Deine Familie befindet sich in der Ukraine, in der Provinz Luhansk. Wer ist dort und wie geht es ihnen?
Meine Mutter und meine Oma sind dort und es geht ihnen soweit gut. Das Leben ist nicht einfach. Es gibt nicht jeden Tag Strom und nur jeden zweiten Tag Wasser. Die Preise sind sehr gestiegen und die Rente reicht nicht mehr aus. Ich kann meine Mutter nicht nach Deutschland holen, weil meine Oma schon sehr alt ist.
Die Oma will nirgendwo anders hingehen
Sie wird dieses Jahr 90 und sie möchte nicht mehr woanders hingehen. Deshalb bleibt meine Mutter bei ihr. Sie ist eine sehr qualifizierte Osteopathin und könnte sicher hier in Deutschland gut arbeiten. In der Ukraine verdient sie im Moment nichts.
Du hast auch einen 26-jährigen Bruder, der in Kiev lebt. Weißt Du, ob er dort kämpft?
Nicht wirklich. Er hat mir gesagt, dass er es nicht tut. Doch er meldet sich nicht so oft. Er sagt, dass die Supermärkte leer sind. Er steht früh auf, um Schlange zu stehen für etwas zu essen. Er ist dort ziemlich auf sich gestellt und lebt alleine.

Du bist ja lange in der Ukraine gesegelt. Hast Du zu deinen Kaderfreunden noch Kontakt?
Ja, ich bin mit ein paar Leuten in Kontakt. Ein Seglerfreund hat mich gebeten, seine schwangere Frau mit ihrer Mutter in Sicherheit zu bringen. Sie sind bereits in Kiel, wir haben für sie einen Platz gefunden. Ich habe auch mit einer Freundin gesprochen, die als Vorschoterin 470er Mixed segelt. Sie hat mich gefragt, ob ich ihren minderjährigen Bruder und seinen Freund vermitteln kann, die beide irgendwo in Deutschland unterwegs sind.
Kontakt zu ukrainischen Seglerfreunden
Ich habe Platz in einer WG für sie gefunden. Sie selber ist in der Westukraine bei Freunden untergekommen und sagte, dass sie im Moment noch Unterstützung vom Verband bekommt. Wie es weitergeht, weiß sie auch nicht.
Du bist Mitglied im NRV. Wie unterstützt Dich Dein Verein?
Der NRV hat sich bei mir gemeldet und angeboten, beim Helga-Cup eine Aktion für die Geflüchteten zu machen. Am 9. Juni ist eine Charity-Aktion geplant. Sie werden wahrscheinlich auch Spenden sammeln und wollen ukrainischen Familien einen schönen Tag auf dem Wasser ermöglichen.
Was brauchst Du im Moment konkret? Brauchst Du Unterstützung bei der Koordination?
Es wäre schon sehr schön, wenn es Personen gäbe, die mir bei der Koordination helfen könnten, aber sie müssen Ukrainisch oder Russisch sprechen. Dafür muss man den ganzen Tag erreichbar sein und das auch länger machen wollen.

Du bist mit deinem Mann Malte Winkel auch ein Team im Boot. Wie kann er Dich gerade unterstützten?
Er hilft mir, indem er Aufgaben beim Segeln übernimmt. Er macht Sponsorentermine, kümmert sich ums Management und um das Material, so dass ich mehr Zeit habe, meinen Leuten zu helfen. Auch meine Schwiegereltern unterstützen mich. Eine Frau konnte bereits bei der Oma unterkommen. Wir arbeiten gut zusammen.
Und dann schreibst Du ja auch noch Deine Masterarbeit. Wie schaffst Du das alles?
Ich habe gerade einen Antrag auf Verlängerung gestellt, damit ich mehr Zeit habe.
Das Thema Deiner Masterarbeit ist Corona, was ja noch ein wichtiges Thema ist, wenn man auf die aktuellen Zahlen schaut. Doch vor dem Hintergrund des Krieges in Deinem Land rückt es sicher in den Hintergrund. Worum geht es genau in Deiner Arbeit?
Ich schreibe über Corona bei den Olympischen Spielen in Tokio aus der Perspektive der Athleten. Ich habe über 90 Athleten befragt, wie sie mit den Restriktionen zurecht kamen, wie es ohne Zuschauer war, ob sie denken, dass es ihr Ergebnis beeinflusst hat, ob sie genug psychologische Unterstützung hatten.
Liebe Anastasiya, herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Dir und Deiner Familie Sicherheit und Frieden und Dir viel Kraft für dein Engagement.
float unterstützt Anastasiya bei ihrer Hilfsaktion. Wer ein Bett, ein Zimmer oder eine Wohnung frei hat, kann sich in der float-Redaktion melden. Wir koordinieren uns mit Anastasiya. Wer sie direkt unterstützen möchte, erreicht sie über facebook oder über uns.