„Guten Morgen, hier ist das Isla Mujeres Cruisers Net. Es ist unser Ziel, Informationen auszutauschen und das Seglernetzwerk zu fördern. Wir möchten jeden dazu ermutigen mitzumachen“, grüßt um genau acht Uhr morgens die bekannte Stimme alle Segler, die gegenwärtig in Isla Mujeres liegen.
Lisa moderiert © Ken FlannaganEs ist Lisas Stimme. Sie ist heute unser Net-Controller. Die Kanadierin lebt mit ihrem Mann Ken auf dem Katamaran Minaki. Ihre Stimme hat etwas Beruhigendes. Formal, aber freundlich, klar und empathisch. Genau die Art von Stimme, die man im Funk hören will, wenn man auf See ein Problem hat.
Zum Glück hat niemand eines, sodass die erste Frage, ob jemand einen medizinischen oder sicherheitsrelevanten Notfall melden will, mit „Nothing Heard“ abgehakt werden kann. Es ist eine der wenigen Situationen, in denen dieser Funkspruch eine positive Bedeutung hat. Und so können wir entspannt zu den weiteren Punkten der Konferenz auf UKW-Kanal 13 übergehen.
Nach Informationen zum aktuellen Wetter und den Gezeiten folgen historische Belanglosigkeiten über diesen Tag in der Weltgeschichte. Zu Anfang dachte ich, dass die historischen Fakten genau das sind, nämlich belanglos in einer Funkrunde für Segler. Später habe ich verstanden, dass sie tatsächlich einen Beitrag leisten, gegenseitiges Verständnis in der internationalen Segler-Gemeinschaft zu stärken.
Wir lernen quasi nebenbei, was in den Heimatländern unserer Segelfreunde als wichtig empfunden wird. Heute, am 24. Februar, ist hier in Mexiko Tag der Flagge, an dem sich alles um mexikanische Symbolik dreht: Grün für Hoffnung, Weiß für Einigkeit und Rot für Revolution.

Rastplatz auf der Seglerautobahn
Bunter noch als die mexikanische Flagge ist der Haufen aus der ganzen Welt, der hier gemeinsam vor Anker liegt. Wie bunt, wird offensichtlich, als wir alle einchecken: „Good morning – Cookie Monster“, „Bonjour – Penelope“, „Buon giorno – Shaula“, „Guten Morgen – Seefalke“, „God morgon – Chibidarra“, „Buenas dias – Donna Dee“.
Die verschiedenen Akzente lassen erahnen, aus welchen Ländern die Boote ihren Weg hierher gefunden haben. Trotz der frühen Stunde machen heute 42 Boote mit. 42 Crews aus der ganzen Welt fühlen sich im Moment zu Hause in Isla Mujeres. Das Cruisers Net hat daran einen Anteil.
Während Lisa in der Konferenz die Neuankömmlinge bittet, sich vorzustellen, die heute mit „Off The Grid“ aus dem Rio Dulce in Guatemela und mit „Fernweh“ aus Key West in Florida kommen, wird es mir wieder bewusst, dass Isla Mujeres ein beliebter Stopp auf der Nord-Süd-Achse der Westkaribik ist.

Während sich im Frühjahr viele in hurrikansichere Gefilde nach Guatemala, Panama oder Kolumbien verkriechen, geht es im Herbst auf dem umgekehrten Weg nach Florida, Texas, nach Kuba oder in die Bahamas. Isla Mujeres liegt genau auf dem Weg. Mit günstigen Preisen, meist gutem Wetter und traumhaften Stränden empfiehlt es sich als idyllischer Rastplatz auf der Seglerautobahn.
Das Hurricane Hole wird zum COVID Hole
Mittlerweile ist Isla Mujeres jedoch mehr als nur ein Autobahnrastplatz. Mexiko ist (neben Afghanistan) das einzige Land der Welt, dass es (nach einem anfänglichen scharfen Lockdown) zum Prinzip gemacht hat, keinerlei COVID-Einreisebeschränkungen zu verhängen: keine Test- oder Impfpflicht, keine Quarantäne, keine sich täglich ändernden Regelungen. Damit hat Mexiko und insbesondere Isla Mujeres mit seinem als Hurricane Hole anerkannten Schutzhafen ein echtes Alleinstellungsmerkmal und ist als Anlaufpunkt seither noch beliebter geworden, ein sicherer Hafen in der stürmischen COVID-See.
Während des strikten Lockdowns im Frühjahr 2020 hatte das Cruisers Net von Isla Mujeres nicht nur unterhaltenden und informativen Charakter, sondern entwickelte sich zeitweise zum einzig organisierten Kommunikationskanal zwischen Seglern und Behörden. Zu Beginn des Lockdowns waren die verhängten Maßnahmen wenig durchdacht, grundlegende Bedürfnisse der gestrandeten Langfahrtsegler wurden nicht berücksichtigt.
Ohne das Cruisers Net, in dem sich erfolgreich für Müllabholung, Wasserlieferungen und andere scheinbare Selbstverständlichkeiten eingesetzt wurde, wäre der Lockdown schnell zum Martyrium geworden.
So war es auch wieder das Isla Mujeres Cruisers Net, in dem die dringend notwendige Lebensmittelversorgung von Neuankömmlingen organisiert wurde. Denn die befanden sich in ihrer damals vorgeschriebenen Quarantäne und durften sich selbst nich versorgen. Mittlerweile ist die Situation zwar weit weniger kritisch, das Cruisers Net als Brücke zwischen Seglern und Hafenkapitän jedoch weiterhin aktiv.

Problem? Go!
Nachdem sich Shaula verabschiedet hat und ihr alle Mast- und Schotbruch für ihre 5.000-Meilen-Nonstop-Passage direkt nach Italien gewünscht haben, werden lokale Neuigkeiten ausgetauscht. Die Corona-Ampel ist von Rot auf Orange umgesprungen, das heißt die Strände und Restaurants dürfen wieder öffnen. Definitiv der Höhepunkt dieser Konferenz, bevor es zum Tagesordnungspunkt „Technische Probleme“ geht.