Und dann sind wir plötzlich zu fünft. Meine türkische Freundin Arzum, Bordhund Cingene, Kater Oglus, ich – und Murphy. Vor knapp vier Jahren habe ich meinen Job als Wirtschaftsjournalist an den Nagel gehängt und Deutschland den Rücken gekehrt, um fortan auf einem Segelboot zu leben. Zunächst in der Türkei, demnächst auf Atlantikpassage.
„Da ist Murphy wieder“, denke ich mit hochrotem Kopf, als ich rücklings unter der Spüle liege, die Wärme des Kühlkompressors mir in den Augen brennt (oder ist es der Schweiß, der mir im Gesicht steht?) und ich die undichte Seewasserfußpumpe aus ihrer Verankerung zu lösen versuche. Blind natürlich. Denn wie immer auf einem Boot sind die wichtigen Teile so verbaut, dass man sie kaum erreichen kann.
Ich weiß nicht, wo unser Gast zugestiegen ist. Wie lange er zu bleiben gedenkt, weiß ich nicht. Ich weiß nur: So schnell wie möglich muss er die Dilly-Dally wieder verlassen. Wir haben ihn nicht eingeladen und er soll wieder verschwinden.
Besser heute als morgen. Schon einmal hatte er das Boot in einer Serie blinder Zerstörungswut verwüstet. Und gerade jetzt, auf unserem letzten Vorbereitungstörn vor der großen Fahrt, wollen wir Murphy nicht wieder an Bord haben. Aber er bleibt.
Die Sehnsucht nagt
Ich weiß nicht, wann wir genau den Entschluss gefasst haben, die Leinen in der Türkei zu lösen, um gen Westen zu segeln. Sehr weit in den Westen. Im Idealfall wollen wir zu Weihnachten über den Atlantik in die Karibik segeln. Zusammen mit Freunden, die wir in der Türkei kennengelernt haben. Jan aus München auf seiner Makamae (Sun Odyssey 44i) wird uns begleiten und Karsten und Mal, ein Däne und ein Australier, auf ihrer Barrakuda (Beneteau 51 Idyll).
Jan ist bereits im Mai nach Griechenland aufgebrochen, Karsten und Mal wollen Anfang August in der Türkei starten. Irgendwo im Mittelmeer wollen wir uns treffen, um dann gemeinsam über Marokko, die Kanaren und Kap Verden die Atlantikpassage zu wagen.
Es muss während der Pandemie gewesen sein, als die Grenzen dicht, die Sehnsucht groß und die Biere eiskalt waren. Es gab nicht diesen einen Tag, an dem wir beschlossen, auf Langfahrt zu gehen, diesen einen Tag, an den man sich noch Jahre später erinnern wird. Vielmehr war es ein Prozess. Wir hatten viele Segler kommen und gehen sehen (okay, auch welche, die trotz hehrer Ziele blieben, und auch welche, die ihr Boot im Medicane verloren haben), wir blieben in Kontakt, verfolgten deren Reisen – und waren neidisch.
Der Plan, keinen Plan zu haben
Fortan spukte der Gedanke, über den großen Teich zu segeln, in unseren Hinterköpfen. Als ich 2018 auf die Dilly-Dally, eine Moody 425, zog, war mein Plan, keinen Plan zu haben. Und das war auch perfekt. Erst einmal sehen, ob das Bootsleben mir gefällt (tat es), ich es mir finanziell erlauben kann (konnte ich) und ob das Leben es gut mit mir meinen würde (meinte es).
Arzum, meine Freundin, habe ich in der Marina in Kas kennengelernt, wo sie mit einer Freundin die Wäscherei samt Yachtservice betrieb. Da die beiden kurz vor der Pandemie ihr Business verkauft hatten, war sie Feuer und Flamme von der Idee, die Welt mit dem Schiff zu bereisen.
Etliche Wochen segelten wir zunächst die türkische Küste auf und ab, mehr war nicht möglich. Griechenland öffnete die Häfen für Boote, die aus der Türkei kamen, erst sehr spät. Aber Arzum kam nicht allein an Bord.