Bettina liebt das Steinhuder Meer – so sehr, dass sie bis zum letzten Tag vor dem Start des Befahrverbots an Allerheiligen auf dem Wasser ist. Will irgendwer mit? So hatte jemand gefragt. Und Bettina, deren eigener Holz-Schwertzugvogel 598 schon hoch und trocken an Land steht, ist mit dabei. Und das hat seinen Grund.


Als wir uns sprechen, ist sie gerade zurück von Bord ihres Boots: „La vela azul“, das blaue Segel. Es war der schöne letzte Tag einer langen Saison – vom 28. März bis zum letzten Oktober-Tag war sie auf dem Wasser. Letztes Jahr, diese Saison war alles anders.
Nicht nur der Wind hatte sie versetzt
Das Steinhuder Meer ist ihr Revier, war es immer und wird es wohl immer bleiben. Hier ist das Kalenderbild entstanden, ein Sonnenuntergang für den DGzRS-Spendenkalender, an einem lauen Abend Mitte September. „Es war kein Wind und ich bin nur mit E-Motor rausgefahren – ein typischer Freitagabend“, erzählt sie.
Doch nicht nur der Wind hatte sie versetzt, sondern auch ihr Date. „Ich war supersauer, bin mit Bier und Brötchen rausgefahren und dachte: So ein Mist.“ Genau dann war da auf einmal diese Stimmung. Großartig. Farben. Stille. Das Wasser. Alles gut.

Bettina hat früh angefangen zu segeln. Den ersten eigenen Opti bekam sie mit fünf, bald folgte Regattasegeln im Opti, dann Windsurfen. Und später als Steuerfrau im Javelin war sie immer auf der Suche nach Vorschotern. Sie war Takelmeisterin beim ASV zu Hannover, also Technikchefin, und segelte bald auf Ostsee und Nordsee, dem Mittelmeer und Atlantik, auf der Kieler Woche und allen Seen, die sich anboten.
Die weibliche Linie gibt die Lust am Segeln weiter
Die Lust am Segeln wird in Bettinas Familie über die weibliche Linie weitergegeben. Ihre Mutter segelt bis heute, und schon ihre Großmutter segelte H-Jolle. Fast selbstverständlich ist die heute 16-jährige Tochter Anna auch auf dem Boot unterwegs, während Sohn Malte aus dem 420er nach kurzem Schnuppern wieder ausgestiegen ist.

„Ich gehe segeln, so oft es geht“, sagt Bettina, und das aus gutem Grund. Mit 37 Jahren hatte sie einen schweren Schlaganfall – mit Sprachverlust, Rollstuhl, halbseitiger Lähmung und dem langen Weg zurück ins Leben. Sieben Jahre ist sie nicht gesegelt. Das Steinhuder Meer, an dem sie wohnt, direkt vor Augen – und das Gefühl: Mich nimmt eh keiner mit. Und wenn, dann kentern wir.
Als ihre Tochter Anna siebenjährig zu segeln beginnt, passiert es. Will irgendwer mit? hatte ein Bekannter gefragt. „Ich, ich, ich.“ Beide sind nicht gekentert. Seitdem segelt sie wieder. Einhand, im wörtlichen Sinn.

Joshua Slocum und J-Class-Yachten
Wen sie bewundert? Die Schriften von Joshua Slocum, den Segler und Reiseschriftsteller, der als erster Einhandsegler eine Weltumrundung vollbrachte. Bettinas Traum? Einmal auf einer J-Class-Yacht mitsegeln, jene großen Kielboote, mit denen die Regatten um den America’s Cup zwischen den Jahren 1930 und 1937 ausgetragen wurden. „Dafür würde ich Kartoffeln schälen bis an mein Lebensende.“ Einhand.