„Der Anteil der Frauen unter den Seglerinnen liegt sowohl beim Fahrten- als auch Regattasegeln bei 100 Prozent“, erklärt Mona Küppers, kommissarische Präsidentin des Deutschen Segler-Verbands (DSV), mit einem Augenzwinkern. „Spaß beiseite: Wir stellen fest, dass immer mehr Frauen ihre Segelscheine machen, dass ‚gefühlt’ auch immer mehr Mädchen und Frauen die Pinne oder das Rad in der Hand halten.“ Sprich: Frauensegeln boomt.
Frauen segeln anders – tun sie das wirklich? Zumindest lassen das zahlreiche Angebote vermuten, die mit Frauen-Törns eine Alternative zum Paarsegeln bieten wollen. Egal, ob es dabei einfach nur um den Spaß am Segeln geht oder auch ein Lerneffekt erzielt werden soll. Gechillt den Wind genießen oder sich auf den Schifffahrtsschein vorbereiten: Auf jeden Fall sind Frauen eine Zielgruppe, die Segelreisen-Veranstalter für sich entdeckt haben.
Aber auch Vereine haben spezielle Angebote für das weibliche Geschlecht im Programm: ob Frauen-Dienstag, Extra-Events für Frauen – oder wenn nur Frauen als Mitglieder aufgenommen werden. Und der gemeinsame Spaß auf dem Wasser durch Mädels-Abende und gemeinsame Wochenendtrips und Regatten ergänzt wird.

Frauen, die auf Fender starren
„Frauen können genauso gut oder schlecht segeln wie Männer. Sie müssen bereit sein, das Ruder in die Hand zu nehmen – und Männer müssen es aus der Hand geben“, sagt Mona Küppers. Sie plädiert dafür, die noch festen Rollenklischees zu durchbrechen und reine Frauencrews Normalität werden zu lassen. „Bei den Fahrtenschiffen erleben wir häufig noch die traditionelle Rollenverteilung: Mann am Ruder, die Frau an den Festmachern.“ Im Deutschen Seglerverband wird das pragmatisch angegangen, wie Mona Küppers im float-Interview erklärt: „Im DSV bieten wir bereits seit langem Motorkunde nur für Frauen an, ebenso Skippertrainings nur für Frauen.“
Mal eine oder zwei Wochen einfach so unter uns sein, das hat doch was, oder?
Women’s Special, Ladies Sailing Week, Skipperinnentrainings, Frauen-Yacht-Training: Beim Deutschen Hochseesportverband Hansa, anderen Vereinen und kommerzielle Veranstaltern gehören spezielle Kurse für Frauen zum Programm. So sollen die Teilnehmerinnen die besondere Atmosphäre beim Frauensegeln schätzen. Die Nachfrage steigt.
„Frauentraining“ ist seit langen nicht mehr ein exotisches Angebot im Segel-Dschungel, sondern ein fest etablierter Bestandteil im Fahrtensegel-Programm. „Wir Mädels erleben und genießen einfach anders als unsere Männer“, so wirbt frauen-segeln. „Entspannen und chillen, keine Wettkämpfe, unbeschwert, kein Segeln bis zum Anschlag. Und mal eine oder zwei Wochen einfach so unter uns sein, das hat doch was, oder?“

Einfach unter sich sein, das genießen auch 121 Seglerinnen, die Mitglied im Verein Die Seglerinnen sind. Das Netzwerk bietet den Frauen die Möglichkeit, gemeinsam Törns zu planen, sich auszutauschen, zusammen auf Segelevents Regatten zu segeln oder zu feiern und sich gegenseitig zu unterstützen. Seit 1983 organisieren sich die Seglerinnen im Verein, der ursprünglich den Namen Feministischer Seglerinnen-Verein trug.
