Über die Ziellinie zu kommen, ist bei der Vendée Globe das Entscheidende. Nicht, auf welchem Rang. Für die englische Außenseiterin Pip Hare mit ihrer 21 Jahre alten Imoca-Segelyacht „Medallia“ ohne Foils war einer der ersten Plätze nie eine Option. Aber bei ihrer Zieleinfahrt mitten in der Nacht war sie genauso überwältigt wie der Erstplatzierte Yannick Bestaven – und alle, die ihr die Daumen gedrückt hatten, mit ihr.
Die 47-jährige Profiseglerin stand 2019 das erste Mal am Ruder einer IMOCA. Jetzt beendete sie nach knapp 96 Tagen auf Platz 19 ihre erste Vendée Globe. Ihre rasante Lernkurve will sie auf keinen Fall abbrechen lassen, wie sie im Interview gleich nach ihrer Ankunft in Les Sables d‘Olonne ankündigt.

Willkommen zurück, Pip Hare! Zum Schluss wurde es noch einmal brenzlig?
Die letzten sechs Stunden waren die stressigsten des gesamten Rennens. Ich musste einen Schaden am Kiel beheben. Dazu musste ich unter Deck klettern – während sich das Meer um die Medallia herum voller Fischerboote befand.
Die Medallia und ich, wir sind wirklich glücklich, dass das Rennen hinter uns liegt. Die Medallia hat die Nase voll von mir …
Was bleibt als Gesamteindruck von der Vendée Globe?
Ich bin glücklich, sehr glücklich. Ich hätte gerne eines der Foil-Boote abgehängt. Ich war knapp davor. Aber gut, es hat nicht sollen sein. Ich habe Fehler gemacht und ich weiß, was ich aus ihnen lernen kann. Meine Leistung ist steigerungsfähig. Aber ich hätte im Voraus nie erwartet, so gut abzuschneiden. Ich bin Kopf an Kopf mit Foil-Booten gesegelt. Ein unglaubliches Rennen!

Und die Höhepunkte?
Ich habe das Boot permanent an seine Grenzen getrieben, aber es fühlte sich immer richtig an. Als ich nach meinem ersten 400-Meilen-Tag feststellte, dass ich das schnellste Boot der gesamten Flotte war – das hat mir so einen Schub gegeben! Auf See zu sein, macht mich generell glücklich. Das Meer ist mein Habitat.
Besser geht’s immer
Dein Boot und Du, ihr wart eine Einheit?
Kann man so sagen … Die Medallia ist sehr robust. Sie hat jetzt das fünfte Mal die Erde umrundet. Und ich habe sie nicht geschont. Sie ist ein ziemlich klobiger Trumm, man darf nicht zimperlich sein beim Segeln. Aber sie ist auch einfach zu bedienen und hart im Nehmen.
So konnte ich mich ungestört auf meine Hauptstärke konzentrieren, das Navigieren. Natürlich hätte ich gerne ein Boot, bei dem man nicht viermal zum Mast rennen muss, um zu reffen, ein Boot mit einer Überdachung und einem Knopf, mit dem sich der Kiel einstellen lässt …

Kaum jemand hat es sich nehmen lassen, Dir bei der Einfahrt zu gratulieren. Jean Le Cam kam um 2:30 Uhr nachts zu Dir an Bord. Was für eine Auszeichnung!
Ich fasse es bis jetzt nicht. Es ist das erste Mal, dass ich so starke Beachtung während einer Regatta erfahren habe. Die Leute wussten, dass ich da draußen war und was ich gerade machte. Die Segler auf den vorderen Plätzen kamen zu mir, um mir zu versichern, wie gut ich meine Sache gemacht hätte. Solche Anerkennung hätte ich nie erwartet.
Also wird es nicht bei dieser einen Vendée Globe bleiben?
Auf keinen Fall. 2024, ich komme! Wie sollte ich sonst beweisen, dass ich aus meinen Fehlern gelernt habe? An dieser Regatta kann man nur wachsen.