
Interview mit Luisa (29), Spanisch- und Geschichtslehrerin der High Seas High School:
float: Herzlich willkommen zurück! Wann geht es wieder auf See?
Luisa (lacht): Erst mal nicht. Das war alles gut, wunderbar sogar, aber für mich once in a lifetime.
Das klingt, als ob es Ihnen doch nicht so gefallen hat…
Doch, aber ich brauche jetzt erst einmal Urlaub. Ich freue mich auf das Land, auf die Berge – Klettern ist mein Hobby – , und auch darauf, als Lehrerin in einem festen Job bald Geld zu verdienen. Wir bekommen hier an Bord eine Aufwandsentschädigung, aber es ist doch eher eine ehrenamtliche Arbeit.
Man muss es also wirklich wollen…
Ja, und das wollte ich auch. Ein befreundeter Lehrer hat die Fahrt vor etwa acht Jahren gemacht, auf einer langen Busreise während einer Klassenfahrt erzählte er mir davon. Da hat es auf Anhieb in mir gearbeitet; mein erster Gedanke war: Das ist ja völlig verrückt. Ich hatte aber sofort unheimlich Lust darauf. Nicht nur auf die Seefahrt, sondern eben auch auf diesen alternativen Blick auf Bildung.
Sind Sie schon mal gesegelt?
Nein, überhaupt nicht. Ich komme aus Hessen, habe in Gießen mein Referendariat als Gymnasiallehrerin verbracht, und mit Wassersport hatte ich noch keinen Berührungspunkt. Ich bin mal Fähre gefahren, das war aber auch alles (lacht). Zum Glück leide ich nicht unter Seekrankheit, so konnte ich unterwegs denen helfen, die heftig darunter litten.
Was warteten denn noch so für Überraschungen an Bord?
Die größte Überraschung war für mich, dass man auf einem Segelschiff gar nicht sooo viel Bewegung hat. Man geht ins Rigg, man zieht an dem einen oder anderen Tampen – aber das war es auch schon. So kam es, dass wir alle, insbesondere die Mädels, ein klein bisschen zugenommen haben… (lacht) Aber das werden wir sicher wieder los. Und ich habe auch nicht mit der Enge gerechnet. Das Schiff ist zwar groß, aber mit 48 Leuten inklusive Crew kann man sich einfach nicht aus dem Weg gehen. Es gibt nahezu keine Privatsphäre, und das ist für alle die größte Herausforderung.
Wo haben Sie geschlafen?
Ich war mit zehn Leuten der Crew im Messe Logis untergebracht, da hat jeder eine Koje – keine Hängematten. Und Du hängst ein Handtuch vor deine Koje, wenn Du deine Ruhe haben willst. Ganz für sich ist man eigentlich nur auf der Toilette und unter der Dusche. Das sind dann die besonderen, persönlichen Momente (lacht).
Gibt es auf dem Schiff sonst keinen Ort, wo Sie mal allein sein konnten?
Doch: Achtern am Heck stehen oder auf die erste Saling im Großmast gehen oder aufs erste Royalsegel. Da oben sind wir auch immer heraufgestiegen, wenn wir mal ein persönliches Gespräch mit einzelnen Schülern führen wollten. Entspannt habe ich mich vor allem spätabends, wenn die meisten schlafen gingen und Ruhe auf dem Schiff einkehrte.
Das Aufentern war für Sie als Kletterin wohl nichts Neues?
Naja, beim Klettern ist man ja permanent gesichert. Beim Aufentern selbst ist man nicht gesichert, sondern erst oben im Mast. Aber mit Schwindel habe ich kein Problem. Es kann da oben bei schlechtem Wetter und rauer See ja ganz schön schaukeln, das ist dann wie eine Achterbahnfahrt. Das Hochklettern hat mich manchmal schon etwas Überwindung gekostet. Runter ging es immer gut.
Was ist auf dem Schulsegler anders als in einer Schule an Land?
Fast alles – über die lange Zeit entwickelt sich ein sehr enges Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Wir sind für die Kinder nicht nur Lehrer, sondern auch Mama, Papa, Schwester… Man kocht zusammen, man putzt Zähne zusammen, da ist wenig Distanz, das muss man als Lehrer natürlich auch mögen und sich für die Jugendlichen wirklich interessieren.
Die ersten sechs Wochen ist nur Segeln auf dem Programm, da lernen wir gemeinsam. Auch wir Lehrer bekommen dann ein blaues Heftchen, in dem wir unsere neuen Kenntnisse dokumentieren und Kreuze sammeln. Dann, hinter Teneriffa, begann der reguläre Unterricht, und es war zu merken, wie schwierig es für die Schüler war, sich umzustellen: Ach ja, die ist ja auch unsere Lehrerin… (lacht)
Müssen die Schüler sehr zum Lernen motiviert werden?
Nein, überhaupt nicht – die sind vor Energie nur so sprühend, bringen viele soziale Kompetenzen mit und wollen unbedingt dabei sein.
Eine kleine Elite also?
Ja und nein. Sie kommen alle aus wohlhabenden Familien, sonst wäre die Mitfahrt ja auch nicht möglich. Aber natürlich haben alle Stärken und Schwächen und das kommt in dieser langen Zeit auch auf den Tisch. Die Gruppe hat sich wirklich hervorragend miteinander arrangiert. Das ist aber auch dem Projekt zu verdanken. Und Streit in der Gruppe wird denen schnell abtrainiert. Die sorgfältige Auswahl der Schüler merkt man, die interessieren sich wirklich für das Projekt. Schon allein die Aussicht, wochenlang auf einem Segelschiff ohne Internet und Handy, das wäre doch nichts für Schnöselkinder…
Und wenn es mal dicke Luft gibt?
Wir führen viele Schlichtungsgespräche, dabei wird eigentlich alles gelöst. Und im Notfall gibt es ja noch den Kapitän, der hat das letzte Wort, wenn Mama nicht mehr weiter weiß (lacht).
Was war für ,Mama‘ die größte Herausforderung?
Die Hinreise begann mit schlechtem Wetter auf Nordsee und in der Biscaya, das war schon eine kleine Feuertaufe. Zu der Schaukelei und der Kälte kam das viele Wachegehen und gleichzeitig alles Neue an Bord: Die vielen Tampen, mit denen ich natürlich noch kaum etwas anfangen konnte.
Jenseits von Stress und Seegang: Was waren die Höhepunkte?
Die Fahrt an sich, der Wind, der einem um die Nase weht und das Meer, das immer um einen herum ist. Und dieser unendliche Sternenhimmel, der jede Nacht auf dem Atlantik über einem hängt, die vielen Sternbilder, die wir kennen gelernt und bestimmt haben. Und es ist ein schönes Gefühl, zu reisen, ohne die Umwelt zu verpesten.
Wann geht es wieder aufs Wasser?
Das weiß ich nicht, aber ich möchte gern auf einem kleineren Boot segeln. Bald hoffentlich! Jetzt hat für mich die Jobsuche Priorität, was wohl wegen Corona aktuell gar nicht so leicht werden wird.
float: Viel Glück bei der Bewerbung!