Bob der Rigger ist die zentrale Figur dieser Tally-Ho-Episode. Die Masten gehen der Vollendung entgegen, ebenso der Rumpf. Ist damit alles getan? Aber nein.
Nun muss das stehende Gut (Wanten und Stagen) und das laufende Gut (Schoten, Fallen, Backstagen und noch viel mehr) erstellt werden. Bob, ein bisschen Punk, ein bisschen Hippie mit seiner Undercut-Frisur und dem Rauschebart, baut zunächst die Blöcke für das laufende Gut im anspruchsvollen Rigg – und das sind viele.
Eine kurze Geschichte der Tally Ho
Der 48 Fuß (14,6 m) lange und 12,5 Fuß (3,8 m) breite Rennkutter wurde von dem englischen Konstrukteur Albert Strange entworfen. 1909 lief er bei der Werft Stow & Son in Shoreham by Sea West Sussex, England vom Stapel, gewann 1927 das Fastnet Race und landete nach einer bewegten Geschichte unter vielen Eignern Anfang der 2000er-Jahre als halbherzig anrestauriertes Wrack auf einem Werftgelände in Oregon – ein Schicksal, das er mit vielen Klassikern teilte.
Die Albert Strange Association und Leo Sampson Goolden kommen 2017 zusammen. Leo kauft den Kutter für den symbolischen Preis von 1 US-$. Seitdem steckt er viel Energie, Herzblut und Geld in das Schiff.
Er holt es erst nach Sequim/Washington, später nach Port Townsend. Seit sechs Jahren baut er das Schiff mithilfe vieler „amazing people“ aus dem alten Rumpf heraus komplett neu auf.

Viele Spenden und eine riesige Fangemeinde, die er sich durch seine interessanten und unterhaltsamen Youtube-Videos, aber auch durch seine sympathische Art erarbeitet hat, tragen ihren Teil zum erfolgreichen Verlauf des Tally-Ho-Projektes bei.
Immer häufiger nutzt er diese Plattform auch für kleine lustige Spielszenen bezahlter Werbung. Guter Bootsbau kostet eben auch Geld und inzwischen kann er seine fünf festen und einen Haufen freier Mitarbeiter auch gut bezahlen.
Moderne Klassik-Blöcke
Doch zurück zu den Blöcken. Ursprünglich aus Holz gefertigt, werden diese Umlenkrollen heute aus modernen Materialien gebaut. Hochfester Kunststoff und Edelstahl sowie Torlon-kugelgelagerte Rollen haben auf modernen Rennyachten längst die alten Holzblöcke verdrängt, nur vereinzelt werden noch Holzplatten auf die modernen Blöcke geklebt, um sie klassisch wirken zu lassen.

Bob geht den Mittelweg: moderne Klassik. Die Scheiben oder Rollen sind aus Acetylharz (Delrin) mit Lagern aus geölter Bronze aus heimischer Produktion. Die Stropps, die außenliegend die Kraft aufnehmen, aus Dyneema-Tauwerk. Die Gehäuse indes sind aus Holz: Weißesche und Robinie. Die Achsen wiederum bestehen aus Bronze. Das dicke Hochlast-Dyneema wird bekledet (fest umwickelt) mit geteerten Marlinschnüren aus Naturhanf, wie die Drahtwanten auf den Traditionsseglern.
Bob ist Profi und zeigt uns genau, wie er das Holz entsprechend der Maserung aussucht, verleimt, mit Kupfernägeln vernietet und die G10-Hülsen zur Aufnahme der Achsen einpasst. Dann wird dem Gehäuse mit Bandsäge, Schleifscheibe und Fräser die typische Blockform verpasst. Am Ende wird die Nut für den Stropp mit Raspel und Feile ausgearbeitet. Viel Handarbeit fließt in einen Block.
Die Tauwerklösung
Die Versiegelung erfolgt mit dem Lacköl Le Tonkinois „aus der alten Welt Europa“. Danach wird die Scheibe eingebaut und der Block mit dem Dyneema-Tauwerk betakelt (eingenäht). Das macht den Stroppblock dauerhaft und leicht. Es gibt 55 individuell verschiedene Blockarten im Rigg der Tally Ho. Durch die Anfertigung in Eigenarbeit können sie alle ihrer jeweiligen Bestimmung entsprechend angepasst werden und erhalten trotzdem einen einheitlichen Look. Das gibt es bei keinem Schiffsausrüster aus dem Regal.

