Der nächste Schritt auf dem Weg zum neuen Ballastkiel erfordert die ganze Crew. Um den Positiv-Kern herum wird ein vier Tonnen schwerer Stahlkasten gebaut, mit Guss-Sand verfüllt und am Ende umgedreht, um das Blei eingießen zu können – ein echter Balance-Akt.
Der Albert-Strange-Rennkutter Tally Ho von 1909 wird von Leo Sampson Goolden und seiner Crew von Profis und Volunteers seit vier Jahren neu aufgebaut. Ursprünglich in Süd-England vom Stapel gelassen, erfolgt der Neu-Aufbau im äußersten Nordwesten der USA in Port Townsend, nahe der kanadischen Grenze. Der Rumpf sieht fast fertig aus, wie er in der Halle hinter dem Rolltor steht mit seiner weißen Außenhaut und dem rotem Unterwasserschiff.
Fehlt nur noch der Ballastkiel. Der alte war brüchig und zu leicht. Bei dem Versuch, ihn mit einem Bleiaufguss zu verstärken, ist er durchgeschmolzen. Also hat Leo sich entschlossen ihn komplett neu zu gießen. Jetzt ist eigentlich gar nichts mehr original an dem alten Schiff außer dreiviertel des Spiegels. Man könnte es auch Replik nennen, aber das ist Leo egal.
Das Kiel-Modell wird aufgebaut
Er hat den Kiel mit Hilfe eines Kieldesigners neu gezeichnet. Jetzt baut er aus den einzelnen Spantenrissen Eins-zu-eins-Schablonen aus Hartfaser- und Spanplatten, angeordnet nach den einzelnen „Stations“, also den Positionen in Längsverlauf des Kiels. Als Basis fixiert er Spanplatten am Hallenboden. Dann nimmt er die Form des Ballastkielansatzes am eigentlichen Holzkeil ab, überträgt sie auf den Schnürboden und legt mit einer Schlagschnur die Mittellinie fest.
Kollege Richard klebt die einzelnen Schablonen auf und verbindet sie mit Heißkleber und Spanplatten miteinander, so dass ein Gerüst für den Positivkern entsteht. Drumherum werden Hartfaserplatten gestellt, um den Sand in Form zu halten.

Und wieder mal Schleifen
Dann kommt Doug der Profi ins Spiel. Mit seinem Sandmixer setzt er die richtige Mixtur aus Silikat-Sand und einem speziellen Harz namens PepSet aus der Guss-Industrie an. Dieses Material lässt sich gut um das Kerngerüst (den sogenannten Plug) herum einbringen und verdichten. Wenn es abgebunden ist, ergibt es eine Art Sandstein, der sich leicht shapen (formen) lässt. Die Bootsbauertruppe benutzt dafür grobes Schleifpapier aus langen Schleifbrettern.
Patrick erinnert sich bestens an die „Folterbretter“ vom Rumpfschleifen letztes Frühjahr. Paradox, Sand mit Sandpapier zu schleifen. Auf den Sandkern wird ein spezieller Furnierputz aufgetragen um die Oberfläche zu schließen und ihr den letzten Schliff zu geben.
Stahlharte Knochenarbeit
Dann kommt die Arbeit für die großen Jungs: Aus schweren, starken und rostigen Stahl-U-Profilen schneiden und schweißen Richard, Pete, Pat und Rowan einen Kasten rund um den Positiv-Kern. Pete freut sich an seiner Kreissäge mit Spezialblatt, sie geht durch den Acht-Millimeter-Stahl wie durch Butter. Richard schneidet und biegt die J-Bolzen und Bögen, die die Form aussteifen und dem Sand Halt geben, aus Armier-Eisen. Rowan ist der Schweißer und Pat gibt lustige Kommentare und legt Hand an, wo er kann.
Bevor das Harz-Sand-Gemisch, das die eigentliche Gussform bildet, eingefüllt wird, instruiert Doug noch einmal das ganze Team: Es darf nichts schiefgehen, sonst ist die ganze Arbeit umsonst gemacht. Und dann ist es soweit: 30-mal läuft der Mischer und sieben Mann sind zugange, um den Sand schnell gleichmäßig und fest in den nach oben offenen Formkasten zu geben.


Eindrucksvoll im Video im Zeitraffer dargestellt, wie die Bootsbauer hin und her wuseln. Schließlich ist es vollbracht, „Give me Five!“.
Hält die Gussform?
Nachdem der Sand gehärtet ist, kommt der Moment, auf den alle gespannt warten. Zentimeter um Zentimeter wird an vier Punkten der Formkasten von dem Plug mit Hydraulikwagenhebern geliftet und mit Keilen nachgesetzt. An der Arbeit haben alle ihren Spaß. Vorsichtig wird der Formkasten vor das Hallentor gefahren und dann gedreht.
Vier Tonnen Stahl mit lose sitzendem Sand darin müssen bewegt werden, eine spannende Angelegenheit. Pete und Leo Sampson sitzen auf zwei Gabelstaplern und liften den Kasten mit Gurten. An zwei Pick-Up-Trucks sind die Gurte fixiert, mit denen Doug und Richard mit Hebelzügen den schweren Kasten drehen. Schließlich ist es geschafft und alle sind froh, dass die Form gehalten hat. Der Rest ist easy-going: Die Form kommt wieder in die Halle mit Stapler und Ameise.


Dann streicht Doug die Form mit Mold Wash (Formschlichte). Der Primer verhindert, dass das flüssige Blei in den Sand eindringt. Dieser Anstrich enthält Alkohol als Lösungsmittel und Doug lässt es sich nicht nehmen die Form mit dem Gasbrenner abzuflämmen. Flammen lodern aus der Form und geben zum Abschluss noch sehr beeindruckende Bilder. Angst vor Feuer hat der Guss-Maestro jedenfalls nicht.
Am Ende ist es mal wieder an der Zeit für einen sichtlich erleichterten Leo, um sich zu verabschieden. Im nächsten Video wird gegossen, verspricht er, und sagt wieder einen großen Dank an alle, die seine Videos anschauen und das Projekt unterstützen.
