In Zeiten, in denen Mittzwanziger wie der Rekordsprinter Usain Bolt ihr baldiges Karriereende bekannt geben, avisierte sie mit 50 Jahren nochmal ein Olympia-Comeback. Wer auf Birgit Fischer trifft, begegnet einer taffen, energiegeladenen Person, der man so etwas durchaus zutraut. Wie ein Leitfaden zieht sich der Kanusport durch ihr Leben – ob als achtfache Olympiasiegerin, Diplomsportlehrerin, Nachwuchs-Bundestrainerin oder heute als Inhaberin ihrer eigenen Kanuschule.
Fast verfehlt man den Abzweig. Weder Wegweiser noch Straßen- oder Werbeschild zeigen die Richtung. Auch Google Maps ist hier, im ländlichen Brandenburg, irgendwie überfordert. Mehr auf gut Glück biegen wir also in den Feldweg ein, der holprig zu einem einsam stehenden Haus führt. Manchmal ist Intuition besser als jeder digitale Routenplaner, denn mit einer Tasse Kaffee in der Hand lugt Birgit Fischer über den Sichtschutz ihrer Veranda.
„Kommt rauf! Wollt ihr auch einen?“, ruft sie uns zu, verschwindet in der Küche und drückt uns wenig später zwei dampfende Pötte in die Hand. Das erste, was wir an diesem Tag lernen: Das „Sie“ ist in der Paddelszene offenbar tabu. Schon ein bisschen komisch, schlicht „Birgit“ zu sagen, denn ihre sportlichen Erfolge flößen Respekt ein: Zweimal wurde sie Europameisterin, 27-mal Weltmeisterin und achtmal gewann sie olympisches Gold. Damit ist Birgit Fischer die erfolgreichste deutsche Olympionikin der Sportgeschichte.

Familiensache
Trotz internationaler Erfolge und Freunden weltweit: Brandenburg ist bis heute ihr Lebensmittelpunkt geblieben. Seit 2001 wohnt Fischer hier in Bollmannsruh, einem abgelegenen Ortsteil des Dörfchens Päwesin am nördlichsten Zipfel des Beetzsees. Rund 20 Kilometer südlich, auf der Regattastrecke in Brandenburg an der Havel, begann vor über 40 Jahren ihre Karriere. Dass sie zum Paddeln kam, war quasi Familiensache. Schon die Großeltern taten das, genauso wie die Eltern und die drei Geschwister. „Mit vier Jahren habe ich im Faltboot meiner Eltern gesessen. Mit sechs Jahren dann zum ersten Mal allein im Kajak“, erzählt sie. Der Vater war ihr erster Trainer.
Auch an diesem Samstagmorgen dreht sich alles um den Kanusport. Sechs Paddelinteressierte sind aus nah und fern angereist, um in einem dreistündigen Kurs die richtige Technik zu erlernen.