Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel, das Mittelmeer schimmert in allen Facetten von Blau. Hellgrün ist das frische Gras unter unseren Füßen, Blumen und Sträucher blühen, es duftet nach Frühling. Wir sitzen auf einem Hügel oben auf der unbewohnten Insel Gemiler inmitten verfallener Ruinen.
Auf dem kleinen Eiland soll einer der bekanntesten Heiligen des Christentums seine erste Ruhestätte gefunden haben, bevor er mehrfach umgebettet wurde. Der Schutzpatron der Armen und der Seefahrer: Sankt Nikolaus. Unten dümpelt einsam die „Dilly-Dally“ auf der geschützten Leeseite der Insel vor Anker. Wir sind alleine. Nur zwei Ziegen meckern über unseren Besuch. Es ist Anfang März in der Türkei. Aber es fühlt sich an wie Sommer. Alles richtig gemacht!

Seit eineinhalb Jahren lebe ich auf meiner „Dilly-Dally“, einer über 30 Jahre alten Moody 425. Für viele kam mein Ausstieg überraschend. Selbst für mich. Ich hatte doch alles. Einen Traumjob als Journalist, eine schöne Wohnung, einen Jollenkreuzer auf dem Müggelsee und für den Adrenalin-Kick Strandsegelregatten an den schönsten Stränden Europas.
Erst ein Burnout änderte alles. Ich kündigte den Job, verkaufte die Wohnung, stieg aus. Ab ans Mittelmeer, rauf aufs Boot. Und das mit Mitte 40, also noch weit entfernt von der Rente. Kann das gutgehen? Diese Frage stellte ich mir natürlich auch. Heute kann ich antworten: Oh ja, sehr gut sogar.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, die die Welt nie angeschaut haben.
Den einzigen Plan, den ich hatte, war, keinen Plan zu haben. Trotz aller politischen Widrigkeiten entschloss ich mich, meine Probezeit an Bord in der Türkei zu verbringen. Ausgerechnet in der Türkei? Freunde waren besorgt, die typischen Miesepeter entsetzt. Wie kann man nur? Aber wie sagte Alexander von Humboldt schon: „Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, die die Welt nie angeschaut haben.“

Hinfahren, umschauen und selbst ein Urteil bilden ist in meinen Augen definitiv die bessere Wahl, als Vorurteile zu bedienen. Zumal es „die“ Türkei auch nicht gibt. Die Küste und deren Bewohner ticken vollkommen anders als die Menschen, die die Regierung in Ankara gewählt haben. Ein Blick auf die Ergebnisse der letzten Wahlen würde manche Vorurteile zerstören.
Die Argumentation „Türkei = Erdogan“ greift ein bisschen kurz. Auch nicht jeder US-Amerikaner ist gleich Trump, nicht jeder Deutsche Merkel oder jeder Brite Johnson. Die meisten großen Städte und vor allem die komplette Mittelmeerküste haben die Opposition gewählt. Die meist ärmere Landbevölkerung dagegen die regierende Partei.

Wenn also die Touristen wegbleiben, leiden darunter vor allem die Gegenden, die nicht die Regierung gewählt haben. Man bestraft diejenigen, die im Austausch mit Ausländern stehen, die weltoffen sind. Was wäre die Folge, wenn die Touristen in den Küstenregionen wegblieben? Es ist überall das Gleiche auf der Welt. Menschen, die arm an materiellen Besitz sind, sind leichter empfänglich für populistische Gedanken. Weil ein vermeintlich starker Mann ihnen die Sicherheit gibt, die sie suchen. Oder sie versuchen, das Land zu verlassen, dahin zu gehen, wo es ihnen besser geht.

Ein einzigartiges Segelrevier
Die Türkei ist eines der spannendsten und abwechslungsreichsten Länder, die ich kenne. Vor allem aber hat das Land eine über 8.300 Kilometer lange Küste. Ich bin um die Balearen gesegelt, in Kroatien, in Griechenland, Italien und natürlich auf der Ostsee – aber kein Revier hat mich so fasziniert wie die Türkei. Die Landschaft, die Buchten, die Historie – alles einzigartig.
Aber wie mein südafrikanischer Stegnachbar Mark immer sagt: „Menschen prägen Orte“. Und so ist es auch die Wärme und Hilfsbereitschaft der Türken, die das Revier so reizvoll macht. Allerdings meide ich die klassischen Touristenzentren. Auch das ist wieder eine andere Welt.