Nach 17 Jahren als Vorsitzender des Berliner Segler-Verbands (BSV) hat Winfried Wolf beim jüngsten Berliner Seglertag das Ruder weitergereicht. Von den 107 Berliner Vereinen waren 62 stimmberechtigte Vereinsvertreter bei dem Treffen im Segler-Club Gothia an der Scharfen Lanke vor Ort.
Souverän führte Winfried Wolf durch die Versammlung, bis zum Tagesordnungspunkt „Wahl“. Bevor es dann wirklich zur Wahl „einer neuen Vorsitzenden oder eines neuen Vorsitzenden“ kam, hielt die stellvertretende BSV-Vorsitzende Annemieke Bayer-de Smit eine Laudatio auf Winfried Wolf und seine Arbeit für den organisierten Berliner Segler in den letzten zwei Jahrzehnten.
Als neuer Vorsitzender wurde Reiner Quandt, selbst im Vorstand des gastgebenden SC Gothia, einstimmig von den Delegierten gewählt. Der langjährige Jugendleiter und Jugendtrainer des SC Gothia stellte anschließend seine Wunschziele für die kommenden Jahre vor. Der vereinsübergreifende Informationsaustausch, mehr Frauen in Funktionsämtern und die Unterstützung des Jugendbereichs durch Fahrtensegeln stehen künftig als Projekte auf der Agenda des Berliner Segler-Verbands.
„Gute Ideen sollte man einfach teilen.“
float hat Reiner Quandt gefragt, wie für ihn die ersten Tage als neuer Vorsitzender waren und welche Projekte er bereits angeschoben hat.
float: Sie haben nach Ihrer Wahl vor zwei Wochen einige ehrgeizige Ziele formuliert. Hat die Arbeit daran bereits begonnen?
Reiner Quandt: Der Berliner Segler-Verband will das Interesse speziell von Jugendlichen für das Fahrtensegeln steigern. Dabei wollen wir mit der Schiffergilde zusammenarbeiten und deren Kompetenz nutzen. Beispielsweise als Partnerschaft zwischen älter werdenden Skippern, die Jugendliche und Junioren – also Segler von etwa 15 Jahren bis Ende 20 – für eine Woche oder zwei aufs Boot nehmen und so fürs Fahrtensegeln begeistern.
Warum gerade Fahrtensegeln?
Die Fahrtensegler in Berlin brauchen dringend Nachwuchs. Sie sind die mit Abstand größte Gruppe in unseren Vereinen. Wenn uns diese als Mitglieder altersbedingt wegbrechen und die Flotten verschwinden, fehlen auch Einnahmen. Das wäre eine Kettenreaktion.
Fahrtensegeln lässt sich durch günstige Bootspreise jetzt sehr gut beginnen. Es gibt ein großes, ja ein Überangebot an Gebrauchtbooten. Andererseits müssen junge Leute heute sehr mobil sein, was den Broterwerb betrifft. Das macht den Bootserwerb nicht leichter.
Ist Fahrtensegeln für junge Leute nicht eher langweilig?
Wir müssen am Image des Fahrtensegelns arbeiten. Es hat den Ruf des Kaffeesegelns. Doch wer es gemacht hat, etwa nachts einen Hafen in der Ostsee anzusteuern, erlebt Abenteuer pur – und das fast immer auf einem unbekannten Terrain. Das ist durchaus eine sportliche Herausforderung.
Bisher liegt der Blick vor allem auf dem Regattasegeln. Wer am schnellsten ist, ist der Coolste. Hier fehlt Wissen. Die jungen Segler denken gar nicht ans Fahrtensegeln. Oder an Surfen mit seinen vielen Spielarten wie dem Kiten, das in Berlin auf dem Wasser leider verboten ist. Hier müssen wir mit der Politik ins Gespräch kommen, um dafür Flächen zu erschließen.
Wir müssen die Vereine davon überzeugen, miteinander zusammenzuarbeiten.
Und das Thema Frauen?
Langfristig müssen wir daran arbeiten, dass wir mehr Ehrenamtliche haben. Das Potenzial ist da, und es liegt bei den Frauen. Oft ist bei einem Seglerpaar nur der Mann Mitglied im Verein, Auch wenn beide Partner segeln. Das Potenzial, das wir damit verschenken, wird eigentlich dringend benötigt. Der Anteil segelnder Frauen und Männer ist fast gleich. Bei den Jugendlichen sind die Mädchen sogar leicht in der Mehrzahl. Hier könnten Familienmitgliedschaften helfen.
Wie steht es mit dem Verhältnis der Vereine untereinander?
Wir müssen die Vereine davon überzeugen, miteinander zusammenzuarbeiten. Seien es Verträge mit Handwerkern oder wenn man einen besonders guten Getränkelieferanten kennt: Die Vereine müssen davon abgebracht werden, den direkten Nachbarn als Konkurrenten zu betrachten. Und sich als Segelverein eher in Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten sehen.
Bei der Jugendarbeit ist das selbstverständlich, und es würde auch gar nicht anders gehen. In anderen Bereichen gibt es aber noch das alte 1980er-Jahre-Denken, bloß nichts zu verraten. Gute Ideen sollte man einfach teilen.
Berlin ist beim Segeln bekannt für den Leistungssport…
Unser Aushängeschild in Berlin ist als Verband der Leistungssport, der den größten Teil unseres Etats ausmacht. Doch dieses Geld ist letztlich geliehen durch die Sportförderung des Bundes. Wir stehen daher in der Pflicht, im Leistungszentrum am Müggelsee höchste Leistungen zu bringen.
Wie steht es aus Seglersicht aktuell bei den Wasserwegen?
Im Moment ärgern wir uns, dass die Schleuse Plötzensee für zwei Jahre geschlossen ist. Diese Schleuse wird von der Schleuse Charlottenburg aus ferngesteuert, doch haben wir dort nach einer Modernisierung zwei unterschiedliche Bedienpulte, was nicht zulässig ist. So bleibt die Schleuse zu – ein Schildbürgerstreich.
Wer auf dem Wasser das Sagen hat, ist die gewerbliche Schifffahrt mit ihrer Tonnage, und die ist in unserer Region nicht besonders hoch. Unsere Befürchtung ist, dass dieser Wasserweg für immer zubleibt. Der Berliner Segler-Verband sagt: Die Schleuse Plötzensee ist für Wassersportler von Bedeutung. Wehret den Anfängen.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.