdem auf der Dokumentation wissenschaftlicher Forschungsprojekte.

Blühende Eislandschaften
2015 entdeckt Esther Horvath bei einem Auftrag die Polarregionen und so ihre Leidenschaft für das Eis. „Für mich ist es blühendes Leben“, sagt sie. „Die Umgebung ändert sich total schnell. Dort zu fotografieren, empfinde ich als meine Berufung.“ Mit den Herausforderungen im Eis kann sie gut umgehen. Anstrengend ist es trotzdem. „Jeden Tag etwa sieben Stunden draußen zu sein und das ganze Equipment im Eis zu tragen, schlaucht sehr“, berichtet die Fotografin.
Ich mache keine Schnappschüsse. Ich habe die Story schon im Kopf, wenn ich losgehe.
Um die wissenschaftlichen Studien zu dokumentieren, bereitet Esther Horvath sich akribisch vor. „Ich mache keine Schnappschüsse. Ich habe die Story schon im Kopf, wenn ich losgehe.“ Vorher hat sie bereits die Location gesichtet. Sie ist immer die Erste vor Ort und greift nicht in das Geschehen ein. „Das muss ich nicht, Denn ich weiß schon, was kommt.“ So findet sie ihre Bilder und wartet nur auf den richtigen Moment. So wie bei den Eisbären.
An Bord der Polarstern hat sie ihr ganz eigenes Licht gesetzt, das sie von Projekt zu Projekt verändert, je nachdem, was dem Thema am besten entspricht. Esther Horvath ist dabei sehr fokussiert auf die Personen und arbeitet eng mit den Wissenschaftlern zusammen.


Auch das Alltagsleben der Forscher wird dokumentiert
Mit ihren Bildern will sie Aufmerksamkeit für Forschung erregen. Sie will das Alltagsleben der Forscher und die Schönheit vor Ort zeigen. Durch die Dokumentation der Arbeit und des Lebens von Wissenschaftlern, die wichtige Daten für das Klima liefern, will Horvath dazu beitragen, dass die Menschen besser verstehen, wie Wissenschaftler arbeiten und so das öffentliche Bewusstsein für die empfindliche Umwelt zu schärfen.
Bei minus 45 Grad Celsius zu fotografieren bringt die Technik an ihre Grenzen. Das Öl in den Gewinden friert ein, die Batterien verlieren sehr schnell an Energie, die Hände sind im Nu eiskalt.