Majestätisch ziehen die schneebedeckten Gipfel des Kaskaden-Gebirges am Fenster des kleinen Flugzeugs „Betsy“ vorbei. Hier soll es (noch) bis zu 300 Gletscher geben, die höchsten Berge ragen bis zu 4.000 Meter über das Meer. Charlie, der für ein paar Episoden die Videos gedreht und editiert hat, kann diesen Job leider nicht weitermachen. Dafür schenkt er Leo zum Abschied einen Flug in seiner Oldtimer-Cessna.


Kurz Luft holen
Das junge Bootsbauer-Team nimmt sich nach wochenlangem Gießen, Schleifen und Polieren der Wrangen, Knie und Bugbänder ein paar freie Tage. Leo nutzt sie für Büro-Arbeit und einen Ausflug mit der kleinen Honda „Gamakatsu“ durch den Wald im Olympic National Park und einen Flug über die Berge.
Am Ende kommt das Team am Lagerfeuer zusammen und stimmt sich auf die nächsten Arbeitsschritte ein. Es wird langsam kalt im Nordwesten der USA und morgens liegt das erste Eis auf der Plane, die das Plankenholz abdeckt. Was soll‘s, die Sonne wärmt immer noch die Glieder und sobald sich der Work Flow einstellt, sind alle wieder mit Enthusiasmus dabei.

Leo überlegt sich genau die Position der ersten Planke. Er kommt zu dem Schluss, sie am besten ziemlich in der Mitte der Außenhaut in der Kimm (Turn of the Bilge), also am Übergang des bei Tally Ho konkaven Unterwasserschiffs zu der eher konvexen Bordwand über der Wasserlinie anzubringen. Ein Team fängt von unten mit der Kiel-Planke (Garboard Plank) an. Mit dem zweiten Team wird aufeinander zugearbeitet, bis beide sich treffen. Dort wird dann die Verschlussplanke (Shutter Plank) für den unteren Abschnitt eingesetzt, möglichst in einem nach außen gewölbten Bereich – gar nicht so leicht bei einem S-Spant, aber Leo wird auch dazu etwas einfallen.
Gewusst wie …
Zunächst wird der Verlauf der ersten Planke noch einmal genau mit der langen Latte ausgestrakt. Kleine Unebenheiten werden angepasst. Dann wird mit einer Plankenlehre, einem flexiblen Brett mit Abstandsmarken, und einem Stechzirkel die Position der weiteren Planken auf den Spanten markiert, jeweils gute 4 ½ Zoll (11,5 cm breit). Als nächster Schritt wird aus Sperrholzstreifen eine Plankenschablone zusammengeleimt und an den vorgesehenen Plankengang geheftet.
Darauf überträgt Leo mit einem Holzklötzchen (Spiling Block), ähnlich wie mit einem Streichmaß die Plankenbreite oben und unten an jedem zweiten Spant. Dann geht es an den Holzstapel, die beste Planke liegt natürlich unten. Also erst mal mit dem Gabelstapler die oberen Planken weghieven und die Wunschbohle herausziehen. Das Wana-Holz hatten David und Matt in den letzten Wochen auf 35 Millimeter Stärke glatt gehobelt.
Mit kleinen Nägeln wird die Schablone auf die Bohle geheftet. Die Maße werden mit dem gleichen Klötzchen wie vorher übertragen und Heftnägel an jeder Marke gesetzt. Der Schnittverlauf wird mit einer stabilen Latte ausgestrakt. Jetzt kann die Planke mit der Handkreissäge ausgesägt und winklig gehobelt werden. Hierbei zeigt sich im Video wieder mal Leos Händchen für die passende Musik-Auswahl, wenn im Takt des Hobels die Trompetenstöße erschallen.
Das alles hat Leo zur Chefsache gemacht, wohl auch, weil er ausprobieren möchte, wie es wirklich funktioniert. Nun noch die Längen der beiden Plankenstücke festlegen, denn sie müssen einmal in der Mitte gestoßen, das heißt verbunden werden. Der Stoß wird zwischen zwei Spanten gelegt. An einer Seite der Stoßkante wird bis auf zwei Drittel der Plankenstärke eine keilförmige Kalfatnaht angehobelt, ebenso am Einlauf in die Vorsteven-Sponung (Stem Rabbet). Da die Tally Ho ein Spiegelheck hat, kann die hintere Planke ruhig länger sein.
Die Stöße liegen nicht auf den Spanten, da die Befestigungsnieten sonst zu nahe am Ende säßen. Dann werden lieber massive Laschen (Butt Blocks) aus Purple-Heart-Holz hinter die Stöße zwischen den Spanten genietet. Die Stöße werden natürlich bei den nächsten Planken versetzt eingeplant. Die erste Planke braucht viel Zeit, doch Leo rechnet damit, durch Routine und gutes Teamwork den Zeitaufwand auf ein Zehntel zu reduzieren – er muss Ziele setzen.Keep it simple
Während Leo den ersten Plankengang vorbereitet, übertragen Rosie, Pete und Matt mit einer Schnur und einer „obszön“ winzigen Wasserwaage die Plankenpositionen von Steuerbord nach Backbord. Pete empfiehlt „Keep it simple“ und meint damit die Schnur-Methode, die zuverlässiger als die lange Schlauchwaage ist. Es geht ihnen gut bei dem Job
.

