Endlich sind alle Boote im Wasser, Zeit zum Durchatmen für die Marinebetreiber, Bootshändler und Werften, die zahlreiche in den Corona-Jahren bestellte Boote nun ausgeliefert haben. Während die Sonne dieser Tage überall in Europa hochsommerlich auf Segler und Motorbootfahrer scheint, ist die Großwetterlage bei der wirtschaftlichen Konjunktur in der Bootsbranche aktuell eher wolkenverhangen.
Das spiegelt sich in der Markteinschätzung des Bundesverbands Wassersportwirtschaft für dieses und das kommende Jahr wider. Karsten Stahlhut, der Geschäftsführer der größten deutschen Branchenvertretung, fasst zusammen: „Die Stimmung ist aktuell eher schlecht, ebenso die Aussicht.“ Nun liegen auch die Daten des Branchenbarometers vor, die der Verband soeben veröffentlicht hat.

Im Prinzip liegen alle Bootsklassen aktuell unter dem Vorjahreswert und nur partiell auf dem Niveau von 2019. Die Gründe für die dunklen Wolken am Konjunkturhorizont sind vielfältig: „Der Markt ist aktuell gesättigt, es gibt keine Liegeplätze mehr, und vor allem sind die Boote mittlerweile viel zu teuer geworden.“
Ungesunde Preisentwicklung
Stahlhut gibt ein Rechenexempel: „Eine 37 Fuß lange Serien-Segelyacht hat in den letzten zwei Jahren eine Preisentwicklung von 160.000 auf 280.000 Euro genommen, das ist einfach zu viel.“ Hinzu kämen neuerdings wieder 7 bis 9 Prozent Zinsen für die Finanzierung.
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Geschäftsklima Sommer 2023 in der deutschen Bootsbranche © BVWW
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Konjunkturprognose der befragten Betriebe © BVWW
Das führt dazu, dass potenzielle Neubooteigner, die heute eine Segelyacht oder ein Motorboot bestellen, deutlich schneller mit fahrfertiger Auslieferung rechnen können. Einige Boote gebe es sogar wieder verfügbar auf Lager. „Bei Bootsbestellungen reden wir bei Serienwerften noch von rund 8 bis 12 Monaten Vorlauf“, hat Karsten Stahlhut bei den BVWW-Mitgliedsbetrieben recherchiert.
Es gibt auch Unterschiede bei den einzelnen Marktsegmenten. „Ganz schlecht“ aus der Sicht des Handels sehe es bei Neubestellungen von Segelyachten aus. Dies sei darauf zurückzuführen, dass hier traditionell hohe Stückzahlen in die Charter gehen. Doch hier hake es zurzeit, so Stahlhut: „Man müsste, um Rendite zu erzielen, einen 30 bis 40 Prozent höheren Charterpreis nehmen. Das wiederum lässt sich nicht verkaufen.“ Eine Folge dieser Entwicklung aus Sicht des Verbands-Chefs werde die Alterung der Flotten sein.
Was tun? Aus Sicht des Branchenverbands BVWW ist es sehr schwer, gegen all diese Entwicklungen anzuarbeiten. „Weder Zinsen noch Herstellerpreise sind für uns beeinflussbar“, so Karsten Stahlhut.
Hanse Yachts bleibt optimistisch
Komplett anders ist die Markteinschätzung von Deutschlands größter Serienwerftgruppe, der Hanse Yachts AG, für dieses und das kommende Jahr. Im am 30. Juni 2023 abgelaufenen Geschäftsjahr hat Hanse Yachts mit der „Rekordzahl von 626 produzierten Booten den Umsatz deutlich gesteigert“, erklärt Unternehmenssprecher Boris Heitmann.
Von Nachfrage-Flaute und Delle in der Konjunktur also keine Spur? „Wir sehen trotz der zinsbedingten höheren Finanzierungskosten eine weiter gute Nachfrage sowohl bei Segel- als auch bei Motoryachten“, so Heitmann. Und das unabhängig von Marktsegmenten, wobei der Trend bei den Zusatzausstattungen weiter in Richtung mehr Komfort und mehr Extras gehe.

Während die Lieferketten sich mittlerweile weiter normalisiert haben, sind Preiserhöhungen bei den Zulieferern aktuell eine Herausforderung für Hanse Yachts. Dennoch, so der Hanse-Yachts-Sprecher gegenüber float: „Bei bestimmten Teilen wie beispielsweise Motoren, Generatoren oder Bordelektronik kommt es immer wieder zu Lieferschwierigkeiten der Hersteller, die dann zu ungeplanten Verzögerungen in der Produktion führen können.“
Handel erwartet Konsolidierung
Das Ende des Booms ist auch aus Händlersicht nicht immer schlecht, wie auf Nachfrage zu erfahren ist. Ein Vertragshändler mehrerer bekannter Marken mit großem Bootsvolumen erklärt es im Gespräch mit float. Man habe wegen der riesigen Nachfrage, die das Angebot weit überstieg in den vergangenen drei Jahren Boote quasi „zugeteilt“. Dieses Phänomen hatte es zuletzt in den 1990er-Jahren gegeben. Der Umkehrschluss: „Jetzt müssen wir wieder aktiv verkaufen.“

Es gibt auch Bootsarten, bei denen die Erwartungen an Neuboootverkäufe durchaus positiver sind als im Vorjahr. Das zeigt die Jahresumfrage des BVWW. Ausgeprägt (mit über 20%) ist die positive Stimmung bei Kanus und Kajaks, noch klar erkennbar bei Motorbooten über 12 Metern und – immerhin existent – bei Motorbooten von 7,50 bis 12 Metern Länge. Auch bei Segelyachten ab 12 Metern erwarten 60 % der Befragten immerhin gleich gute Geschäfte.
Besonders die hohen Werftpreise machen, so die Selbstauskunft vieler Handelsbetriebe gegenüber float, dem Handel dabei zu schaffen. Wer unternehmerisch gut aufgestellt sei, so die verbreitete Selbsteinschätzung, könne durchaus unbesorgt in die aktuelle und nächste Saison blicken.
Deutlich im Vorteil bei flacherer Konjunktur sind dabei Unternehmen, die Service und Liegeplätze anbieten können. Anders sieht es aus bei Firmen, die auf Einnahmen aus dem Bootsverkauf angewiesen sind. Eine Konsolidierung ist hier durchaus zu erwarten.