Die Mobilitätswende auf dem Wasser und Lade-Infrastruktur für Deutschlands größtes Binnenwasserrevier – diesem Ziel widmete sich der Electric Summit, das Fachtreffen zur Elektromobilität auf dem Wasser in Berlin-Brandenburg.
Am Tag vorm Start der Boot & Fun Inwater wurde in Werder der Stand der Elektro-Schifffahrt in Europa zusammengefasst, um im zweiten Schritt Pläne für eine Modellregion Elektromobilität Berlin-Brandenburg festzuzurren. Eingeladen hatte zu dem Treffen float, unterstützt von der Messe Berlin, aqua marin Boote und dem Wirtschaftsverband Wassersport.
Gute Ideen sterben nicht, sie schlummern nur. Bereits vor 100 Jahren war Berlin-Brandenburg eine Vorzeigeregion für Elektromobilität auf dem Wasser. Elektro-Kähne transportierten in der Gründerzeit Ziegel von den Produktionsstätten zu den Baustellen in Berlin.

Strom wurde an den Endpunkten geladen. Diese versickerte Revolution soll im Freizeitbereich wieder aufleben. Die „schönste Wassersportregion Deutschlands… der Welt“, so Boot-und-Fun-Projektleiter Daniel Barkowski, soll sich zu einem Gebiet entwickeln, in dem sich der Mensch genauso erholt wie die Natur.
Die Nachbarn sind weiter
Beim ersten Electric Summit tauschen sich die Akteure aus Wirtschaft, Tourismus und Forschung aus. Im Fachpublikum sitzen über 80 Teilnehmer, die spürbar aktiv lauschen – und sich zunehmend einbringen.

Das erste Panel zum Stand der Mobilitätswende ist besetzt mit Martin Schemkes (Delphia Yachts), Isabel Jeschek von Torqeedo, Sabine Raabe (Aqua SuperPower), Tino Buschmann (Technische Universität Berlin), Holger Flindt (Pantaenius) und Maria Bouillet von Bouillet Energy. Geballtes Elektro-Engagement und globaler Überblick verdichten sich unter der straffen Moderation von float-Chefredakteurin Kerstin Zillmer zu handfesten Einschätzungen.

Der Holländer Martin Schemkes, der seit 2018 die elektrische Marke Delphia aufbaut, verweist auf Amsterdam: Ab 2025 werden in der Stadt Verbrennermotoren schrittweise verboten. Und gleichzeitig finden Elektro-Autos in den Niederlanden schon heute alle 15 Fahrminuten eine Schnellladestation. „Die Entwicklung geht voran – keine Sorge“ ist seine Bilanz.

Engagiert arbeitet er als Markenchef nicht nur für Delphia, sondern baut parallel in Friesland ein Ladenetz auf, das auch Vorbild für Brandenburg ist. „Wir sind ein Netzwerk aus Entrepreneurs, Investoren, Technikern, Bootsbauern und haben gute Kontakte zur Regierung. Man muss an die richtigen Türen klopfen“, weiß der ehemalige Jeanneau-Manager.
Vor 100 Jahren schon etabliert
Der Blick in andere Regionen ermutigt auch Isabel Jeschek. Schon vor 100 Jahren habe man sich gefragt, wie man den schönen Königssee in Bayern schützen könne. Bis heute fahren die Ausflugsboote dort elektrisch. „Genießen, ohne zu zerstören“, das setze sich als Maxime immer mehr durch. Torqeedo hat seit 2005, so Jeschek, bereits über 250.000 Motoren in sehr unterschiedlichen Anwendungsbereichen verkauft.

„Die Bootsbranche ist die Branche der 1000 Nischen. Vom Außenborder bis zum Innenborder, vom Sail-Drive bis zum Rudder-Drive gibt es alle Arten von Antrieben. Es ist ein sehr spannender Wachstumsmarkt.“
Doch die Mobilitätswende auf dem Wasser braucht staatliche Unterstützung, um sich elektrisch entwickeln zu können. In anderen Ländern nimmt die staatliche Förderung bereits Fahrt auf, berichtet Sabine Raabe von Aqua SuperPower. Mit Staatshilfe kann das Unternehmen in England und in den USA weitere Schnellladestationen aufbauen. „Aktuell bauen wir 10 Ladestationen in Plymouth an der englischen Südküste auf. Weitere folgen jetzt am Lake Michigan in den USA.“

