War ich neulich mit einem blinden Steuermann segeln… – so könnte ein schlechter Regatta-Witz beginnen. Doch Johannes Andresen hat genau das bereits praktiziert, und er würde es immer wieder tun. Der langjährige Segellehrer und Vorsitzende beim SRSV Plön in Schleswig-Holstein ist schon mehrfach mit Sehbehinderten an der Pinne auf dem Wasser gewesen. Wozu? Um Verantwortungsbewusstsein zu stärken, Gemeinschaftsgefühl zu stiften und, ganz nebenbei, die Freude am Wassersport zu fördern.
Der Skipper war sprachlos
Eine Episode beeindruckt Johannes Andresen noch heute: „Ein Mädchen aus dem 11. Jahrgang steuerte den Kutter nach Ascheberg. Ich war mit an Bord. Die schwierigste Stelle ist die enge Passage durch das sogenannte Hellok. Auf der einen Seite liegt die Prinzeninsel, auf der anderen Seite die Insel Langeswarder.“
Einer seiner Kutterführer habe neben der Blinden gesessen und wollte sie eben in die Situation einweisen. „Die sagte plötzlich: Jetzt fahren wir aber zwischen Land durch.“ Der Segler war sprachlos. Sie hatte das Rauschen der Blätter auf beiden Seiten wahrgenommen. Sie fühlen auch die Windrichtung und den Wellengang intuitiv.

Schoten und Falle nach Gefühl erkennen
Was die alles mitkriegen! Und wir nicht – die wir glauben, sehen zu können. Eine andere Beobachtung gab es beim Tauwerk: Weil sie Schoten, Falle und anderes laufende Gut nicht optisch voneinander unterscheiden können, merkten sich die Sehbehinderten anhand von Dicke und Beschaffenheit der Taue, welche davon wann zu bedienen sind.
Andresen: „Vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen mussten auch meine Schüler viel vorausschauender segeln und rechtzeitiger kommunizieren. Zum Beispiel: In 100 Meter Entfernung kräuselt sich das Wasser – ok, aufpassen, gleich fieren! Oder: Hinter der Tonne ist eine Untiefe.“

„Ein Anleger, wie wir beide den nicht hinkriegen“
Angefangen hat das ungewöhnliche Inklusions-Projekt vor Jahren: Hannes Andresen lernte vor einigen Jahren bei einer Tagung einen Lehrer für Sehbehinderte kennen, der gern einmal mit seinen Schülern ein Segelprojekt durchführen wollte. Früher wohnten die Schülerinnen und Schüler zentral in einem speziellen Internat in Schleswig, das schon vor vielen Jahren aufgelöst worden ist.
Heute gehen sie landesweit direkt an den Orten zur Schule, wo sie auch wohnen. Durch regionale Betreuer, Lehrer und Sozialpädagogen erfahren sie eine individuelle Förderung, was für die Sehbehinderten den Unterricht erheblich erleichtert. Diese Betreuung erfolgt während des gesamten Schuljahres.

Sport-Projekte in den Schulferien
In den Ferien, speziell in den Sommerferien, werden dann eigene Fahrtenprojekte von den Betreuern durchgeführt. Im Winter werden zum Beispiel Ski-Exkursionen für Sehbehinderte und Blinde organisiert. Im Sommer gibt es Kanutouren, und alle zwei bis drei Jahre eben auch ein Segelprojekt mit dem Schüler-Ruder- und Segelverein (SRSV) Plön. Als reiner Jugendverein steht der Club allen jungen Plönern offen.

Bisher fand das Projekt achtmal statt. Neben einer Begleityacht mit Andresen und den Betreuern waren gleichzeitig zwei Segelkutter des SRSV auf der Schlei unterwegs. Dort an Bord: jeweils zwei erfahrene Kuttersegelführer und mehrere Sehbehinderte. Der Kerngedanke: Die Kutterführer übertragen im Laufe des Projekts den Sehbehinderten möglichst viele Aufgaben an Bord. So erweitern sich die Aufgabenbereiche für die Crew mit Handicap nach und nach.

70 Jahre Segelausbildung für Schüler in Plön
Die gesamte Logistik der Versorgung und Übernachtung gestaltete sich auf der Schlei als relativ schwierig. So entstand die Idee, die gesamte Veranstaltung an das Bootshaus an den Plöner See zu verlegen. Das erwies sich als genau der richtige Weg. Die Schüler zelten auf dem Gelände, nutzen den Gemeinschaftsraum und auch die dazugehörige Küche.
Der SRSV hat mehr als 70 Jahre Erfahrung in der Segelausbildung von Schülern. Über die assoziierte Vereinigung der Absolventen und ehemaligen Lehrer des Gymnasiums Schloss Plön, die Butenplöner, also niederdeutsch für „Draußen-Plöner“ – besteht noch heute ein großer Freundeskreis mit vielen Aktiven in der deutschen Seglerszene.