Kurswechsel am 30. Breitengrad
Um den 20. Mai schloss der Tropensturm sich den Tiefs auf dem Nordatlantik an. Präzise gesagt: Er heftete sich an eine sogenannte Luftmassengrenze an. Dort treffen kalte Luftmassen aus dem Norden auf warme aus dem Süden.
Sebastian Wache: „Diese Luftmassengrenzen sind oft die Geburtsorte für neue Tiefs.“ Diese allerdings sollte stationär liegen bleiben. Bei nahezu exakt 33° Nord trafen dann kalte und stürmische Nordostwinde auf warme etwas gemäßigtere Südwestwinde.
„Es galt daher diese zu vermeiden und – wenn möglich – im entspannteren südlichen Bereich zu bleiben“, sagt der Meteorologe, und ergänzt: „Somit schickte ich die Crew sicherheitshalber bis auf etwa 32 Grad Nord, um nicht zu weit nach Süden gehen zu müssen, aber ausreichend Abstand zu der Zone zu haben.“
Es erinnert an ein Schachspiel: Der Akteur muss die Züge des Gegners vorausberechnen und seine Figur entsprechend klug setzen. Im Sturm wird man schnell matt… An dem Punkt, wo die Luftmassen zusammentrafen, kam es dann wie berechnet zu einer starken Wolken- wie auch Schwerwetterzone.
An der Kante des Tiefs
Der Skipper erinnert sich: „Sebastian funkte per Email, dass es entscheidend ist, genau auf dem 32. Breitengrad zu bleiben, und haarscharf an der Kante eines weitreichenden Tiefdrucksystem entlang zu segeln.“ Das war die dritte und letzte Etappe: Entlang der Fronten mit hoher Geschwindigkeit quasi ablaufen bis zum Ziel.
Südlich von einem ausgedehnten Tiefdrucksystem sollte die „Ithaka“ nach Osten segeln und erst im allerletzten Moment mit einsetzendem Südwest-Wind die Azoren von Süden anlaufen. Gewagt, befand der Skipper, und erneut erforderte es viel Mut, sich von einem Wettermann wie Sebastian Wache „fernsteuern“ zu lassen.
Zumal das Wetter in dieser Übergangszone unbeständig blieb: Tagsüber wenig Wind von Westen, so dass die „Ithaka“ in der See rollte und die Segel killten, abends und gern nachts auffrischend mit unerwarteten Böen. So etwas liebt keine Crew.
Drohende schwarze Wand
Der Skipper: „Wir mussten ihm vertrauen.“ Auch auf dieser Etappe kreuzten andere Segelschiffe aus Norwegen, Deutschland und England den Weg der „Ithaka“ und gingen direkt nach Nordost. Die Besatzungen sprachen über Funk und der Skipper unterrichtete sie über seine detaillierten Wetterinformationen und das drohende Tiefdruckgebiet im Norden.
Christoph: „Aber sie wollten den kürzesten Weg unter anderem wegen ihres knappen Dieselvorrats gehen.“ Der Weg am Rand des Tiefs, als es dann langsam heranzog, sei beeindruckend gewesen: „An Backbord eine drohende schwarze Wand, rechts blauer Himmel.“
Sebastian Wache: „Auf Windmessungen und Fotos aus dem All ist diese scharf abgegrenzte Linie sehr spektakulär zu sehen.“ Es habe einem kleinen Ritt auf der Rasierklinge geglichen. Denn nur eine leichte Südverschiebung dieser Linie oder eine falsche Prognose hätte die Wind- und Wetterbedingungen rapide verschlechtern können. Hier zahlen sich Erfahrung und auch gute Wetterdaten aus, resümiert der Wetterexperte.
Wie der Wettermann sagte
Ab dem 22. Mai war es soweit: „Das Azorenhoch konnte wieder die Oberhand gewinnen und drückte diese Linie nach Westen zurück“, so Sebastian Wache. Zu diesem Zeitpunkt bestimmte das Hoch mit seinem südlichen Wind das großräumige Windfeld immer mehr und der Wind schob die „Ithaka“ auf direktem Wege in Richtung der Azoren.
Beim Zielanlauf auf Horta die letzten drei Tage drehte der Wind endgültig von Süd auf Südost und schließlich sogar Ost bis Nordost. Wie es der Wettermann gesagt hatte! Die Crew holte die Segel zunehmend dicht. Die „Ithaka“ nahm gewaltig an Fahrt auf und holte die Rückstände der letzten Tage auf.
Die Tagesetmale lagen nach frustrierenden 129 Seemeilen wieder bei über 160 Seemeilen in 24 Stunden. Die Stimmung an Bord hob sich. Irgendwann kam Horta in Sicht. Und der Willkommensschluck schmeckte besonders gut.
Das Fazit von Skipper Christoph Baldus:„Nach dem, was uns andere erzählten, war unser Ritt ein Walk in the Park“. Dank der Zickzack-Kurslegung des Wetter-Routings.