Armkraft ist nicht alles
Und daran geht es nach dem letzten Schluck Kaffee. Zunächst in Trockenübungen auf dem Paddelergometer, einem streckbankartigen Gerät mit zwei an einer Stange befestigten Seilen, die das Paddel imitieren. Reihum wird aufgesessen und losgelegt. Irgendwie kommt man ja immer vorwärts, mag man denken, doch unter Birgit Fischers geschultem Auge offenbart sich so mancher Fehler.
Mal taucht das Paddel nicht weit genug vorne ein, mal ist der Oberkörper zu steif, mal fehlt die Beinarbeit. Wie es richtig geht, wie man verschenkte Kraft, spritzendes Wasser und eine schlingernde Fahrweise vermeidet, macht sie präzise und pfeilschnell vor: das Paddel circa im 45 Grad-Winkel dicht am Boot mit ganz gestrecktem Arm eintauchen, dabei den Oberkörper stets parallel zum Paddelschaft drehen, das Bein auf der Zugseite gegen das Stemmbrett drücken, jenes auf der Druckseite geht in eine Zugbewegung, auf Hüfthöhe das Paddel aus dem Wasser heben. „Paddeln ist Sport für den gesamten Körper“, erklärt sie. Mehr als die Hälfte der Kraft kommt aus dem Rumpf, der Rest aus Armen und Beinen.

Olympia-Absage 2012: „Das war der Horror“, so Birgit Fischer
Nach der Theorie kommt die Praxis. Durch einen langgezogenen Garten geht es hinunter zum dicht mit Schilf bewachsenen Ufer des Beetzsees. Unzählige Trainingskilometer hat Birgit Fischer hier absolviert.
Auf dem See wird dann deutlich, warum sie 2012 nochmal Anlauf auf Olympia genommen hat. Flink und mit bis zu 120 Schlägen pro Minute saust sie übers Wasser, pendelt von Teilnehmer zu Teilnehmer, gibt Tipps und korrigiert. Solange, bis ein Herbststurm die Fahrt beendet. Drinnen, in der Küche, beginnt dann der gemütliche Teil des Kurses: gemeinsam kochen, essen und ein bisschen plaudern. Auch über London und die bittere Diagnose „Herzrhythmusstörungen“, die ihr ein Comeback vermasselte.
„Meine zwei Kinder waren ausgezogen, ich hatte wieder viel Zeit für mich und wollte neue Grenzen finden. Mit dem plötzlichen Aus habe ich nicht gerechnet. Das war Horror.“ Dabei war die Olympia-Absage nicht mal das Schlimmste. Kein Puls über 100 – das hätte auch bedeutet: nie mehr im Garten rumwerkeln, nie mehr paddeln just for fun. Mittlerweile gibt es für all dies jedoch wieder grünes Licht.
