Über ein Jahr saßen vier Segler auf den Kapverden im Knast, verurteilt zu zehn Jahren Gefängnis wegen Drogenschmuggels per Boot. Sie beteuern ihre Unschuld. Jetzt hat ein Gericht das Urteil gegen sie aufgehoben – vorläufig.
Und dann, nach 18 Monaten in Haft, öffnet sich vergangenen Donnerstag das schwere graue Eisentor in der Mauer aus den wuchtigen Steinen doch noch. Unter dem Applaus ihrer Verwandten und Freunde dürfen Daniel Guerra, Rodrigo Dantas und Daniel Dantas das Gefängnis in São Vicente auf den Kapverden verlassen. In Plastiktüten tragen sie ihre Habseligkeiten, die Gesichter gezeichnet von den Strapazen der Haft. Aber sie lachen, liegen sich in den Armen. Drei junge brasilianische Segler, im März 2018 nach einem absurden Prozess verurteilt zu zehn Jahren Gefängnis – wegen Drogenschmuggels in gigantischem Ausmaß. Sie beteuern ihre Unschuld.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kam sprichwörtlich in letzter Minute. Ende des Monats wäre die Frist abgelaufen, das Urteil aus der ersten Instanz gegen die drei brasilianischen Segler und den französischen Skipper Olivier Thomas, der ebenfalls diesen Donnerstag aus der Haft entlassen wurde, wäre rechtskräftig gewesen. Doch es kam anders. Anfang der Woche kassierte das Berufungsgericht das Urteil. Es ist kein Freispruch für die Segler, aber der Prozess muss neu aufgerollt werden. Bis dahin sind die Segler auf freiem Fuß – und dürfen die Kapverden sogar verlassen. Sie müssen den Behörden lediglich mitteilen, wo sie sich aufhalten. Wann und wie der Prozess wieder aufgenommen wird, ist noch unbekannt.

Gigantisches Drogenversteck im Rumpf
Die vier Segler waren von dem britischen Staatsbürger George Saul, der sich selbst „Fox“, der Fuchs, nennt, über eine Crew-Plattform für einen Überführungstörn von Brasilien nach Europa angeheuert worden. Die „Rich Harvest“, ein in die Jahre gekommener 72-Fuß-Schoner, erweist sich als Seelenverkäufer. Immer wieder treten Probleme auf. Die Ruderanlage fällt aus, kann aber repariert werden. Die Maschine streikt. Heftige Stürme erschweren die Überfahrt.
Ein Crewmitglied leidet an Seekrankheit, verliert acht Kilo Gewicht. Wegen seines dramatischen Gesundheitszustands entscheidet sich der Skipper für einen Notstopp auf den Kapverden. Dort findet die Polizei bei einer Razzia unter den Wassertanks verbaut ein gigantisches Drogenversteck: 1,2 Tonnen Kokain. Marktwert: 160 Mio. Euro. float berichtete über die Hintergründe des Falls Mitte Dezember.

Die Segler wurden verhaftet. Sie beteuern, nichts von den Drogen an Bord gewusst zu haben. Selbst die brasilianischen Behörden, die den Briten Saul bereits bei seiner Ankunft in Brasilien observiert hatten, bestätigten gegenüber der Staatsanwaltschaft auf den Kapverden, dass sie die verhafteten Segler für unschuldig halten. Doch die mehrere hundert Seiten umfassende Ermittlungsakte der Brasilianer wurde vom Gericht nicht beachtet – angeblich weil sie nicht auf dem korrekten Dienstweg zugestellt worden war.
Für das Berufungsgericht war dies nun ein Grund, das Urteil aus der ersten Instanz aufzuheben. Zudem soll der Richter auch andere Zeugen der Verteidigung nicht zugelassen haben, weshalb der Fall neu aufgerollt werden muss.
Saul, der Hauptverdächtige, ist verschwunden
Der Brite Saul, der per internationalem Haftbefehl von den brasilianischen Behörden gesucht wird, ist weiterhin auf der Flucht. Auf den Kapverden spielte er allerdings keine Rolle im Prozess. Auch das ein Punkt, den die Verteidiger der Segler bemängelten. Ein weiterer Brite, den die brasilianischen Behörden verdächtigen, zusammen mit Saul den Drogentransport organisiert zu haben, wurde vergangenen Sommer in Spanien verhaftet. Nachdem float über den Fall der „Rich Harvest“ im Dezember berichtet hatte, meldete sich dessen Tochter. Sie pocht auf die Unschuldsvermutung für ihren Vater. Der sei ebenso wie die Brasilianer und der französische Skipper lediglich als Segler von Saul angeheuert worden und werde nun, obwohl eigentlich Opfer, als Täter stigmatisiert.

Zeitgleich mit der Aufhebung des Urteils gegen die Brasilianer und den Franzosen, meldeten die Ermittler auf den Kapverden einen weiteren Erfolg im Kampf gegen den Drogenschmuggel. Auf einem Frachter, der die Kapverden nach einem Todesfall an Bord angelaufen hatten, entdeckte die Drogenpolizei zehn Tonnen Kokain. Die elf russischen Besatzungsmitglieder wurden verhaftet. Die Botschaft Russlands bestätigte den Fall.