Der America’s Cup wird nur von dem Wettrennen zwischen Elon Musk und Jeff Bezos um die Besiedelung des Mars übertroffen. Kein Segelereignis versammelt so viele Superlative wie die älteste kontinuierlich ausgetragene Regatta der Welt.
Der leichteste Rumpf, das steifste Segel, die aberwitzigsten Geschwindigkeiten, die Milliarden-schwersten Team-Besitzer. Für die beteiligten Konstrukteure und Werften ist solch ein Wettbewerb mit einem Budget, dessen Grenzen man mit dem Teleskop suchen muss, natürlich ein Paradies.
Die Bootsbauer von Multiplast kamen schon mehrmals in den Genuss eines America’s-Cup-Auftrages. Zwischen 1992 und 2017 haben sie sechs Schiffe für die französischen Teilnehmer gebaut. 2021 gingen sie aus einem schlichten Grund leer aus: Frankreich nahm nicht am Cup teil.
Besser spät als nie
Danach sah es auch für 2024 aus. Zum 37. America’s Cup in Barcelona im September 2024 hatten sich die gleichen vier Teams wie 2021 angemeldet: Titelverteidiger Neuseeland, Italien, USA und UK – und als fünfter Teilnehmer die Schweiz. Erst diesen Februar stieß Überraschungsnachzügler Frankreich mit dem Team Orient Express unter Stéphan Kandler und Bruno Dubois dazu – mit dabei Multiplast. Sie bauen den Rumpf, das Deck und die inneren Verstärkungen der Team-Orient-Yacht.

Die Ausrichter haben seit 2021 von den Katamaranen wieder Abstand genommen und sich für die foilenden Einrumpfboote AC75 als Einheitsklasse entschieden. Multiplast will mit dem Bau diesen Mai beginnen. Da dem Team Orient Express keine Entwicklungszeit bleibt, haben sie einen unkonventionellen Deal mit dem neuseeländischen Team getroffen: Die Neuseeländer stellen den Franzosen ihre Bauanleitung auf neuestem Stand zur Verfügung. So kann die französische Yacht zeitgleich zu den anderen im Frühjahr 2024 in Betrieb gehen. Warum die Neuseeländer sich so großmütig zeigen? Viel Feind, viel Ehr’, haben sie sich wohl gesagt. Fünf Konkurrenten machen mehr her als vier.
Hinter dem Orient Express Team steht die Accor Group, die Mutterfirma diverser Schmalhans-Hotelketten wie Ibis, Novotel, Mercure und anderen. Accor kann aber nicht nur schlicht, sondern auch feudal. Ihre zwei Kreuzfahrtsegler Orient Express Silenseas sollen die größten, luxuriösesten und innovativsten Segelschiffe der Welt werden. Beim Bau auch hier mit dabei: Multiplast.
Multiplast verleiht Flügel
Multiplast gelten unbestritten als Primus unter den Kompositmaterial-Herstellern. Auch Boris Herrmann ließ seine Malizia – Seaexplorer von ihnen bauen. Die Firma aus Vannes setzt ihr Know-how aber nicht nur für Höchstgeschwindigkeit, sondern auch für Nachhaltigkeit ein.

Multiplast gehört zu einem französischen Konsortium, das Flügelsegel, Solid Sails, für die Berufsschifffahrt entwickelt. Die Flügelsegel sollen bei günstigen Windbedingungen einen Teil des Vortriebs übernehmen. So muss die Maschine weniger leisten – und stößt weniger Abgase aus. Neben Accor hat Neoline für ihren Frachter Neoliner bereits Solid Sails geordert. An der Technologie knobeln auch andere Werften wie Royal Huisman und Artemis Technologies mit ihrem Wing Sail for Yacht.


Die faltbaren Solid Sails sind 66 Meter hoch und wiegen gute 18 Tonnen. Bis zu 40 Prozent der CO2-Emissionen sollen mit den Segeln eingespart werden können. Ein Prototyp ist betriebsbereit. Das Konsortium rechnet mit einem Bedarf von 20 Masten pro Jahr. Das ist 20 mal mehr, als die jetzigen Produktions-Kapazitäten hergeben. Aber eins nach dem anderen. Zuerst muss der 37. America’s Cup gewonnen werden.