Als unser großes Abenteuer haben wir die Atlantik-Überquerung angepeilt. Aber erst mal müssen wir unsere Dilly-Dally aus der Ägäis heraussegeln – mitten im Meltemi. Wir sehen rot. In allen Schattierungen. Mal nur ein helles Rot, meist aber ein bedrohliches dunkles Rot mit Nuancen von Schwarz. Morgen, übermorgen und auch für den Rest der Woche. Die Windvorhersage kennt nur eine Prognose: Sturmböen mit bis zu 40 Knoten sollen über die Ägäis peitschen.
Wir liegen immer noch in Kos, den dritten Tag bereits. Durch die Probleme beim Auschecken in der Türkei, die uns zwei Wochen gekostet haben, haben wir die Meltemi-Saison komplett erwischt. Weiter abwarten geht nicht. Der Meltemi weht bis in den September. Wir müssen da durch. Irgendwie.
Und so entscheiden wir uns, jedes noch so kleine Wetterfenster zu nutzen, um uns von Insel zu Insel zu hangeln. Immer Richtung Nordwest, Richtung Athen. Und das bei einer steifen Brise aus Nord. Sobald die Windvorhersage deutlich unter 30 Knoten in Böen zeigt, wollen wir weiter. Morgen ist so ein Tag. Unser Tagesziel ist die Insel Kalymnos. Knapp 30 Meilen sind es nach Emporios, einer Bucht im Norden, die einen sicheren Ankerplatz für die Nacht verspricht.

Die Boote tanzen Schwanensee
Je mehr wir uns den Inseln nähern, um so heftiger werden die Fallwinde. Über 30 Knoten zeigt der Windmesser, die Wellen tragen weiße Bärte. Doch die schwere Moody 425 zeigt sich unbeeindruckt. Auf Kalymnos erwartet uns eine herrliche Bucht. Vor einem weißen Sandstrand wollen wir ankern, doch auch im zweiten Versuch greift der Anker nicht zu 100 Prozent. Also entscheiden wir uns für eine der Mooringbojen, die vor dem kleinen Ort liegen und einen stabilen Eindruck machen. An den anderen Bojen schwoien große Katamarane, da wird unser 12,70-Meter-Boot auch Halt haben.
In der Nacht und am frühen Morgen heult der Wind von den Bergen, lässt die Boote an den Bojen wie Ballerinas den Schwanensee tanzen. Wieder über 30 Knoten Wind. Die Windvorhersage spricht von gerade mal 20 Knoten. Wie wird es dann wohl draußen sein? Zumal wir auf dieser Passage keinen Wellenschutz von anderen Inseln zu erwarten haben. Und so entscheiden wir uns für einen weiteren Tag in dieser beschaulichen Bucht mit zwei, drei netten Restaurants. Auch die meisten der anderen Yachten bleiben.

Den haben wir auch nötig, denn auch auf dieser Fahrt weht es gewaltig. In der östlichen Ecke der Bucht hat die Familie 13 Mooringbojen gesetzt. Für neun Euro darf man drei Tage bleiben. Allerdings, so lesen wir vor der Ankunft, seien die Bojen meist besetzt. Die Alternative ist, auf der anderen Seite der Bucht zu ankern, was in Anbetracht des Meltemi wenig reizvoll ist. Oder wir müssen weiter. Doch die nächste Insel ist 30 Meilen entfernt.
Viel Ruhe, kein Empfang
Um so erfreuter sind wir, als wir durchgeschüttelt die Bucht erreichen, dass nur eine weitere Yacht dort festgemacht hat. Im Laufe des Nachmittags finden noch fünf weitere Boote ihren Weg auf die abgeschiedene Insel. So herrlich die Abgeschiedenheit auch ist, sie hat aber ein Manko. Es gibt keinen Mobilfunkempfang, um die aktuellen Wetterdaten abzurufen. Das heißt, an einer einzigen Ecke neben der Taverne wehen manchmal Signale vorbei, wie das Familienoberhaupt erklärt. Und die wollen wir einfangen.

Levitha ist ein Highlight auf unserer bisherigen Reise. Gerade nach dem übervollen Kos mit seinen sonnenverbrannten Touristenscharen tut die Ruhe gut. Zudem ist die Ankerbucht optimal vor Meltemi geschützt, Fallwinde gibt es nicht, da die Insel sehr flach ist.

Dusche statt Party
Die anderen Boote verlassen schon am frühen Morgen die Bucht. Sie alle legen Kurs Südost an, segeln also in die Gegenrichtung. An diesem Tag werden wir das einzige Boot bleiben. Der Familienvater zuckt am Abend mit den Schultern.
„Dieses Jahr ist der Meltemi besonders schlimm“, klagt er. Normalerweise seien zu dieser Zeit alle Bojen belegt. Dieses Jahr kämen manchmal tagelang gar keine Boote.