Anfang Mai fanden am Starnberger See zum zweiten Mal die Electric Days statt. Bootsmotorenhersteller Torqeedo stellte bei der Präsentation elektrisch angetriebener Segelyachten und Motorboote seine neuen elektrischen Antriebssysteme auf dem Wasser vor. Das gab uns Gelegenheit, zwei Jahre nach dem Kauf von Torqeedo durch den Kölner Motorenhersteller Deutz mit Christoph Ballin, dem Gründer und Geschäftsführer von Torqeedo, zu sprechen.
Am See lagen zehn Boote für die verschiedenen Anwendungsbereiche zum Testen bereit. Ganz relaxt glitt das schwimmende Sonnendeck-Kat „Litore One“ über den See. Für Segler präsentierte Domani die S 30, Bente eine 24 und Glas einen elektrisch motorisierten 45er Nationalen Kreuzer.
Der Elektro-Pionier Frauscher brachte seine brandneue Kraftmaschine Mirage 740 und eine 650 Alassio mit nach Starnberg. Die am See ansässige Bootswerft Glas zeigte die nagelneue 7 Even, ihr erstes Elektromotorboot. Auch RIBs waren da. Sie sind als Coaching-Boote für Segeltrainer interessant, weil leise und spurtstark. Die interessantesten Anwendungskonzepte und Boote stellen wir in Kürze auf float vor.
Christoph Ballin im Gespräch mit Kerstin Zillmer

float: Es ist jetzt zwei Jahre her, dass Torqeedo von Deutz gekauft wurde. Was hat sich dadurch verändert?
Christoph Ballin: Die operative Arbeit geht genauso weiter wie bisher. Unsere Gesellschafter sind jetzt keine Finanzinvestoren mehr, sondern ein Industrieunternehmen. Manches machen wir als Teil eines börsennotierten Unternehmens anders als ein Startup. Compliance Management und Exportkontrolle beispielsweise finden auf einem deutlich höheren Niveau statt.
Zum anderen unterstützen wir Deutz dabei, Elektromobilität für Baumaschinen, Material-Handling und Landtechnik anzubieten. Dafür werden Entwicklungsprojekte von uns unterstützt, für die es aber auch zusätzliche Mitarbeiter gibt.
Hast Du noch genug Zeit für Torqeedo, wenn Du bei Deutz die Elektrifizierung von Landmaschinen unterstützt?
Ja, klar! Als Geschäftsführer eines durch Venture-Kapital finanzierten Startups hat man auch nicht 100% der Zeit für das operative Geschäft zur Verfügung. Das ist in der neuen Struktur nicht anders. Neben meiner Rolle für Torqeedo bin ich für Strategie-Themen bei Deutz verantwortlich. Mein Kollege Ralf Plieninger, der technische Geschäftsführer von Torqeedo, ist ebenfalls für die Elektrifizierungs- und Hybridisierungs-Projekte von Deutz verantwortlich.
Wie unterstützt Deutz wiederum Torqeedo?
Auf der einen Seite unterstützt Deutz uns finanziell. Wir machen nach wie vor Verluste und investieren weiter. Mittlerweile hat Torqeedo 200 Mitarbeiter. Wir machen weiter wie bisher und treiben Elektromobilität in der Marine-Industrie voran.
Daneben arbeiten wir im Vertrieb und Einkauf mit Deutz zusammen. Wir nutzen zum Beispiel das Deutz-Vertriebsnetz, insbesondere für die professionellen Segmente. Die größten Synergien für Torqeedo werden aber erst dann kommen, wenn Deutz seine elektrischen Systeme launcht. Aus elektrischen Systemen, die in großer Stückzahl in Baumaschinen eingebaut werden, kann Torqeedo Komponenten für Boote einbauen. Dann wird es richtig spannend und für die Anwender noch attraktiver.

Ist Deutz denn an der Marine-Industrie interessiert? Oder heißt es: Land ist Land und Wasser ist Wasser?
Letzteres. Deutz hat Torqeedo nicht gekauft, weil wir bei Torqeedo etwas auf dem Wasser machen. Das war für die Akquisition herzlich egal. Es geht um die Technologie und unsere Anwendungserfahrung. Deutz hat ein Unternehmen gesucht, das alle Komponenten von Elektromobilität beherrscht.
Und das gleichzeitig nicht nur ein Entwicklungsdienstleister ist, sondern auch operative Erfahrung mit funktionierender Supply-Chain und Systemen im Feld hat. Durch die gemeinsame Arbeit des Torqeedo-Deutz-Teams sparen wir Zeit und Kosten in der Elektrifizierung. So wird Deutz in seinen Segmenten eine Pionier- und Führungsrolle in der Elektromobilität einnehmen.
Habt ihr die Zeit seit dem Verkauf nutzen können, um Torqeedo technisch voranzubringen?
Nicht schneller oder langsamer als vorher. Wir haben unsere Entwicklungsprojekte und unsere Produkt-Roadmap nicht verändert. Wir haben unsere Entwicklungsabteilung vergrößert, und durch das vergrößerte Team ergeben sich natürlich auch mehr Möglichkeiten.

Unverändert ist auch, dass zu unserer DNA eine gewisse Ungeduld gehört. Damit klimaneutralere Mobilität in einem Markt Fuß fasst, braucht es oft den Impuls eines externen oder neuen Anbieters. Sonst tun die bestehenden Anbieter vielleicht nicht viel. Wir sind stolz darauf, dieser Impuls in der Marine-Industrie zu sein. Das Konvertieren von Bootssegmenten weg von Verbrennungsmotoren und hin zu nachhaltigeren Elektroantrieben ist nicht nur eine Chance, unser Unternehmen zu vergrößern, es ist auch etwas, dass die Welt dringend braucht.
Was ist neu auf der technischen Seite?
Für 2019 haben wir eine neue Version des Travel-Motors gelauncht: mit Direktantrieb ohne Getriebe. Dadurch ist der Motor sehr leise und wir haben in dem Zusammenhang auch das Ansprechverhalten verbessert. Die neue Power-Batterie hat ein Drittel mehr Energiedichte. Dann launchen wir einen neuen 100-kW-Antrieb als Teil unserer Deep-Blue-Modellreihe.
Den neuen Motor gibt es gleich in zwei Darreichungsformen – als langsam drehendes Modell für Fähren und Segelboote und als schnell drehenden Motor für Motorboot und Gleiter-Anwendungen. Daneben haben wir eine neue Kajak-Halterung für die Ultralight-Modelle. Die Halterung lässt sich sehr leicht montieren und bietet eine Menge Komfort-Funktionen. Das ist eine vernünftige Menge an Innovationen. Und diese Taktzahl müssen wir auch beibehalten.

Die Taktzahl beizubehalten heißt – einerseits – immer die Verbesserung der bestehenden Produkte. Das ist ein Dauerthema, weil sich die Möglichkeiten auf der Motor- und Batterieseite immer weiter verbessern. Daneben sind wir aber auch immer dabei, völlig neue Produkte zu entwickeln und neue Märkte für Elektromobilität zu erschließen. Unsere Sortimentsreihen sind noch lange nicht geschlossen.
Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt einen chinesischen Mitbewerber am Markt. Was bedeutet das für Torqeedo?
Wettbewerb belebt das Geschäft. Wir sind der Auffassung, dass wir die besten Produkte haben. Und wir sind mit Abstand der größte Anbieter weltweit. Wir machen dieses Jahr über 30 Millionen Euro Umsatz. Der nächstgrößere Marktbegleiter hat einen Bruchteil davon.