„Guten Abend, Erde“ – so poetisch verabschiedete sich Samantha Davies kürzlich während der Vendée Globe vom Tag: Damit beginnt ein kleiner Social-Media-Post von Bord ihrer Yacht „Initiatives Coeur“, die während des Schreibens gerade in den Sonnenuntergang rauschte. „Das Schiff gleitet unter einem herrlichen Sternenhimmel, kein Mondlicht, was für eine Show!“
Diese Freude ist nicht gespielt: Samantha, auch „Sam“ genannt, ist ein lebenslustiger Mensch. Sie strahlt eine grundsätzliche Zufriedenheit aus, was ihre große Leidenschaft für das Meer und das Segeln nur betont. Da können auch kleine Zwischenfälle nichts dran ändern: Einen Tag zuvor entdeckte die Skipperin, dass eine Dose Sardinen in ihrem Vorrat beschädigt war. Das austretende Öl hatte eine Aufbewahrungstasche getränkt. „Es braucht mehr, um Sams gute Laune zu dämpfen“, schrieb Sam Davies fröhlich.
Auch ihr Lebenspartner segelt die Vendée Globe
Die 46-jährige ist mein Tipp für einen Medaillenplatz bei der diesjährigen Vendée Globe. Die gebürtige Britin lebt zusammen mit ihrem Partner Romain Attanasio in Frankreich. Auch er nimmt dieses Jahr mit der Yacht „Pure – Best Western“ an der strapaziösen Weltumseglung teil. Damit werden sie das erste Paar sein, bei dem beide eine Vendée Globe absolviert haben – und das bei ein- und derselben Vendée Globe!

Dieses Bild ist mir in Erinnerung geblieben: Während Sam Davies den Kameras zuwinkt, um vor dem Start ihrer riesigen Fangemeinde „Good-bye“ zu sagen, verabschiedete sie sich zugleich liebevoll von Romain. Ich bin sicher, dass ihrer beider Gefühle in diesem Moment sehr gemischt waren. Beide Segler kennen die Risiken, die mit der Teilnahme an dieser Regatta verbunden sind.
Abschied vom neunjährigen Sohn
Und beide Segler mussten sich auch von ihrem gemeinsamen neunjährigen Sohn Ruben verabschieden. Der bleibt selbstverständlich an Land. Aber ich bin sicher, dass sie auf den Weltmeeren regelmäßig miteinander kommunizieren, sich gegenseitig motivieren und Ermutigung zukommen lassen werden.
Und natürlich wird auch der Kontakt zu Ruben nicht abbrechen. Er wird von Davies‘ Eltern versorgt. Der Junge ist dieses turbulente Leben gewohnt: Früher wechselten sich Attanasio und sie mit der Betreuung ab, da konnte nur ein Elternteil auf See sein. Nun, wo der Junge selbstständiger wird, sind beide erstmals zeitgleich „bei der Arbeit“. Attanasio verglich das kürzlich in einem Interview der New York Times mit einer Fischerfamilie. Da arbeiten auch beide eng zusammen und sind viel unterwegs. Wobei: Zu eng darf es während der Vendée Globe nicht werden, die beiden sind schließlich Konkurrenten…

Samantha Davies hat in Cambridge studiert und als Ingenieurin einen sehr technischen Ansatz bei der Entwicklung ihres Bootes bei der Vorbereitung auf die Weltumrundungs-Regatta. Ihr Boot hat bei jedem ihrer Rennen in der Vendée Globe einen Podiumsplatz erreicht. Ursprünglich 2010 bei CDK Technologies in Frankreich gebaut und von VPLP entworfen, hat es im Rennen 2012 mit Armel Le Cleac’h als „Banque Populaire“ den zweiten Platz belegt. Bei der letzten Ausgabe war es, mit Jeremie Beyou als „Maitre Coq“, Platz 3.
Mit Foils der zweiten Generation
Bei der vorherigen Vendée Globe wurden auf ihrem Boot Foils der ersten Generation angebracht. Sam Davies hat diese jetzt durch neue Foils der zweiten Generation ersetzt. Sie sind extrem lang. Die Konstruktion ermöglicht es ihr, die Masthöhe zu reduzieren, etwas Gewicht aus der Wölbung des Kiels herauszunehmen und ihren Vorsegelbereich zu verkleinern. Das entspricht ihrem Segelstil.

Sams Erfahrung als Seglerin ist immens. Sie reicht von einem Jules-Verne-Trophy-Versuch mit der „Royal Sun Alliance“ im Jahr 1998 über die Mini Transat 6.50 bis zur Teilnahme an den äußerst anspruchsvollen Figaro-Rennen, die als Brutstätte für künftige Vendée-Globe-Segler bekannt sind. Bei ihrer ersten Vendée Globe 2008 belegte sie auf „Roxy“ gleich den vierten Platz. Deshalb glaubte sie anschließend, dass sie das Rennen gewinnen könnte.
Und so startete sie 2012 in ihre zweite Vendée Globe. Eine Enttäuschung beendete abrupt ihre Träume: Vor genau acht Jahren, in der Nacht des 15. November 2012, traf eine Sturmböe mit 35 Knoten Windgeschwindigkeit das Schiff, der Mast brach. Davies musste aufgeben.
Mastbruch war Glück im Unglück
Doch Glück im Unglück: Das vorzeitige Ausscheiden ermöglichte es ihr jedoch, als Skipperin des Team SCA für das Volvo Ocean Race 2014 zur Verfügung zu stehen. Da sie sich mit versierten Seglern und Trainern umgab, erweiterte Sam ihre Fähigkeiten, was sie zu einer der vielseitigsten Seglerinnen der heutigen Regatta machen.

Sie liebt es einfach, da draußen zu sein, und ihre fröhliche Art macht sie zu einer perfekten Ergänzung für die Initiative Coeur. Im Jahr 2017 schloss sie sich Tanguy De Lamotte für die Transatlantikregatta Jacques Vabres an, und nach dieser Regatta wurde sie ausgewählt, die Führungsrolle für das Projekt bei der Initiative Coeur zu übernehmen.
Ihre Sponsoren K Line und Vinci Energie haben vereinbart, für jeden Social-Media-Like einen Euro an die Wohltätigkeitsorganisation Mécénat Chirurgie Cardiaque zu spenden. Die französische Stiftung finanziert Kindern mit einem Herzfehler, die in ihrem eigenen Land keinen Zugang zu einer Behandlung haben, die medizinische Behandlung.
Start als Synchronschwimmerin
Auf dem Wasser war Sam schon immer zuhause: Bevor ihre Segelkarriere begann, nahm sie als Synchronschwimmerin an vielen Wettbewerben teil. Sie ist quasi auf einem Segelboot aufgewachsen, und ihr Großvater war U-Boot-Fahrer bei der Marine. Als Andenken und Glücksbringer trägt Sam stets seine Sankt-Christophorus-Anhänger, wenn sie segelt – natürlich auch bei dieser Vendée Globe.