– „Penelope“, kommt es mit starkem französischen Akzent.
– „Penelope, go!“, gibt Lisa die Übertragung frei.
– „Hier ist Penelope. Wir sind aus Frankreich und müssen unsere europäischen Propangasflaschen befüllen. Hat jemand einen passenden Adapter?“ Hier in Mexiko gelten bei Propangas amerikanische Standards.
– „Acapulco“, meldet sich sofort mein Freund Günther.
– „Acapulco, go!“
– „Hier ist Acapulco, wir haben einen Adapter von Amerika auf Europa. Du kannst mich nach der Funkrunde auf Kanal 13 rufen.“
Die Hilfsbereitschaft ist riesig. Ich bin nun schon eine Weile als Solosegler unterwegs, aber wirklich alleine habe ich mich seither selten gefühlt. Diese Gemeinschaft, in der nicht nach Herkunft, Geldbeutel oder Religion gefragt wird und (fast) jeder mit seinem Knall akzeptiert wird, hat beinahe schon Modellcharakter; und eine Lösung zu fast jedem Problem sowieso. Und auch eine ohne Problem.

Grillen bildet
Am zweiten oder dritten Tag nach meiner Ankunft warf ich kurz nach Sonnenuntergang meinen Holzkohlengrill an Deck an. (Ja, ein Stahlschiff hat so seine Vorteile.) Ich wusste noch nichts über das Isla Mujeres Cruisers Net. Aus der Perspektive von meinen Ankerplatznachbarn muss mein Grillfeuer so ausgesehen haben, als wäre Seefalke gerade inmitten der friedlichen Ankerlieger von einem Torpedo getroffen worden.
Bei dem amerikanischen Pärchen wurden wohl Erinnerungen an Pearl Harbor wach. Sie rasten mit Affenzahn und mit Feuerlöschern bewaffnet auf mich zu, um die lodernde Feuersbrunst im Keim zu ersticken. Nachdem ich glaubhaft versichern konnte, dass keine feindlichen U-Boote in der Bucht lauern und ich das Feuer im Grill erstens höchstselbst gelegt und zweitens unter Kontrolle habe, wagten sich die beiden Männer schließlich an Bord.
Und sie halfen mir bei der vom Veterinäramt angeordneten vorschriftsmäßigen, sicheren und vollständigen Vernichtung der illegal eingeführten kubanischen Hühnchenschenkel. So lernte ich das Cruisers Net kennen, das ich heute regelmäßig selbst moderiere.
In der Zwischenzeit ist die Konferenz bei den „Schätzen der Bilge“ angekommen. Der 5-PS-Außenbordmotor findet sofort einen neuen Besitzer, Zweitaktmotoren sind nach wie vor ungemein beliebt, während das Kurzwellen-Funkgerät schon zum dritten Mal angeboten wird: wie der Zweitakter ein Relikt aus alter Zeit.

Da geht noch mehr
Trotzdem hat auch Alan auf der „Wind Magic“ seine regelmäßigen Zuhörer. Er ist Mitglied der Seven Seas Cruising Association, kurz SSCA, die mit dem Rufzeichen KPK eine Kurzwellen-Küstenfunkstelle betreibt, welche die gesamte Karibik abdeckt. Jeden Morgen um 12:15 UTC (oder 07:15 EST) werden auf dem SSCA Cruisers Net sicherheitsrelevante Informationen zwischen Seglern in der Region ausgetauscht.
Segler (auch Nichtmitglieder) können sich an KPK wenden, wenn sie einen Floatplan aufgeben oder einen Radiocheck durchführen wollen oder ein akutes Problem haben, bei dem sie auf landbasierte Unterstützung angewiesen sind. Man nimmt die Aufgabe ernst: Wenn ein Floatplan aufgegeben wird, müssen sich die Segler täglich bei KPK melden, da sonst erst ein BOLO und später eine Such- und Rettungsaktion eingeleitet wird.
Neben KPK, welche die Karibik und den Golf von Mexiko abdeckt, gibt es auch noch das Trans Atlantic Radio Net, das in den Transatlantik-Segelsaisons betrieben wird und Segler bei ihrer Atlantiküberquerung unterstützt. Neuerdings findet die Kommunikation nicht mehr ausschließlich über SSB-Funk statt, sondern kann auch über Satelliten-Messenger oder -telefone wie Iridium erfolgen.
Eigeninitiative zählt
Funkrunden wie das Isla Mujeres Cruisers Net gibt es vielerorts hier in der Karibik, von Martinique bis Guatemala, von den Bahamas bis zu den ABC-Inseln. Häufig haben sie auch einen Ableger auf Facebook, wo bereits vor Ankunft Fragen jeglicher Art gestellt werden können.
Die Moderatoren sind engagierte Segler, die derzeit vor Ort sind und sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen. Reisen sie ab, wird der Staffelstab an andere Segler weitergegeben. Mancherorts werden die Funkrunden nur saisonal betrieben, an anderen Orten das ganze Jahr.
„Vielen Dank, dass Ihr heute dabei ward. Dieser Informationsaustausch ist ein Gewinn für uns alle. Kanal 13 ist jetzt frei als Anrufkanal. Wenn der Kontakt zu einem anderen Boot hergestellt ist, wechselt bitte auf einen anderen Kanal, 12, 69, 72 sind dafür gut geeignet“, kommt Lisa zum Ende der Konferenz, „habt alle einen wunderbaren Tag! Minaki, out.“