Durch den steil ansteigenden Seegrund von dreißig auf ein bis zwei Meter türmt sich bei stürmischem Wind aus West die See gewaltig. Dazu kommt an diesem Abend die Flut herein, der Strom schiebt also zusätzlich zum Sturm. Im Osten lauert das ausgedehnte Sellebrunn-Riff.
Das Licht, das Leuchtturmwärter Krüß gegen 18:45 an diesem Abend wahrnimmt, ist das letzte Lebenszeichen von den Seenotrettern und den Fischern. „Das Schreckliche: Man weiß nicht, was war“, sagt Hinnerk Pick 55 Jahre später. Das Seeamt wagt schließlich die Rekonstruktion des Unfalls: Die Ansteuerungstonne im Nordosten des Fahrwassers ist kurz zuvor vom Sturm abgetrieben worden. Man nimmt an, dass „Adolph Bermpohl“ auf der Suche nach ihr den östlichen Untiefen zu nahe gekommen ist.
Pick: „Dort stehen bei Sturm himmelhohe Seen.“ Der Tiefenmesser des havarierten Kreuzers zeigt zuletzt Wassertiefen von 9,3 Metern an – und Wellenhöhen von zehn Metern. Eine Navigation nach Radar ist bei der Dünung kaum möglich, GPS existiert in den 1960er-Jahren noch nicht einmal als verwegene Idee. Weitere Puzzleteile für die Ermittler: An Bord der „Adolph Bermpohl“ sind Kletternetze nach Steuerbord angebracht. Und auf dem Tochterboot finden sich an Schadstellen Lackspuren von der „Bermpohl“.

„Es sind alles Annahmen“
Ist es möglich, dass Denker kurz vor Helgoland die Holländer doch noch an Bord nehmen wollte? Geriet das Tochterboot durch die Brandung in Seenot? Oder sind sich die beiden Boote kurzzeitig unabsichtlich angenähert? Jedenfalls müssen beide kollidiert sein. Eine Krängung von 90 Grad beim Rettungskreuzer im Moment des Unglücks ist nachweisbar.
Eine besonders riesige Welle – ein berüchtigter Kaventsmann – könnte den Kreuzer erfasst, gekentert und auf das Tochterboot geschleudert haben. Bei diesem Zusammenprall müssen alle über Bord gegangen worden sein. Beide Borduhren, sowohl vom Kreuzer als auch vom Tochterboot, sind zeitgleich um 19 Uhr stehen geblieben.
Warum die Nordeinfahrt?

Was genau passiert ist im nördlichen Fahrwasser vor Helgoland, wird man nie erfahren. Der Orkan ist ebenso wie das Unglück in die Geschichte eingegangen. Er wurde später im deutschsprachigen Raum umbenannt in „Adolph-Bermpohl-Orkan“. Windgeschwindigkeiten dieser Stärke hat man auf der Nordsee bisher nicht wieder gemessen. Kann sich so ein Unglück wiederholen? Moderne Navigationstechnik macht es zumindest erheblich unwahrscheinlicher. Doch ein unglücklicher Zufall, wie er wahrscheinlich zur Kollision geführt hat, kann auch heute und in Zukunft eintreten.