Anastasyia Winkel bereitet sich auf Mallorca gerade auf den Princesa Sofia Cup im April vor. Letzten Sommer hatte sie mit Luise Wanser im 470er bei den Olympischen Spielen in Tokio den sechsten Platz erstritten.
Seit sechs Jahren lebt die 28-jährige Ukrainerin in Kiel, seit vier Jahren ist sie mit Malte Winkel verheiratet, mit dem sie bei den Olympischen Spielen 2024 in der neuen Disziplin 470er Mixed antreten will. Aber im Moment ist das Segeln für sie zweitrangig.
Sie ist zur Fluchthelferin für ihre Freunde und Kollegen geworden und verbringt jede freie Minute damit, Menschen in Sicherheit zu bringen. Wir haben gestern Abend mit ihr darüber gesprochen.
float: Anastasiya, kannst Du in dieser Sitution überhaupt trainieren?
Anastasiya Winkel: Es ist nicht einfach, aber ich habe nicht die Wahl. Das Segeln ist meine Arbeit. Ich bin bei der Bundeswehr, damit verdiene ich mein Geld.

Wie verbringst Du im Moment Deine freie Zeit, wenn Du nicht auf dem Wasser bist?
Ich kümmere mich um viele Freunde, Bekannte und deren Freunde und helfe ihnen bei der Flucht aus der Ukraine. Viele von ihnen kenne ich vom Segeln.
Du bist jetzt mehr Fluchthelferin als Seglerin?
Ja, ich sehe das gerade als Priorität. Ich weiß, wie wichtig es jetzt ist, Menschen zu helfen. Und wenn es von mir abhängt, wie das Leben von Freunden und Bekannten weitergeht, dann fühle ich mich für sie verantwortlich. Das Segeln ist deshalb gerade nicht ganz so wichtig.
Wie unterstützt Du Deine Leute?
Freunde und Familien aus meiner Zeit in der Ukraine haben mich über Messengerdienste kontaktiert und mich gefragt, ob ich ihnen helfen kann. Ich habe schon acht Familien in Kiel und Umgebung untergebracht. Gleichzeitig haben mich Freunde vom Segeln angesprochen und gefragt, wie sie helfen können. So konnte ich Menschen vermitteln und zusammenbringen.
Wie genau machst Du das?
Ich habe die Fluchtwege organisiert, Flüge gebucht, ihnen erklärt, wie und wo sie über die Grenze kommen. Einige sind mit dem Auto gefahren und ich habe ihnen die richtigen Strecken genannt. Manche von ihnen sind noch nicht so oft im Ausland gewesen und kannten sich mit den Zugverbindungen nicht aus. Auch da habe ich unterstützt.
Die meisten konnte sie in Kiel unterbringen
Die meisten konnte ich bis jetzt in Kiel unterbringen. Hier kenne ich mich ein bisschen aus bei den Hilfsangeboten. Jetzt sind die Familien in Deutschland in Sicherheit, und ich helfe ihnen, sich anzumelden, finanzielle Hilfe zu beantragen. Heute habe ich neue Anfragen von weiteren sechs Familien bekommen und suche für sie Unterkünfte.
Von wem genau bekommst Du Unterstützung?

Ein Mitarbeiter meines Vereins NRV hat mich kontaktiert und gesagt, dass er ein Haus habe, wo Geflüchtete unterkommen können. Meine Ex-Steuerfrau ist mit ihrer Tochter und deren Mutter dort eingezogen. Erik Heil hat seine Ferienwohnung angeboten.
Hast Du Unterstützung bei der Koordination, oder machst Du das alles alleine?
In Strande sind sehr viele Leute organisiert, es gibt eine WhatsApp-Gruppe „Wir helfen gemeinsam“ mit knapp 100 Leuten, die koordinieren, wer was braucht: Versorgung, medizinische Unterstützung, Behördengänge. Da bin ich beruhigt, dass die Leute, die ich unterbringen konnte, gut versorgt sind. Die Kinder sind heute schon zur Schule gegangen.
Die Koordination mit den Freunden und Bekannten mache ich zur Zeit noch alleine. Heute haben wir frei vom Segeln und ich habe den ganzen Tag organisiert.
Wenn Dich Menschen unterstützen wollen, was können sie tun?
In erster Linie fehlen mir Unterkünfte, wo Leute erst mal unterschlüpfen können. Wohngeld können sie erst beantragen, wenn sie eine Wohnung gefunden haben, und das geht ja nicht von heute auf morgen.
Alle, die ich kenne, möchten gerne in der Stadt wohnen, wo sie arbeiten können. Niemand möchte einfach zu Hause sitzen und Geld bekommen, sie wollen alle etwas tun.