„Es ist wirklich eine Schande, was kürzlich in Frankreich passiert ist“, sagt Sam Davies auf der Podiumsdiskussion, zu der das Magenta Project, der World Sailing Trust, The Ocean Race und GAC Pindar in Kapstadt eingeladen hatten.
„Das Wichtigste ist, dass dabei ein kleiner Fehler in den Qualifikations- und Auswahlregeln der Imoca-Klasse aufgedeckt wurde“, fährt sie fort. Die Klasse hatte nicht bedacht, dass eine Seglerin in Elternzeit keine Meilen für eine Teilnahme an der Vendée Globe sammeln kann.

Die Skipper der Imoca-Klasse sind auch zuständig für die Klassenregeln und arbeiten eng mit den Organisatoren der Rennen zusammen, um diese Regeln durchzusetzen. „Wir sind alle dafür verantwortlich und arbeiten daran, sie zu korrigieren“, so die Britin, die selber Mutter ist und und die Vendée Globe segelte, als ihr Sohn gerade ein Jahr alt war.

Konstruktiv voraus
Die Entscheidung des langjährigen Segelsponsors Banque Populaire, seine Unterstützung für Clarisse Crémer einzustellen, weil sie als junge Mutter nicht sicher an den Start gehen könne, hatte international zu heftiger Kritik geführt. „Wenn jeder Skipper oder Skipperin gleich einen Reserveskipper unter Vertrag nehmen müsste, würde das den Sponsoren die Gewissheit geben, dass immer ein Skipper oder eine Skipperin bereit ist, einzuspringen“, schlug die erfahrene Weltumseglerin vor.

Sam Davies war schon 2014/15 beim Volvo Ocean Race in der reinen Frauencrew SCA dabei. Das Team SCA gründete im Anschluss an das Rennen das Magenta Project, das sich international für eine stärkere Beteiligung von Frauen einsetzt.
Sam Davies segelt aktuell die Etappe im Southern Ocean mit Paul Meilhat auf Biotherm. Annie Lush ist Crewmitglied von Guyot Enrironnement – Team Europe und Abby Ehler führt im Team von Kevin Escoffier das Rennen an. Alle drei sind Gründungsmitglieder des Magenta-Projects, das jungen Frauen den Weg in den Profisegelsport ebnen will. Unter anderem mit einem Mentoring-Projekt.
Know-how statt Muskeln
Immer noch herrscht das Vorurteil, dass Frauen für den professionellen Offshore-Rennsport nicht stark genug seien. Annie Lush äußerte sich dazu deutlich. Auch Davies weiß es besser: „Je länger die Regatta dauert und je kleiner die Crew ist, desto weniger macht es einen Unterschied, ob es ein Segler oder eine Seglerin ist. Es ist vielmehr eine Frage der Ausdauer und der Fähigkeit, Boot und Team zusammenzuhalten.“

Es gehe um Teamfähigkeit und Boots-Know-how, nicht um reine Körperkraft. Wichtiger ist Zähigkeit und Stärke. In einem Vierer-Team zu segeln, verringere den Unterschied zwischen Männern und Frauen. Davies ist sich sicher, dass bis zum Ende des Rennens einige Teams mit mehr als nur einer Frau an Bord segeln werden. Das Magenta Project hilft, dafür die Grundlagen zu legen.
Annie Lush, die neben Sam Davies für das Magenta Project auf dem Podium sitzt, nimmt zum dritten Mal am Ocean Race teil. Auch sie ist Mutter und der Meinung, dass ihre Mutterschaft ihr nützliche Fähigkeiten für das harte Leben auf See vermittelt. „Ich komme gut mit Schlafmangel zurecht“, sagt sie lachend. Auch Multitasking gehöre zu den Talenten einer Mutter sowie die Eigenschaft, gut auf Leute aufzupassen.
Die versierten Frauen
„Es gibt keinen Mangel an Frauen in technischen Berufen, die in der Lage sind, viele verschiedene Aufgaben auf dem Schiff zu übernehmen. Es geht nur darum, die Gelegenheit dazu zu haben.“ Bill O’Hara, Rennleiter des Ocean Race, fügt hinzu, dass es einen großen Vorstoß gegeben habe, um für diese und künftige Ausgaben des Rennens ein paritätisches Geschlechterverhältnis in der Rennleitung zu erreichen.
„In der Jury sind wir 10 Personen, fünf Männer und fünf Frauen, alle sind absolute Weltklasse. Man bekommt den Job nur, weil man gut genug ist“, sagt O’Hara. Traditionell habe es der Segelsport schwer, sich gegen den Vorwurf zu wehren, „weiß, männlich und altbacken“ zu sein, weiß der Rennleiter.

Da ist zum Beispiel die Spanierin Maria Torrijo. Die Hauptwettfahrtleiterin für Strecken wie die TP52 und RC44 war auch stellvertretende Hauptwettfahrtleiterin bei den Olympischen Spielen und dem America’s Cup. In letzten vier Ausgaben des Ocean Race hat sie das In-Port-Race und den Start von Alicante aus geleitet. „Meiner Meinung nach ist Maria die beste Wettfahrtleiterin der Welt“, findet O’Hara.
Übersehen und nicht ernst genommen
Thina Qutywa, eine junge Frau aus East London, erzählte auf der Veranstaltung, dass sie nach ihrer Ausbildung zur Schiffsingenieurin einige Jahre lang durch die Welt gereist sei und in der von Männern dominierten Welt der Frachtschifffahrt gearbeitet habe. Seit 2020 arbeitet sie als Geschäftsführerin in der Bootsbranche für den South African Boatbuilders Export Council. „Ich wurde immer wieder damit konfrontiert, dass ich übersehen und nicht ernst genommen wurde.“ Sie habe genauso hart studiert wie ihre männlichen Kollegen und könne dieselbe Arbeit machen.
Andrew Pindar von GAC Pindar ist einer der Sponsoren, der sich seit mehr als 20 Jahren für eine stärkere Beteiligung von Frauen im Segelsport einsetzt. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt er. „An der 50-jährigen Regatta haben seit 1973 2.853 Segler teilgenommen. Davon waren nur 173 weiblich. Das sind etwa 6 Prozent. Das sieht in meinen Augen nicht sehr ausgewogen und sehr gleichberechtigt aus.“

Es ist also noch viel zu tun. Deshalb braucht es Frauen wie Sam Davies, Annie Lush oder Abby Ehler, die den weiten Weg für jüngere Offshoreseglerinnen wie Sanni Beucke oder Rosalin Kuiper ebnen, damit sie und viele andere zeigen können, was sie drauf haben.