Insgesamt verzeichneten die Behörden im Jahr 2020 weltweit 195 Piratenüberfälle (162 im Vorjahr). 56 Überfälle auf Yachten haben die Beamten registriert. Bei etwas mehr als der Vorfälle war die Crew an Bord, bei 38 Prozent war das Schiff verlassen. In zehn Prozent der Fälle blieb es bei dem Versuch eines Überfalls. Bei nur zehn Prozent der Angriffe wurden tatsächlich Waffen gegen die Crew eingesetzt.

Von 2014 bis 2020 konnte das PPZ insgesamt 707 Überfälle auf Yachten dokumentieren. Die Dunkelziffer, sagt Flackus, dürfte aber deutlich höher liegen. Er rechnet mit dem Zehnfachen. Das Problem bei der Statistik: Einerseits würden nicht alle Überfälle gemeldet, weil teilweise das Vertrauen in die Behörden vor Ort fehle. Andererseits gebe es keine internationale zentrale Meldestelle.
Die Zahlen zu den weltweiten Überfällen auf Segel- oder Motoryachten, die dem PPZ vorliegen, beruhen auf den Angaben des Forums „Noonsite“, der Internetseite „Caribbean Safety and Security Net“, Berichten von Betroffenen sowie freien Internetrecherchen. Erschwerend käme mittlerweile hinzu, dass Segler sich in verschiedenen sozialen Medien und etlichen Gruppen austauschten und es somit keinen einheitlichen Kanal für den Erfahrungsaustausch mehr gäbe.
Die Täter kommen nachts
Die Vorgehensweise der Täter skizziert ein Muster: Die Tatzeiten sind überwiegend in den Abend- und Nachtstunden. 70 Prozent der Yachten liegen zum Zeitpunkt des Überfalls vor Anker. Die Täter nähern sich mit kleinen Booten oder schwimmend vom Strand. Die Täter nutzen das Momentum.
Bei Überfällen in den Tagesstunden ist davon auszugehen, dass jemand die Yachten im Vorwege ausgespäht hat. Die Vorfälle im Hafen finden in der Regel in unmittelbarer Nähe zum Steg statt. Bei den Übergriffen handelt es sich oftmals um Jugendliche, unter 16 Jahren, mit hohem Gewaltpotenzial.

Auch wenn Überfälle auf Sportboote weltweit vorkommen, haben die Pirateriebekämpfer der Bundespolizei einige Hotspots ausgemacht. Demnach erfolgen die häufigsten Vorfälle vor den ostkaribischen Inseln und den Küsten Mittel- und Südamerikas. Als die gefährlichsten Seegebiete gelten aber nach wie vor die Küsten vor Ostafrika (Somalia, Jemen), Westafrika (Golf von Guinea) und die Küsten vor den Philippinen (Sulusee, Celebsee). Bei letzteren ist die Gefahr von Entführungen am größten. Allein im Zeitraum 2016 bis 2020 wurden südlich der Philippinen 18 Geiselnahmen und elf Versuche bekannt.
Brutal: Mittel- und Südamerika
Bei den meisten Überfällen in Süd- und Mittelamerika handelt es sich, wie in anderen Regionen auch, um Armutskriminalität. Anders als in Asien gehen die Täter allerdings häufiger gewaltsam gegen die Schiffsbesatzungen vor. Nicht aufgrund der Anzahl der Vorfälle, sondern aufgrund der robusten Vorgehensweise der Täter liegen die Länder Brasilien, Venezuela und Kolumbien im besonderen Fokus.
Die Beamten gehen davon aus, dass hier gezielt Yachten überfallen werden und dabei auch das Antreffen der Besatzung in Kauf genommen wird. Durch den Einsatz von Messern und Schusswaffen wurden Verletzte und ein Überfall mit Todesfolge gemeldet. In Mittelamerika gilt ähnliches für Panama und Guatemala.
Ruhe am Horn von Afrika
Zwar gehen die Beamten davon aus, dass die Bedrohung durch Piraterie im stark befahrenen Seegebiet vor Somalia nach wie vor besteht, allerdings ist es in der jüngeren Vergangenheit ruhig um dieses Gebiet geworden – was vielleicht auch an der „Operation Atalanta“ liegt. Die multinationale Mission der Europäischen Union wurde zum Schutz von humanitären Hilfslieferungen nach Somalia, der freien Seefahrt und zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias am Horn von Afrika und im Golf von Aden ins Leben gerufen.

In der definierten „High Risk Area“ haben die Behörden in den beiden vergangenen Jahren jedenfalls keine Überfälle registriert. In 2018 ereignete sich der bislang letzte, offiziell bestätigte Vorfall im Zusammenhang mit somalischen Piraten. Dennoch empfiehlt das „Maritime Security Center Horn of Africa“ nach wie vor, dass „Sportboote eine Passage durch die High Risk Area unbedingt vermeiden sollten, da die Gefahr eines Überfalles mit möglicher Entführung als Geisel sehr hoch ist“.
Lässt sich eine Passage nicht vermeiden, empfiehlt das PPZ, sich zuvor beim Maritime Security Center zu registrieren und beim IMB Piracy Reporting Centre zu informieren. Auch bietet das PPZ an, während der Passage als ständiger Ansprechpartner zu fungieren.
- Im zweiten Teil geht es um Sicherheit an Bord, das richtige Reagieren im Ernstfall, Waffen an Bord und um die Frage: Was ist bei einem Todesfall auf hoher See zu tun?