„Viele Frauen können segeln und haben das Boot vollkommen im Griff, hören dann aber von dem Mann, dass er ihr das Steuer nicht übergeben will, weil er ihr das nicht zutraut und nur nörgelt.“ Annette Kilch ist eine der Frauen, die bei Ocean’s 11 Skipperinnen-Trainings anbietet. „Die Buchungszahlen zeigen, dass die Nachfrage steigt. Frauen wollen ans Steuer.“ Und es gebe mehr Eignerinnen, als man denke. Diese seien allerdings eher auf den kleineren Yachten von 17 bis 28 Fuß zu finden. „Kumpeltörns gibt es fast ausschließlich unter Männern.“
Frauensegeln ist attraktiv
Dass insbesondere Kurse eine Frauensache sind, hat auch der DSV ermittelt. „Frauen wünschen sich mehr Fortbildung als Männer, beispielsweise Training für Skipper(innen), Kurse für Motorkunde, Manövertraining.“ so Mona Küppers. „Viele Frauen wünschen sich Netzwerke, Kontakte zu anderen Seglerinnen, Mitsegelgelegenheiten an Bord von Schiffen mit reinen Frauencrews. Diese Wünsche müssen wir unterstützen. Daher sind wir dabei, entsprechende Formate zu entwickeln und anzubieten.“
Eine, die bereits seit 1994 diesen Markt für sich entdeckt hat, ist Ines Jochmann vom Segelpädagogischen Verein für Frauen und Mädchen. Sie hat den Verein gegründet, um das Interesse von Frauen und Mädchen für den Segelsport zu stärken und sie auszubilden. „Mir hat die Rollenaufteilung auf dem Schiff nicht gefallen. Die Nachfrage war groß, doch verändert hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht viel. Die Seefahrt ist männlich dominiert“, fasst sie zusammen. Nun steht ihr Projekt auf der Kippe. Ob sie es weiter führen wird, wird auch davon abhängen, ob sie erfahrene Skipperinnen findet, die sie unterstützen.
Im Segelsport muss Frauen ab und zu Mut gemacht werden.
Mona Küppers
„Frauen an die Pinne“ heißt es auch beim Segler-Verband Niedersachsen. Unter Anleitung von Trainerinnen wird dieser Kurs seit 2009 speziell für Frauen angeboten. Die Seglerinnen sollen so mehr Selbstbewusstsein bekommen und Ängste abbauen. „Die große Nachfrage zeigt, wie wichtig so ein Trainingsangebot im Breitensport ist“, erklärt die Fachwartin für Gleichstellung Kerstin Levin. Die erste deutsche Frauenregatta ist für 2018 in Hamburg geplant. Mit mehr als 60 Anmeldungen wurden die Organisatoren des HelgaCups vom Erfolg überrannt, wie sie im float-Interview erklären.
Die erfahrene Skipperin Mareike Guhr bietet Praxisseminare auf Segelbooten nur für weibliche Teilnehmer an, um Frauen in Sachen Wassersport zu ermutigen und zu schulen. Auftraggeber ist eine Werft, die damit auch weibliche Kunden ansprechen und fördern will. Es gibt schließlich immer mehr gut verdienende Frauen – die sollten die Werften als Kundschaft nicht ignorieren.
Um die Klischees nicht noch weiter zu bedienen, appelliert die DSV-Präsidentin aber auch, nicht immer in Stereotypen zu denken und zu handeln. „Wie in vielen anderen Sportarten, ja in vielen Lebensbereichen, haben Frauen andere Vorstellungen und oft auch andere Bedürfnisse als Männer oder anders herum: Männer gestalten ihr Sporterleben und ihren Alltag oftmals anders als Frauen. Und das muss wertfrei gesehen werden.“
So sollte jeder ohne Vorbehalte den Sport ausüben können. „Im Segelsport, der ja nun über einen sehr langen Zeitraum fast ausschließlich eine Männerdomäne war, muss ab und zu Frauen Mut gemacht werden. Männer müssen bereit sein, das Ruder den Frauen zu überlassen.“ Das passiere aber immer häufiger, bei den Fahrtenyachten werde das Bild der steuernden Frau mehr und mehr „normal“, beim Leistungssport stelle sich die Frage nicht.
