„Los ging es unter typischen Karibikbedingungen“, erinnert sich Sebastian Wache von WetterWelt, den die Crew für das Routing quer über den Atlantik buchte. Er ergänzt: „Das Azorenhoch hatte sich etwas in Richtung Karibik verholt und zum Start stand noch ein recht strammer östlicher Wind an.“ Am 7. Mai lichtete die 50 Fuß lange Contest-Yacht den Anker und ging auf Nordost-Kurs.
Mit jeder Meile, die es näher an das Hoch-Zentrum in Richtung Nordosten heranging, würde nach den Prognosen des segelerfahrenen Meteorologen der Wind mehr und mehr nachlassen, weil auch die Druckgegensätze allmählich nachließen.
Vom Kieler Home Office betreut
Die Lage entwickelte sich anfangs sogar besser als erwartet: „Vor der amerikanischen Küste bildete sich ein kleines Tief, das schnell in die weiter nördlich gelegenen Tiefs eingebunden und verstärkt wurde und das Hoch von seiner Position verdränge“, sagt Wache.
Das Hoch bewegte sich nahezu parallel mit dem Schiff mit, Wind und Welle blieben konstant stark. Kein angenehmer Kurs: Hart am Wind mit 15 Grad Krängung, dazu zwei bis drei Meter Welle. Direkt nach dem Auslaufen mit diesen Bedingungen konfrontiert, war die Besatzung prompt von Seekrankheit geplagt.

Der Wetter-Lotse, der vom Kieler Home Office aus das Schiff betreute, räumt ein: „Ein nördlicherer Kurs und damit ein etwas besserer Winkel zum Wind wäre zum Start sicherlich einfacher gewesen, doch waren die Bedingungen durch das Hoch eben auch gut genug, um Strecke in die richtige Richtung, und zwar zu den Azoren, zu machen.“ Eine Entscheidung am grünen Tisch; die Folgen muss die Crew aushalten. Aber selbstverständlich war das Vorgehen zuvor abgesprochen worden…
Wie Marionetten am Faden
Um den 30. Breitengrad dehnte sich das Hoch dann nach Abzug des Tiefs im Norden aus und die Bedingungen sollten sich deutlich beruhigen. Soweit die Prognosen aus dem meteorologischen Labor, die per täglichem Mail-Briefing an die Yacht weitergegeben wurden.

Ganz anders fühlt sich das Routing für eine Yachtbesatzung an, die wie Marionetten am Faden des fernen Puppenspielers hängt und seinen Prognosen glauben muss.
Die zweite Etappe sollte die „Ithaka“ nämlich nicht segeln, sondern durch die Hochs direkt vor die Frontensysteme unter Motor fahren. Warum nicht dem Wind folgen? Wo der gesunde (aber schlecht informierte) Menschenverstand „einfach geradeaus zum Ziel“ sagen würde, hieß die Ansage also: im Zickzack-Kurs entlang der Bewegungen der Luftmassen gehen.
„Ithaka“ rollte vor dem Wind
Auch dieser Kurs war nicht ideal: „Platt vor dem Wind ist nicht gut“, resümiert der Skipper der „Ithaka“. Das schwere Schiff sei dann langsam. Außerdem rollte die Yacht in der Welle, die Segel schlugen zeitweise mächtig. Nachmittags dann blieb der Wind stets aus und sogar das Groß begann zu schlagen.
Die Nerven sind zum Zerreißen angespannt.
Absolut nervtötend für alle an Bord: Flüche und Verwünschungen von Wind, Ozean, des Himmels und der Hölle wurden laut aus dem ganzen Schiff. Fehlte nicht fiel, und man hätte den fernen Wetterfrosch gleich mit verflucht. Skipper Christoph: „Die Nerven sind zum Zerreißen angespannt, aber die Crew schlägt sich tapfer.“ Mehrere Abende wiederholte sich das Schauspiel: Der Wind flaute völlig ab, die Welle blieb unangenehm mit zwei Meter von hinten.

