
Mit deiner Kampagne „This Race is female“ arbeitest du daran, dass mehr Frauen Skipperinnen werden, dass mehr Frauen eigene Kampagnen machen. Im Moment sind wir bei einem Viertel Frauen im Rennen, es gibt keine Skipperin. Dadurch, dass die Imocas im vierköpfigen Team plus Reporter gesegelt werden, ist die Rollenverteilung schon etwas flexibler. Trotzdem sind wir nicht bei 50 Prozent. Was sagst du dazu?
Ich glaube, dass Frauen mittlerweile schon gute Chancen auf einen Platz haben. Es gibt die Frauenquote, im olympischen Segeln sowieso, und es gibt viele Möglichkeiten für Frauen ins Segeln einzusteigen.
Warum sind dann so wenig Frauen dabei?
Die Kampagne „This Race is female“ will den Frauen vermitteln: Macht es einfach. Wenn Plätze da sind, dann belegt sie, und wenn da kein Platz ist, dann macht etwas Eigenes. Ich bin eine, die einfach loslegt. So habe ich auch meine Kampagne gestartet. Ich wusste am Anfang auch nicht, ob das gut geht.

Durch meine Solo-Segelerfahrung beim Solitaire du Figaro habe ich das Glück gehabt, an einen dieser begehrten Plätze zu kommen. Ich glaube, es geht um das Schaffen von Plätzen, aber auch darum, dass du sie dann annimmst und es durchziehst.
Das sehe ich auch so. Frauen brauchen mehr Durchsetzungswillen und das Bewusstsein, dass sie es genauso gut können. Diese „Ich traue mich nicht“-Haltung ist auch die Hürde im eigenen Kopf. Die müssen Frauen abbauen.
Damit das möglich ist, brauchen Frauen Vorbilder. Man träumt ja nicht von etwas, was man vorher noch nie gesehen hat.

Du hast als Olympionikin mit einer Silbermedaille sehr gute Erfahrungen gemacht. Du hast dich zwar durchboxen müssen, bist aber auch immer unterstützt worden. Es gibt aber viele junge Offshore-Seglerinnen, die gerne starten würden und nicht genügend Möglichkeiten haben.
Ich glaube, diese Silbermedaille hilft mir sicher, meine Kompetenz zu beweisen. Aber das Durchboxen und Durchbeißen, das nimmt nicht ab. Auch die Männer hier im Team müssen sich durchbeißen. Frauen müssen verstehen, dass das normal ist. Dies ist ein Haifischbecken, das muss man wissen.

Wenn du dieses Rennen erfolgreich segelst, bist du eine Ocean-Racerin geworden. In nur einem Jahr, nachdem du angekündigt hast, dass du ins Offshoresegeln einsteigst. So viel Erfolg in so kurzer Zeit! Kannst du das schon überreißen?
Auf gar keinen Fall. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich die Olympischen Spiele noch gar nicht verdaut habe. (lacht) Ich bin wirklich sehr, sehr schnell. Aber im Herzen bin ich das Mädchen aus Strande geblieben. Nur die anderen sehen in mir etwas anderes. Das ist manchmal komisch, aber sehr schön, wenn Mädchen oder Frauen in mir vielleicht das sehen, was ich damals in meinem Vorbild gesehen habe.
Hast du manchmal Momente, in denen du denkst: Hoffentlich merkt keiner, dass ich das alles überhaupt noch nicht richtig kann.
Genau das meinte ich: Fake it until you make it. Du hast mir mal dieses schöne Zitat von der berühmten Fotografin genannt, die genau das gesagt hat.
Sibylle Bergemann sagt das in dem Film „Take a picture“ über sich.
Viele denken, man muss eine Spezialistin sein. Aber nein, man muss einfach ein großes Interesse für viele unterschiedliche Bereiche mitbringen, auch wenn man nicht immer für alles die richtige Antwort weiß. Und man muss auch mal Fünfe gerade sein lassen.

Männer gehen beim Segeln direkt ans Ruder und Frauen stehen davor und denken: Kann ich das gut genug? Das gilt es zu verändern.
Genau. Und andersherum erlebe ich auch sehr viele Männer hier in meinem Umfeld mit einem großen Sicherheitsbedürfnis oder einem großen Bedürfnis nach Ordnung. Das sind ja eher weibliche Stereotype.
Du segelst ab Mindelo auf den Kapverden das zweite Leg. Was machst du bis zum Start?
Ich bin jetzt erst mal in Lorient für meine Kampagne, treffe meine Sponsoren und mache ein Fotoshooting. Dann trainiere ich weiter nach meinem Fitnessplan und am 22. fliege in auf die Kapverden. Am 25. starten wir dann in das zweite Leg.
Und dann segelt du auch das dritte Leg?
Das Leg durch den Southern Ocean ist noch nicht in Stein gemeißelt, es kommt auch ein bisschen darauf an, ob Abby das machen will. Aber ich würde super gerne durch den Southern Ocean segeln!
Sanni, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Power für dein erstes Leg beim Ocean Race.