„Wir Rigger suchen für alle Anwendungen eine Tauwerklösung“, bekennt Bob. Dyneema ist eine synthetische Chemiefaser auf der Basis von PE (Poly-Ethylen). Sie ist inzwischen sein Lieblingsmaterial geworden. Die moderne Faser ist dauerhaft, hat eine Bruchfestigkeit wie Stahldraht bei einem Bruchteil des Gewichts, ist ohne Maschinen leicht zu bearbeiten und zu spleißen und dabei UV-beständig. Wenn sie ausgedient hat, darf sie nicht in der Natur enden, denn sie wird wahrscheinlich in 1.000 Jahren nicht verrotten. Wir sind gespannt auf Tally Hos Wanten und Fallen.
Leo bleibt cool
Erica ist Tally Hos Bordklempnerin, immer dabei, wenn es was zu lachen oder Abflüsse zu legen gibt. Während ihre Jungs Patty und Nic den großen Schwarzwasser-(Fäkalien-)Tank einbauen, installiert sie das Abflusssystem drumherum. Neben dem Klo die Handpumpe, alle geruchsdichten Schläuche, belüftete Schwanenhälse und das große Y-Ventil, das die „Poop“ entweder in den Tank oder in die See befördert.
Nun ist auch der Headroom (Toilettenraum) fast fertig. Nic hat schöne Schränke mit Albert-Strange-Signet gebaut und muss zu seinem Verdruss gleich wieder ein Loch für den Abflussschlauch reinschneiden. Beim Aussägen für das Waschbeckenloch hat er sich auch noch vermessen und muss den ganzen Waschtisch neu bauen. Nein, Leo schreit nicht und er hat auch nicht mit Dingen um sich geworfen, alles Spaß. Das Team sieht das ganz gelassen.

Die „Pat und Patty Show“: Oldie und Youngster bauen das vordere Niedergangshaus zusammen. Es sieht dem hinteren sehr ähnlich, nur viel kleiner, und hat an der Seite ein kleines Skylight. Pat hat die Einzelteile in seiner Werkstatt vorgefertigt, jetzt werden sie an dem Decksauschnitt und den Sülls zusammengeleimt und -geschraubt. Hier kommt mal wieder Low-Tech zum Einsatz: Mit der Bohrleier schrauben die beiden in aller Ruhe die Dachplanken fest, bevor Bailey das kleine Kunstwerk mit Le Tonkinois einstreicht.
Nic zieht die Beutelpistole
An Deck hat Zeal die Nähte mit Baumwollfäden kalfatert, jetzt sollen endlich die Nähte vergossen werden. Dafür hat die Tally Ho eine großzügige Spende von Teakdecking Systems aus Florida erhalten. Vorher müssen allerdings die kalfaterten Nähte noch einmal nachgearbeitet werden. „Kein Problem“ für Nick: „Ich habe mir das bei Google angeguckt, ich kann das.“
Ganz so einfach ist es denn doch nicht. Es erfordert schon einige Erfahrung, den Spezialhammer aus Pockholz zum Nachsetzen des Kalfatguts mit dem richtigen wohldosierten Schwung auf das Kalfateisen zu schlagen. Dieses wiederum muss bei jedem Schlag genau im richtigen Winkel gehalten werden.

Zeal ist Profi, er zeigt es Nic und nach kurzer Zeit – Bootsbauer sind nun mal Alleskönner – hat auch der es drauf. Wenn die Baumwolle tief genug in der Naht verschwunden ist, kann das Holz in der Naht mit einem Spezial-Schleifwerkzeug aufgeraut werden und die Dichtmasse TDS SIS 440, eine Art flüssiges Gummi, mit der Beutelpistole in die Nähte gedrückt und anschließend mit dem Spachtel nachgezogen werden.
Wer nicht sauber und systematisch arbeitet, hat bald eine Riesensauerei an Kleidung, Händen und Werkzeug. Aber die Jungs sind ja Profis. Nun muss das TDS zwei Tage trocknen, bevor das Deck geschliffen wird und die hübsche wohlbekannte Deckoptik erhält. Auch wenn es hier kein Teakdeck, sondern Gelbzeder ist, heimisches Holz, es sieht am Ende wunderhübsch aus. Alle Achtung, Leo und Team, and see you next time!