Die Orcas machten auch vor Ocean Racern nicht Halt. Als die Teams am Abend des 22. Juni die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer passierten, „interagierten“ – wie es in der Sprache der Wissenschaftler heißt – zwei Orcas direkt mit den VO65-Teams Jajo und Mirpuri Trifork Racing.
Team Jajo hat die Interaktion mit einer GoPro-Kamera gefilmt. Man erkennt deutlich, wie die Tiere direkt auf die Ruder zugehen. Es passiert nichts, die Schwertwale biegen ab. Team Jajo verliert bei der Aktion zwei Plätze im Rennen.
Das Team hatte, wie es bis vor kurzem empfohlen wurde, die Segel heruntergenommen und das Boot abgebremst. Inzwischen hat das spanische Verkehrsministerium seine offiziellen Richtlinien für SchiffsführerInnen bei Begegnungen mit Orcas vor der spanischen Küste jedoch angepasst. Statt die Yacht zu stoppen, die Maschine abzustellen und sich möglichst ruhig zu verhalten, sollen Crews nun nahe der Küste in flache Gewässer segeln.
Wale werden mit Sendern markiert
Um die Interaktionen mit Segelbooten zu verhindern, die mit ihren Rudern einiges an Angriffsfläche bieten, hat jetzt das spanische Ministerium für ökologischen Wandel veranlasst, die Wale mit Sendern zu markieren. 60 Schwertwale leben in der stark befahrenen Meeresstraße von Gibraltar in mehreren Familien.
Es sind vor allem sechs Schwertwale, die in der Straße von Gibraltar aktiv gegen Segelboote vorgehen. Die Organisation CIRCE für die Erforschung von Walen markiert diese Tiere aktuell mit Peilsendern, um sie über Satellit orten zu können. In einer Karte kann die Position der Tiere dann wöchentlich festgehalten und Seglern mitgeteilt werden.
Ziel des Pilotprojekts ist es, SchiffsführerInnen von Segelbooten klare Handlungsanweisungen zu geben, damit diese sicher navigieren können. Außerdem überlegt man Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich Schwertwale an Schiffe gewöhnen.
Erste Interaktion in der Nordsee
Weit weg, in der Nordsee vor den Shetland-Inseln, hat am Montag ein Orca wiederholt eine Yacht gerammt. Ein 72-jähriger pensionierter niederländischer Physiker war allein auf dem Weg von Lerwick nach Bergen in Norwegen, schreibt der Guardian. Der erfahrene Segler angelte am Heck des Bootes nach Makrelen, als der Orca plötzlich auftauchte und das Heck des sieben Tonnen schweren Bootes traf. Es ist auch hier das gleiche Verhalten wie vor Spanien: Der Orca blieb hinter dem Boot und suchte nach dem Ruder, genau wie bei der iberischen Population.
Dass dieses erlernte Verhalten fast 2.000 Seemeilen von Gibraltar entfernt aufgetreten sein soll, überrascht auch Wissenschaftler. Ein Experte, der Orca-Gruppen vor der schottischen Küste untersucht hat, sagte gegenüber dem Guardian: „Es ist möglich, dass diese Modeerscheinung auf die verschiedenen Gemeinschaften überspringt.“ Er vermutet, dass es sehr mobile Gruppen von Meeressäugern gibt, die dieses Verhalten über weite Entfernungen weitergeben können.
Andere Experten wie Alfredo López von der Grupo de Trabajo Orca Atlántica in Portugal glaubt, dass menschliche Aktivitäten – wenn auch nur indirekt – der Grund für dieses Verhalten sind. Zunehmender Schiffsverkehr, schwindende Nahrungsquellen, die Erwärmung der Meere und Lärmbelästigung könnten bei den Orca-Interaktionen eine Rolle spielen.