Keine Extrawurst für segelnde Mädchen
Und eine „Extrawurst“ ist dort von Seiten der Mädchen auch gar nicht erwünscht. „Im Jüngstensport werden in der Regel Preise für die besten Mädchen vergeben. Seitdem die Mädchen insgesamt erfolgreicher segeln und sich öfter behaupten gegen die Jungs, wollen viele Mädchen das nicht mehr“, erklärt Nadine Stegenwalner, Sportdirektorin des DSV. Ein neues Selbstbewusstsein sei entstanden, in allen Hinsichten die Jungs auch ohne Sonderwertung schlagen zu können.
„Und die Mädels haben Recht: Gerade in den Jüngsten-Bootsklassen spielen die körperlichen Vorteile der Jungs noch keine entscheidende Rolle.“ Für Stegenwalner ist es entscheidend, dass der Segelsport insgesamt mehr Aufmerksamkeit erfahre, und zwar „als wertvolle Möglichkeit einer vielfältigen motorischen, kognitiven, aber auch sozialen und emotionalen Entwicklung für die Kinder.“ Sie weist explizit darauf hin, dass Mädchen in dieser Sportart den Jungs ebenbürtig sind.

„Im Leistungssport wird weniger auf das Geschlecht als auf den Leistungsvergleich in vorgegebenen Disziplinen geachtet“, beschreibt die Sportdirektorin die Situation im Regattasport. „Das IOC hat für die Olympischen Spiele 2020 eine 50/50-Quote beschlossen. In den Kaderzahlen des DSV schlägt sich dies noch nicht zu 100 Prozent nieder, wobei allerdings wohl auch hier eine Zunahme der weiblichen Kaderathleten zu verzeichnen ist.“
Weiblicher Nachwuchs wird mehr
Und auch das Interesse von Mädchen und Frauen, in die Dickschiff-Regatta-Szene einzusteigen, ist da. So konnte sich mittlerweile neben der Tutima eine weitere reine Frauencrew etablieren. Auch die Frauen der Hotquito beweisen, dass sie vorne mitsegeln können. Trotzdem empfindet Kirsten Harmstorf-Schönwitz, Skipperin der „Tutima“, die Frauenbeteiligung im Regattafeld noch als niedrig. „Viele Frauen gibt es in der Dickschiffszene leider noch immer nicht. International sieht es auch nicht viel besser aus.“ Selbst in Mixed-Crews gebe es verhältnismäßig wenig Mädels. „Eine reine Frauencrew war gefühlt schon immer eine kleine Sensation für außenstehende Personen“, erklärt sie.
Über weiblichen Nachwuchs kann sowohl die Fahrten- als auch die Regattaszene nicht klagen. Eine positive Entwicklung beim Frauensegeln bescheinigt auch Mona Küppers: „Der DSV verzeichnet seit einigen Jahren einen leichten, aber stetigen Mitgliederzuwachs im Bereich von Mädchen und Frauen, die in die Vereine eintreten. Knapp ein Drittel der gemeldeten Vereinsmitglieder sind inzwischen weiblich.“ In den Vereinen profitierten Mädchen und Frauen von auf sie zugeschnittenen Angeboten. Mittlerweile haben viele Vereine beispielsweise den Frauen-Trainings-Donnerstag im Angebot oder sich einen anderen Wochentag ausgesucht, an dem die Frauen unter sich segeln und lernen können.
Nach dem Sieg von Tina Lutz 2004 drei weitere Mädchen den WM-Titel im Opti gewonnen
Und wie sieht es bei den Jüngsten aus? „In diesem Bereich segeln noch deutlich mehr Jungen als Mädchen, insgesamt ist aber eine deutliche Zunahme der Seglerinnen zu verzeichnen“, so Nadine Stegenwalner. „Beispielsweise werden mehr Mädchen als früher Mitglied in der nationalen Klassenvereinigung der Optimisten; es nehmen mehr Mädchen an Deutschen Meisterschaften teil.“
Zudem führt sie an, dass die Zahl der Mädchen, die erfolgreich segeln, im Verhältnis zugenommen hat. Und das mit Erfolg. „In der Bootsklasse Optimist, wo Jungen und Mädchen auf der WM zusammen segeln, haben nach dem Sieg von Tina Lutz auf der WM 2004 drei weitere Mädchen den Weltmeistertitel gewonnen!“
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