In insgesamt sieben Ländern stehen bereits Schnellladepunkte von Aqua SuperPower mit bis zu 75 Kilowatt Leistung. Die erste zusammenhängende Ladekette gibt es in Frankreich an der finanzkräftigen Côte d’Azur. „Jetzt gehen wir an die Binnengewässer in Italien und Schweden. Dort haben wir viel Nachfrage, weil dort viele Elektroboote gebaut werden“, so Sabine Raabe.
Ohne die Politik geht es nicht
Maria Bouillet von Bouillet Energy weist auf den schleppenden Fortschritt bei der Lade-Infrastruktur in Deutschland hin. „Wir wollten eigentlich nur Projektmanagement für Marinas anbieten, haben aber schnell gemerkt, dass es Ladesäulen für den Bootsbereich noch gar nicht gibt.“ Das Startup entwickelte einen Prototypen für Schnellladesäule von 11 bis 22 Kilowatt, den sie auf dem Electric Summit präsentieren. Für die Region Brandenburg sei diese Lademenge völlig ausreichend, so Bouillet. Man wolle eine Mehrzahl von Anwendungen damit abdecken und auch bidirektional laden.


Und sie gehen noch einen Schritt weiter: In der Citymarina Berlin an der Spree läuft ihr Pilotprojekt für eine energieautarke Marina. Das Projekt wird von der Technischen Universität Berlin wissenschaftlich begleitet. Tino Buschmann vom dortigen Institut für Land- und Seeverkehr erklärt dem Publikum den Smart-Grid-Ansatz, bei dem der Strom in den Booten im Hafen zwischengeparkt werden kann. „Strom muss nicht mehr aus dem Netz kommen, er kann in der Marina durch Solaranlagen oder Windanlagen oder andere regenerative Möglichkeiten auch selbst erzeugt werden.“
Das mache die Hafenbetreiber unabhängiger von öffentlichen Netzen, so der Wissenschaftler. Aber dafür braucht es Geld von außen. Denn die meisten Marinas oder Häfen sind von alleine nicht in der Lage, die Anfangsinvestitionen zu stemmen, so Buschmann.
Elektroboote gewinnen an Bedeutung
Einen anderen rechtlichen Aspekt hat Holger Flindt vom Bootsversicherer Pantaenius im Blick. Die Sportboote-Richtlinie, an denen sich die Versicherer orientieren, deckten die Besonderheiten von Elektro-Antrieben noch nicht verbindlich genug ab. Dabei sei die Brandgefahr noch immer doppelt so hoch wie bei konventionellen Verbrennern, so Flindt, gegenüber einem fünfmal höherem Risiko in der Anfangszeit der E-Motoren. Pantaenius wurde allerdings noch nie ein Totalschaden gemeldet, in den ein Torqeedo-Motor verwickelt gewesen wäre.

Alle Sprecher sind sich in einem einig: Unternehmerisches Engagement ist schön, aber ohne die Politik geht es nicht. Bürokratie müsse abgebaut werden, Förderung aufgebaut. Maria Bouillet formuliert stellvertretend: „Ich wünsche mir die gleichen Fördermittel wie bei Elektro-Autos. 80 Prozent übernimmt dort der Staat.“
float hatte den Electric Summit bewusst ans Wasser gelegt, um den Teilnehmern die Vorzüge der Elektromobilität auf dem Wasser spürbar nahe zu bringen. Am Steg der Marina Vulkan lagen sechs Boote mit unterschiedlichen elektrischen Antriebskonzepten zum Probefahren bereit, von X-Shore über Molabo und Torqeedo bis zum Mercury Avator und Evoy, die tags darauf zur Boot & Fun Inwater in der nahen Marina Havelauen umzogen.
Lückenloses Schnellladenetz
Nach diesem Blick über den Tellerrand geht es beim zweiten Panel um konkrete Pläne für die Modellregion Elektromobilität Berlin-Brandenburg. Entsprechend ist das Podium besetzt. Karsten Stahlhut (Wirtschaftsverband Berlin-Brandenburg), Uwe Seibt (Referent Tourismus der Industrie-und Handelskammer Potsdam), Julia Pollok von der Wassertourismus-Initiative Nordbrandenburg (WIN) und Andreas Zimmer (Tourismus-Marketing Brandenburg) sind erfahrene Praktiker, die Idealismus mit Realismus verbinden.
Denn im Vordergrund steht – neben der Elektrifizierung der Bootsmotoren – vor allem die Errichtung einer verlässlichen Infrastruktur. Berlin-Brandenburg orientiert sich dabei am friesländischen Projekt. Hier soll über 100 Kilometer Wasserstraßen ein lückenloses Schnellladenetz aufgebaut werden.