Sonnabend im Eventzelt der ORC Worlds 2023 in Kiel: Auf dem Podium werden die Stühle zurechtgerückt, die Regie checkt die Mikrofone, das Zoom-Meeting wird gestartet, die Datenleitung für den Livestream gecheckt. Die Seeseglerinnen bereiten die Bühne für die Präsentation einer neuen Kooperation: Die deutsche Initiative der „Offshoreseglerinnen“ will ihre Kräfte bündeln mit dem Magenta Project.
Es ist die erste Kooperation des weltweiten Netzwerkes für Frauen im Segelsport mit einem nationalen Projekt, für die float als exklusiver Projektpartner mit dem Magenta Project die rechtliche und finanzielle Basis geschaffen hat.
Eine geschäftige Spannung macht sich breit, die Frauen aus den verschiedenen Crews nehmen die vorderen Plätze vor der Bühne ein. Im hinteren Bereich, dort wo die Männer zusammenstehen, geht es noch lautstark zu. Es bedarf ein paar Aufrufe des Podiums, um dem Projekt der Offshoreseglerinnen Gehör zu verschaffen.
Es sind Momente mit Symbolcharakter: Unter den knapp 1.000 Teilnehmenden zur Weltmeisterschaft der Seesegler sind etwa 16 Prozent Frauen. Der Zugang für Frauen in diesen männerdominierten Sport ist weiterhin schwer – trotz aller Initiativen und Kampagnen in der Vergangenheit.
Prominentes Podium
Auf dem Podium diskutieren Kirsten Harmstorf-Schönwitz, eine der Pionierinnen der deutschen Seeseglerinnen, sowie Eshana Müller als eine der aufstrebenden Offshoreseglerinnen mit den internationalen Stars Meg Reilly, Annie Lush und Susann Beucke, die online zugeschaltet sind.

Unter der Moderation von float-Chefredakteurin Kerstin Zillmer und Jessica Klingelhöfer von den Offshoreseglerinnen geht es um die Möglichkeiten, den Frauen den Zugang zum professionellen Segelsport zu erleichtern und für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Die Zusammenarbeit der „Offshoreseglerinnen“ mit dem Magenta Project soll Türen öffnen und hat eine prominente Patronin: Annie Lush hat sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft für diese Zusammenarbeit zu übernehmen.
Die 43-jährige Britin ist die Idealbesetzung, denn die dreimalige Ocean-Race-Teilnehmerin gehört nicht nur zu den Mitbegründerinnen des Magenta Projects, sie hat auch tiefe Einblicke in den deutschen Seesegel-Sport als Crewmitglied des Offshore Team Germany und der „Intermezzo“ von Jens Kuphal. Annie Lush sieht den deutschen Segelsport im Aufwind und damit gute Chancen, dass sich die deutschen Frauen in Zukunft mehr durchsetzen werden.
Nicht Quote, sondern Können
„Deutschland hat bei den Olympischen Spielen einen großen Schritt nach vorn gemacht. Es gibt fantastische Frauen, die wir in Zukunft stärker im Profi-Segelsport sehen werden.“ Und es werden nicht nur Quoten sein, die an Bord der Yachten erfüllt werden. Diese Erfahrung konnte Annie Lush selbst gerade bei The Ocean Race an Bord der „Guyot environnement – Team Europe“ machen. „Ich war nicht Teil der Crew, weil ich eine Frau bin, sondern ich brachte die Erfahrung im Offshoresegeln ins Team.“

Bis zu dieser Anerkennung allerdings war es ein weiter Weg. Mit der Teilnahme des reinen Frauen-Teams „SCA“ am Volvo Ocean Race 2014/15 sorgten die Frauen unter anderem mit einem Etappensieg für Aufmerksamkeit. Die drohte allerdings schnell wieder abzuebben, als sich der Sponsor zurückzog. Aus der Crew heraus gründete sich das Magenta Project, dessen CEO Meg Reilly heute ist.
Tutima geht, Magenta kommt
Wie sehr dieses Netzwerk nachgefragt wird, macht Eshana Müller deutlich: Vor zwei Jahren wurde eine Instagram-Seite gestartet, um deutsche Frauen im Offshore-Segeln zu präsentieren. „Von dem Moment an erhielten wir zahllose Nachrichten von Frauen, die solch ein Netzwerk wollten. Heute sind wir mehr als 90 Frauen im Projekt der Offshoreseglerinnen. Viele haben von einer Kampagne geträumt, hatten aber nicht den Zugang zu den Ressourcen. Inzwischen laufen die ersten Projekte.“
Der Startschuss für das neue deutsche Netzwerks war der Rückzug der „Tutima“-Crew aus dem Regatta-Circuit vor rund zwei Jahren. Über elf Jahre bildete die Frauen-Crew um Kirsten Harmstorf-Schönwitz auf der Tutima den Kristallisationspunkt für die Seglerinnen. „Wir hatten den besten Sponsor der Welt, hatten freie Hand und konnten die Regatten segeln, die wir wollten. Uns war es wichtig, dass wir 15 Charaktere zusammen haben, die auch wirklich zusammen passen.
Deshalb sind wir solange zusammen gesegelt und haben den Zeitpunkt des Abschieds auch selbst gewählt. Jetzt haben wir noch mal ein Comeback für diese WM“, berichtet „Kirsche“ und untermauerte damit, was Kerstin Zillmer deutlich formuliert: „Die Frauen-Teams brauchen mehr Sponsoren, die ihnen vertrauen. Denn oft scheitern die Kampagnen schlichtweg am Geld.“
This race is female
Die Stranderin Susann Beucke hat sich dieses Vertrauen durch ihre Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2021 erarbeitet. Durch Unterstützung aus der Industrie hat sie den Sprung in die Offshore-Szene geschafft. Sie war aus Lorient in Frankreich zugeschaltet, wo sie sich gerade auf die nächsten Rennen der Solitaire du Figaro vorbereitet.

Mit ihrer Kampagne „This race is female“ hat sie die Chance, sich weiterzuentwickeln: „Es ist ein großer Schritt vom olympischen Segeln zum Offshore-Segeln. Ich lerne jeden Tag etwas Neues. Ich bin jetzt in die französische Offshore-Segelwelt eingetaucht und stelle fest, dass alles von der Kompetenz und dem Selbstvertrauen abhängt, diese Projekte zu starten. Das muss man sich erarbeiten. Daher ist das Netzwerk so wichtig, um uns gegenseitig zu unterstützen und die Möglichkeiten aufzuzeigen.“
Die Podiumsdiskussion ist erst der Auftakt zu weiteren Veranstaltungen, um das deutsche Netzwerk zu stärken. Beim anschließenden Get Together, das von Pantaenius Yachtversicherungen und Tutima Glashütte / SA unterstützt wurde, tauschten sich die rund 150 Gäste aus.
Den Auftakt der weiteren Aktivitäten bilden zwei exklusive Plätze für deutsche Offshoreseglerinnen im Mentoring-Programm des Magenta Projects. Ein Platz geht an eine „Mentee“, die über neun Monate lang von einer Mentorin begleitet wird, der zweite Platz an eine deutsche Seglerin, die sich zur Mentorin ausbilden lassen kann. Die Bewerbungsphase startet jetzt!
Weitere Projekte werden in Kürze über die Website Offshoreseglerinnen, auf float und über Social Media veröffentlicht.