Die geheiligten gemeinsamen Abendessen wurden regelmäßig unterbrochen. Schon wieder motoren? Bis zu den Azoren würde der Dieselvorrat nicht reichen. Noch verfügte die „Ithaka“ zwar über ausreichend Diesel. Aber hat Sebastian wirklich Recht mit seiner Wind- und Wettervorhersage? Die Crew begann zu zweifeln. Die Nerven lagen zeitweise blank.
Doch am Ende siegte das Vertrauen, sie fuhren den empfohlenen Kurs unter Motor. „Wir mussten die zeitlich gesetzten Wegepunkte erreichen, so entschieden wir“, sagt Skipper Christoph. Also keine Schleichfahrt, sondern normale Marschfahrt – auch wenn es Sprit kostete. Der Wind würde schon irgendwann kommen.
Schließlich kam Wind auf
Und er kam: Schließlich drehte es mehr auf Süd, nachdem das Hoch absolviert war. Welche Erleichterung, als der Gennaker gesetzt werden konnte und das Schiff schnell und sanft über die Wellen dahin glitt. Die Nacht war wieder kein Wind und wieder mussten sie motoren. Ab Mitternacht kam dann wieder Wind, also Segel setzen. Dann aber kräftige Böen mit bis zu 25 Knoten.

Aktives Segeln mit vielen Manövern und Kurswechseln war jetzt angesagt. Kaum dass die Crew mal zwölf Stunden Ruhe hatte. Andere Segelyachten, mit denen sie sich auf dem Weg per Funk austauschten, wollten diesem Kurs nicht folgen und zogen direkt nach Nordost hinein in und durch die Tiefdruckgebiete. „Das muss für sie knallhart gewesen sein“, resümiert Skipper Christoph.
Wetter wie im Lehrbuch
Und das Wetter lief tatsächlich ab wie im Lehrbuch. Zunehmender Wind, Winddrehungen, Regen, Gewitter, Sturmwalze, Windsprung, böiger Wind, usw. Nach Durchzug einer Front musste die Besatzung die folgenden Hochdruckgebiete unter Motor durchqueren. Zeit zum Entspannen und zur Durchführung von Reparaturen.
Die Frontensysteme erlebte die Crew als beeindruckend, weil sie immer und wirklich immer bei fallendem Tageslicht auf das Schiff zukamen. „Deswegen haben wir auch keine Fotos davon“, bedauert der Skipper, „es war einfach zu dunkel.“ Im Resttageslicht nahm die Besatzung beängstigende Sturmwalzen wahr. Sie refften auf Minimum und warten, was passierte. Das Abendessen entfiel natürlich. Alle an Deck.
Dann Sturmböen, Windsprung, veränderliche Winde. Stunden vergingen, bis die Böen in einen einigermaßen gleichmäßigen Wind übergingen und alle bis auf die Wache in die Koje konnten. Die Nacht war dann für alle beim Teufel. Das passiert insgesamt dreimal. Es strapazierte zusätzlich die Nerven, denn die Segelmanöver fanden in völliger Dunkelheit statt.

Störung bei den Bahamas
Auch für die „Ithaka“ wurde es hart. Sebastian Wache: „In dieser Zeit tat sich bei den Bahamas eine Störung auf, die vom National Hurricane Center in den USA als potentiell erster Hurrikan der Saison mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% eingestuft wurde.“
Dieser Störung galt nun seine volle Aufmerksamkeit, da lange nicht klar war, wohin der Sturm, evtl. sogar Hurrikan ziehen sollte. Die Modelle haben sich lange Zeit in der Zugbahn und Entwicklung stark unterschieden“, erklärt der Meteorologe.
Zumindest das Schlimmste bliebt der Yacht erspart: Aus der Störung wurde kein Hurrikan, sondern „nur“ der Tropensturm Arthur. Wache: „Er zog entlang der US-Küste mit dem Golfstrom, um dann bei den Bermudas hängen zu bleiben und sich abzuschwächen.“ Er sollte die Crew direkt also nicht treffen, aber indirekt.