Es ist ein unbeschwerter Abend in einer dieser kleinen Strandbars unter Palmen, irgendwo an einem langen Sandstrand in der Karibik. Die Dinghys dümpeln am Strand, der dritte Rum schmeckt noch besser als der zweite, Funken steigen aus dem lodernden Lagerfeuer auf, vereinen sich über der Bucht mit den Ankerleuchten der Yachten vor nachtschwarzem Himmel.
Beschwipst und beschwingt geht es spätabends im Beiboot zurück an Bord. Und da wartet bereits das Grauen: Die Yacht ist aufgebrochen, unter Deck ist alles durchgewühlt. Wertsachen, Geld, Papiere und elektronische Geräte sind verschwunden. Restlos.

Nicht selten machen die Crews es den Tätern leicht: Auf dem Dinghy am Strand steht der Name der Yacht, das AIS an Bord ist eingeschaltet und verrät die Position des Bootes. Am Nachmittag hatten die Täter sich bereits einen Überblick verschafft und waren zur Begrüßung an Bord gekommen. Freundliche Einheimische, die mit ihrem kleinen Boot längsseits gingen.
Ein paar Minuten Smalltalk, ausreichend um die Lage zu sondieren. Keine Kameras, keine Sensoren, kein Hund, die wohl effektivste Alarmanlage auf Booten. Am Strand beobachtet ein Späher die Crew. Die Bestellung zur dritten Runde ist das Startsignal für die Räuber. Mindestens eine halbe Stunde haben sie nun ungestört Zeit auf Diebeszug zu gehen.
Die Gefahr lauert in Ankerbuchten
Die größte Gefahr für Segler, Opfer von Überfällen oder Diebstählen zu werden, lauert in Ankerbuchten. Das Piraterie-Präventionszentrum (PPZ) der Bundespolizei rät daher zu einer speziellen Sicherung des Bootes. Nicht immer verlaufen Überfälle auf Yachten so glimpflich wie der geschilderte Fall, in dem niemand körperlich zu Schaden kam. Manchmal schrecken die Diebe auch nicht vor bewohnten Booten zurück. „Die Täter werden immer skrupelloser“, sagt Jörg Flackus vom PPZ beim Online-Seminar für Weltumsegler.

Meist hätten die Täter es allerdings auf „schnelle Beute“ abgesehen: das Dinghy, den Außenborder, Bargeld oder Wertsachen. Je zeitaufwendiger der Überfall ist, desto geringer ist das Interesse der Täter. Deshalb sollten Dinghy und Außenborder beispielsweise mit Stahlseilen am Boot gesichert werden, das Eindringen in das Boot erschwert werden. Luken und Türen müssen verschließbar sein.
Sensoren und Bewegungsmelder an Deck und Niedergang, die akustische oder optische Signale auslösen, können Einbrecher abschrecken, ebenso wie Kameras. Gitter vor Luken und Niedergang erschweren Dieben ihr Vorhaben. Für den Fall, dass die Täter dennoch ins Boot eindringen, empfiehlt Flackus, ein paar Fake-Wertsachen leicht auffindbar zu positionieren: etwas Bargeld, ein altes Smartphone, eine billige Uhr.
„Die Täter“, sagt Flackus, „stehen unter enormem Stress, manchmal unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Sind nervös, haben Angst gefasst zu werden. Der Zeitdruck ist groß. Haben sie Beute gemacht, verschwinden sie meistens schnell wieder.“
Die Lage checken
Die Gefahr für Segler, Opfer eines Überfalls zu werden, ist regional sehr unterschiedlich. Deshalb empfiehlt das PPZ sich vor Reisebeginn sehr genau über die Lage vor Ort zu informieren. Gute Quellen sind Webseiten wie „Noonsite“ oder „Caribbean safety and security net“, ausländische Medien, die Trans-Ocean-Stützpunkte und natürlich auch das PPZ in Neustadt, per Mail oder Telefon.

Die wohl aktuellsten Quellen sind jedoch die Segler-Communities in den jeweiligen Ländern. Auch rät das PPZ, das Auswärtige Amt zu kontaktieren und sich im Vorfeld in der sogenannten Elefand-Liste (Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland) online einzutragen. Für Notfälle sollten bereits Ansprechpartner in den Häfen, bei den deutschen Auslandsvertretungen sowie Behördenvertreter in den Ports of Entry identifiziert werden.
Das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) Bremen ist zudem rund um die Uhr erreichbar und steht in Kontakt zu allen weltweiten MRCC. Der Notruf 911 zur lokalen Polizei und Küstenwache ist weltweit gültig.
Drei Überfallarten
Die Pirateriebekämpfer aus Neustadt unterscheiden drei Arten von möglichen Übergriffen auf Yachten. Die häufigste ist der Diebstahl. Die Täter haben es dabei lediglich auf Wertsachen abgesehen, Opferkontakt wird möglichst vermieden. Beim Raubüberfall gehen die Täter wenig zimperlich vor. Sie nehmen Gewalt gegen die Crew in Kauf oder setzen sie bewusst ein, um an die Wertsachen zu kommen. Die dritte Kategorie ist die Geiselnahme.