Sie kommt nur selten vor, ist aber die gefährlichste, vor allem, wenn die Täter, wie oft in Südostasien, mit der Erpressung politische Ziele verfolgen. „Zu 80 Prozent“, sagt Flackus, „enden diese Fälle nicht gut.“

Die besseren Argumente
Wenn irgend möglich, sollten Segler verhindern, dass die Angreifer auf See an Bord kommen. „Beobachten Sie aufmerksam die Umgebung“, rät Flackus. Nähert sich ein Boot mit verdächtigen Personen einer Yacht, sollte der Skipper versuchen, auszuweichen und im besten Fall zu fliehen.
Reagiert das andere Boot weder auf Funksprüche oder Handzeichen, dass es Abstand halten soll, sollte sofort der Vorfall über Funk gemeldet werden. Im Falle eines offensichtlichen Angriffs muss ein Notruf erfolgen.
Zur Abwehr von Angreifern könnten laut PPZ verschiedene technische Maßnahmen ergriffen werden – wie beispielsweise ein Weidezaungerät, das die Reling unter Strom setzt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass das Gerät geerdet werden muss. Ein Nebelgerät, wie es auch in Diskotheken zum Einsatz kommt, kann unter Deck die Angreifer orientierungslos machen.
Das kann es der Crew ermöglichen, sich in einen gesicherten Raum zurückzuziehen, falls das Schiff diese Möglichkeit zulässt. Hinzu kommt ein psychologischer Effekt. Die Angreifer könnten aufgrund der wortwörtlich unübersichtlichen Lage die Flucht ergreifen.

Auf größeren Booten empfiehlt das PPZ den Einbau eines gesicherten Raums. Im Idealfall sollte dieser Raum aus kugelsicherem Material und sicher von innen zu verschließen sein. Allerdings ist das Material schwer: 1,5 Quadratmeter wiegen etwa 60 Kilogramm. Beim Einbau eines Schutzraumes sollte unbedingt an eine Außenantenne gedacht werden, um das Satellitentelefon nutzen zu können, auch sollte der Raum mit Verpflegung und vor allem einer Luftzufuhr ausgestattet sein.
Waffen? Nein!
Einen Angriff abzuwehren, indem die Crew versucht mit Leuchtmunition die Angreifer zu treffen, sieht Flackus kritisch. „Im Zweifelsfall haben die Angreifer die besseren Argumente“, sagt Flackus lakonisch. „Die sind oft schwer bewaffnet. Und haben auch wenig Hemmungen die Waffen einzusetzen.“ Einige der Seminarteilnehmer wollen von der Bundespolizei ihre Meinung zum Mitführen von Waffen auf Langfahrt wissen.
Die Antwort ist deutlich: „Die Meinung der Behörde zum Mitführen von Waffen ist ganz klar: Nein!“ Allerdings müsse das jeder Skipper für sich entscheiden, sofern er die Berechtigung zum Führen einer Waffe habe.

Doch Flackus gibt zu bedenken: „Wenn Sie eine Waffe einsetzen, müssen sie mit Gegenfeuer rechnen. Ich weiß nicht, ob sie das riskieren wollen.“ Zudem sei das Waffenrecht in jedem Land anders, Waffen seien in jedem Land beim Einklarieren anzugeben – manchmal sei das ein riesiger behördlicher Aufwand bis hin zum Konfiszieren der Waffe beim Ausklarieren. Ein Seminarteilnehmer gibt zu Bedenken, dass selbst das Mitführen von Pfefferspray in einigen Ländern strikt verboten ist und bei Zuwiderhandlung zu drakonischen Strafen führen kann.
Was tun im schlimmsten Fall?
Manche Ereignisse können nicht verhindert werden, aber das rechtzeitige Auseinandersetzen mit dem Ernstfall ist Teil der Lösung! Ein Credo, dem das PPZ einen ganzen Seminarblock widmet. Wie verhalte ich mich also, wenn mein Boot angegriffen wird? Zunächst gilt auch hier: Die mentale Vorbereitung ist alles! Deshalb rät das PPZ einige Szenarien im Vorfeld durchzuspielen und alle Crewmitglieder zu instruieren. Dazu zählt beispielsweise, dass jedes Crewmitglied, auch Kinder, in der Lage sein sollten, über Funk einen Notruf abzusetzen.

Sind die Täter einmal an Bord, rät das PPZ zu einem kontrollierten Verhalten gegenüber den Piraten. Will heißen: Nicht den Helden spielen! Vielmehr sollte die Crew die Anweisungen der Täter befolgen, einen „Sprecher“ festlegen, aufgeschlossen bleiben und – wenn möglich – gelassen reagieren. Denn eine Kooperation stabilisiert die Situation.
Die graue Maus
Die beste Strategie, um die Situation an Bord zu deeskalieren, ist laut Bundespolizei die „Graue Maus“. Und die bedeutet: Sie fallen ab sofort nicht mehr auf. Sie halten sich im Hintergrund. Überleben ist alles!
So schwer es auch sein mag, wichtig ist, Ruhe zu bewahren. Denn nicht nur die Opfer stehen unter enormem Stress, sondern auch die Angreifer. Das PPZ rät dazu, an eine regelmäßige Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit zu denken, das erhält die Vitalität.
Auch sollten die Fluchtchancen sorgsam überprüft werden. Wie groß sind die Chancen, dass eine Flucht überhaupt gelingen kann? „Vergleichen Sie das Risiko mit den Erfolgsaussichten“, rät die Polizei. Denn: „Sie haben meist nur einen Versuch!“

Sind Kranke an Bord, die auf Medikamente angewiesen sind, sollte das den Angreifern mitgeteilt werden. „Befolgen Sie Anweisungen und sprechen Sie nur, wenn Sie dazu aufgefordert werden. Beginnen Sie keine Streitgespräche, machen Sie keine Vorschläge oder versuchen zu beraten. Gehen Sie respektvoll mit den Tätern um. Bleiben Sie geduldig!
Versuchen Sie nicht, die Geiselnehmer zu manipulieren oder auszutricksen. Seien Sie ein guter Zeuge! Wichtig ist, ohne unnötige Angst auf Situationen gefasst zu sein und ‚mitzuspielen’.“ Das sind die Ratschläge der PPZ für den worst case, den schlimmsten denkbaren Fall. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, entführt zu werden, gering ist, sollten sich Segler dennoch auf diese Eventualität vorbereiten.
Todesfall an Bord
Der Alptraum eines jeden Seglers auf Langfahrt ist der Tod eines Crewmitglieds. Ob durch Gewalt, Unfall oder einen natürlichen Umstand. Besonders schlimm ist es, wenn es den Skipper trifft und die Crew das Boot nicht alleine steuern kann – beziehungsweise nicht einmal einen Notruf absetzen kann, da der Satellitenempfang nur mit dem Smartphone des Skippers verbunden ist, der den Code aber mit in den Tod genommen hat. Ein echter Fall!