Leos „Hey Pete, what are you doing“ wird immer wohlwollender beantwortet: „Ein Boot sollte symmetrisch sein“, wie wahr. Wenn die bis zu 100 Messpunkte auf beiden Bootsseiten genau stimmen, können die gleichen Planken-Schablonen auf beiden Seiten verwendet werden, das spart viel Arbeit und Zeit. Währenddessen wachsen und polieren Rowan und David die Bronzeteile. Sie geben keine Ruhe, bevor nicht das letzte Knie glänzt wie die Sonnenreflexe auf den Wellen des Puget Sound.

Die erste Planke ist die einzige mit rechtwinkligen Kanten. Alle anderen müssen mit unterschiedlichen Schmiegen (Schrägen) und Kalfatnähten versehen sein, um sich an die Nachbarplanke anzuschmiegen. Nun muss noch die Rückseite der Planke, mit der sie an die konvexen Spanten stößt, etwas hohl ausgehobelt werden. Dafür fertigt Leo sich extra abgerundete Messer für den E-Hobel und modifiziert einen Handhobel. Dann hobelt er die Innenwölbung mithilfe von kleinen Schablonen aus. An einem Ende der Planke zeigt sich nach dem Hobeln etwas Splintholz (Sapwood) und eine Anzahl Insektenlöcher. Hier setzt er mit Epoxidharz einen Keil ein, der zwischen den Spanten verschwindet und auch ohne Leim fest sitzt.
Zum Schluss: Bootssuppe
Ups, der erste Anstrich mit Bootssuppe ging leider auf die falsche Seite. Bootssuppe, wir erinnern uns: eine Rezeptur aus Leinöl, Pinienholzteer und Terpentin. Aber was meint Leo mit „penetral“? Es gibt hierzulande extrem dünnflüssige Öle wie Owatrol, die tief ins Holz eindringen, so etwas ist sicher auch in den USA erhältlich. Das ist aber auch der einzige Fehler, den sich Leo erlaubt. So kann endlich der erste Plankengang mit Schraubzwingen angebracht werden.
Am Spiegel wird mit Dolfinite gedichtet, einem Super-Produkt, halb organisch, halb Chemie, das leider auf dem deutschen Markt noch nicht verfügbar ist. Das zweite Plankenteam aus Rosie, Pete und Matt nimmt derweil die Schablone für die Kielplanke (Garboard Plank) ab.
Am Schluss sitzt der erste Plankengang so gut, dass die Jungs schon die ersten der 3.000 Nieten setzen können, die Matt vor sechs Wochen angefertigt hat. Ein gutes Ergebnis für nur eine Woche Arbeit. Die vielen kleinen und wichtigen Jobs im Hintergrund fallen nicht zu sehr ins Bild.

Leo ist stolz, er kann sich auf ein gutes Team verlassen und ist wieder einen wichtigen Schritt weitergekommen in seiner Mission, die „Tally Ho neu aufzubauen“. Und schon wieder heißt es „Cheers and a massive THANK YOU to all supporters“. In 14 Tagen sehen wir mehr.
Wer das Tally-Ho Project unterstützen möchte, hier der link dazu.