Wer unauffällig durchs Leben schippern will, sollte sich keinen Klassiker anschaffen. „Damit ist man immer im Fokus“, sagt Dirk Maibuhr. Der Vorsitzende des Vereins Oldieboote weiß, wovon er spricht. Er besitzt mehrere alte Motorboote aus Mahagoni.
Im Verein Oldieboote haben sich Besitzer von klassischen Motorbooten organisiert, zumeist Holzbooten, die in der Zeit zwischen 1920-70 entstanden sind. Vor zehn Jahren gründete eine Handvoll Enthusiasten diese Interessengemeinschaft in Berlin. Ihr Ziel: gegenseitige Unterstützung im Bemühen, die schwimmenden Schönheiten zu erhalten.
Und natürlich auch den gemeinsamen Spaß daran: Regelmäßig organisierten die Fans offene Treffen der Klassiker von nah und fern. Ziel ihrer Sehnsucht war der Teupitzsee im südlichen Brandenburg. Zu den besten Zeiten fuhren über fünfzig Klassiker an so einem Oldieboot-Wochenende über den See – und hunderte Besucher erfreuten sich an dem Anblick der gepflegten Oldtimer.
Verkaufssalon an der noblen Friedrichstraße
Dazu gehört zum Beispiel die „Junior“ von Andrea und Axel Burde, gebaut um 1934 in Berlin-Köpenick. Mit original 3,5 PS Schachtmotor. Eine Konstruktion von Max Schönherr: Der gelernte Möbeltischler bildet sich Anfang der 1920er-Jahren zum Bootsbauer weiter. Seine ebenso schönen wie schnellen Boote kommen gut an, in der noblen Friedrichstraße gibt es einen Verkaufssalon. „Schönherr hält stets jederzeit, alle Boote startbereit!“, lautete sein damaliger Werbespruch. Sein sechs Meter langes „Super-Motorboot“ hat sogar Elektrostarter!
Doch der Krieg macht – wie vielen – auch Schönherr einen Strich durch die Rechnung: 1944 werden seine Verkaufsräume in der Friedrichstraße ausgebombt, rund hundert Boote, vom Paddel- bis zum Motorboot, verbrennen. Und nach Kriegsende folgt dann die Enteignung der Werft in Ostberlin, Schönherr fängt in Spandau neu an als Möbeltischler. Boote baut er keine mehr.
Schneider lässt sich vom Autodesign inspirieren
Ein anderer klangvoller Klassikername ist die Schneider-Werft. Vereinsvorstand Maibuhr kam über sie zu Oldieboote: Er verliebte sich vor Jahren in eines der Boote dieser einzigartigen Marke. Einige sehr schöne Schneiderboote wurden gerade auf der Boot & Fun in Berlin ausgestellt. Kurt Schneider kommt in den 1930er-Jahren zum Bootsbau. Er beobachtet aufmerksam die Entwicklungen beim Automobilbau: Die Erkenntnisse der Aerodynamik beeinflussen damals dramatisch das Design, geschwungene Karosserien und Heckflossen kommen in Mode. So auch bei Schneider.
Nach dem Krieg perfektioniert er sein handwerkliches Design. Seine Motorboote werden in der DDR zu Hunderten gebaut. Ihre aerodynamische Windkanalfigur fällt sofort ins Auge. Ein Schneider-Boot sieht bereits schnell aus, wenn es nur am Steg liegt. Die handwerkliche Verarbeitung stellt damals wie heute, in West wie Ost, einen Höhepunkt der Bootsbaukunst dar.
Nixe macht auch die GfK-Transformation mit
Oder etwa die „Molch“, ein Mittelkajütboot mit Verdränger-Rumpf. Es entstand auf der Potsdamer Nixe-Werft. Vor hundert Jahren gegründet, wird sie mit Holzkanadiern und -ruderbooten groß. Die wachsende Popularität des Wassersports lässt auch die Nixe-Erzeugnisse wachsen. Viele Kajütboote in verschiedenen Layouts entstehen nach dem Krieg am neuen Standort der Nixe-Werft in Westberlin.
Auch die Transformation zu Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GfK) macht die Nixe-Werft mit und baut in den 1960er-Jahren eine Kleinserie Kunststoff-Rümpfe. Doch schließlich läuft die Produktion aus, heute ist Nixe ein Yachthafen. Der Schwerpunkt auf ostdeutsche Bootswerften ist bei Oldieboote übrigens kein Zufall. „Hier sind einfach die meisten alten Holzboote erhalten geblieben“, sagt Dirk Maibuhr. Im Westen verdrängt ab den 1960er-Jahren GfK den traditionellen Werkstoff.
Plötzlich sind Holzboote altmodisch. Jeder will mit glatten, weißen Rümpfen unterwegs sein, die zudem weniger pflegeintensiv sind. „Sogar Riva stellte auf Kunststoff um.“ Im Osten dagegen, wo auch auf dem Wasser Mangel herrschte, muss und will man die alten Konstruktionen erhalten.
Holzboote überleben vor allem im Osten
Zugang zu modernen Werkstoffen hatten nämlich nur Bootsbauer mit Beziehungen, zum Beispiel Hans Wax, der als Stasi-Agent im Auftrag seiner Kollegen schnelle Boote baute. Als die Mauer fiel, konnten sich auch Bootsfahrer aus der Ex-DDR einen GfK-Rumpf kaufen. Und plötzlich standen viele alte Autoboote und andere Holzrümpfe zum Verkauf.
So fanden auch die Aktiven von Oldieboote zu ihrer Leidenschaft: „Mein erstes Motorboot war eine Schneider. Mich hatte diese Form angefixt.“ Maibuhrs Vater half ihm, das Boot zu restaurieren. Mit der Zeit kamen größere Boote, größere Motoren, für die man einen Führerschein braucht. Inzwischen betreibt Maibuhr nebenberuflich eine Werft an der Elbe, um alte Holzboote zu restaurieren.
„Wir sind ausgelastet.“ Offenbar ist die Begeisterung für edle Hölzer auf dem Wasser im Trend. Und sie ist auch bezahlbar: Bereits ab tausend Euro gibt es gebrauchte Oldieboote in erhaltbarem Zustand. Kontakt zu Gleichgesinnten, zu Fachkompetenz und Ersatzteilen vermittelt die Plattform.
Jährliche Oldieboote-Treffen am Teupitzsee
Über Jahre lag der Schwerpunkt der Aktivitäten in Berlin, weil die Mitglieder das so wollten. Der neue Vorstand hat andere Pläne: „Wir wollen Deutschland erobern“, sagt Maibuhr mit einem Augenzwinkern. Gemeint ist: Nicht mehr Teupitz bei Berlin ist das Zentrum, um das sich alles drehen wird. Der Verein will jedes Jahr einen anderen Treffpunkt organisieren. Und damit auch Freunde schwimmender Oldtimer aus anderen Ecken Deutschlands – und womöglich sogar aus dem Ausland – ansprechen.