Der Wiederaufbau des 113 Jahre alten Albert-Strange-Rennkutters Tally Ho geht ins fünfte Jahr. Der Holzbootsbau an Rumpf, Deck und Innenraum ist weit fortgeschritten. Leo Sampson Goolden kann nun mit seinen zwei festangestellten Bootsbauern und zwei freiwilligen Helfern an die Installation der Technik gehen. Er setzt dabei auf europäische Produkte: Energie-Management von Victron sowie Stevenrohr und Welle von Vetus aus Holland. Der Variprop-Propeller von SPW kommt aus Deutschland. Leos Spezialisten Dylan (Feinmechanik), Joe (Schiffstechnik) und Tyson (Elektro-Installation) hingegen sind echte Boots-Handwerker aus Port Townsend.
Voller Erwartung reißt Leo den Karton von Aquadrive auf. Darin finden sich die zwei Teile, Gleichlaufgelenk (CV-Joint) und Axial-Lager (Thrust Bearing), eine Spende der Firma Aquadrive aus New Jersey. Mit diesen zwei feingearbeiteten Teilen wird die Propellerwelle mit dem Getriebe des Motors verbunden. Die Verbindung muss durch das Gleichlaufgelenk nicht genau in Linie stehen.

Das Axial-Lager ruht in einer großen Edelstahlaufnahme, die Leos Kumpel Dean aus Seattle konstruiert und gebaut hat. Durch diese Halterung werden die Vibrationen minimiert und vom Getriebe ferngehalten. Keine Frage, dass es 100 Prozent genau passt.
Klassisch ist am besten
Auch das Stevenrohr und die Welle werden jetzt montiert, am hinteren Ausgang mit einem wassergeschmierten Gummilager, am vorderen Ende mit klassischer Stopfbuchse. Leo gefällt dieses klassische System am besten, es ist wenig störungsanfällig und am wartungsfreundlichsten. Um alles vernünftig zusammenzufügen, muss aber noch mal Dylan, der Mann mit den Drehbänken, ran: Er hat seine Maschinenbau-Werkstatt direkt hinter dem Tally-Ho-Schuppen.

Er ist der Künstler, der die speziellen Arbeiten präzise ausführen kann: genaues, sauberes Ablängen der Wellen und Einfräsen einer Keilnut inklusive Nutenstein mit Gewinde zum leichten Rausziehen und Einbohren einer kleinen Halteschraube. Gut, wenn man solche Freunde hat. Nur ein Halteflansch in dem ganzen Gefüge ist aus Stahl gefertigt, Patty muss ihn mit rostschützender Epoxy-Grundierung in Cremefarben streichen und macht seine Jokes dabei.
Untenrum dicht
Zum Schluss kommt das teuerste Teil: der vierflügelige selbstjustierende Variprop-Propeller von SPW aus Bremerhaven. Diese feinmechanischen kleinen Wunderwerke werden individuell für jedes Schiff berechnet. Leo und seine hilfreichen Geister haben sich natürlich viele Gedanken darüber gemacht und ihre Computer gefüttert: Herausgekommen ist dieser kompakte vierflügelige Prop. Der optimale Steigungswinkel der Blätter wird voreingestellt, kann aber leicht nachjustiert werden. Beim Segeln balancieren sich die Gawn-Profilblätter automatisch in den geringsten Schleppwiderstand. Bei Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt stellen sich die Blätter in die optimale Steigung ein.

Zur Stromgewinnung über die Welle muss Leo sie in Rückwärtsstellung arretieren. Er schraubt den dicken Prop mit einer einzigen dicken Spezialmutter fest – Fix and Play, so einfach ist das. Kosten? Darüber spricht er nicht, war wohl keine Spende, aber durch Tally Hos weltweite You-Tube-Präsenz verfügt er ja über ein ordentliches Budget. Als alles montiert ist, strahlt er mal wieder über alle Backen: Nun ist Tally Ho untenrum dicht. Sie könnte sofort ins Wasser gesetzt werden und losfahren. Decksaufbauten, Luken und Cockpit fehlen allerdings noch. Ein kleiner Arbeitsschritt, ein Riesenschritt für Leos Langzeit-Bootsbau-Projekt.
Gib Gummi!
Ganz unten in der Bilge fließt das Wasser zum tiefsten Punkt, dem Sumpf. Dort endet meistens der Ansaugrüssel der Bilgepumpe. Um dorthin zu gelangen, muss das Wasser aber erst einmal neben dem Kielbalken unter den Bodenwrangen durchlaufen. Dafür lässt man Löcher frei, die Nüstergatten (Limberholes). Da sie zum Verstopfen neigen, hat Volunteer George die ehrenvolle Aufgabe je eine Messingkette Backbord und Steuerbord von vorne bis hinten durch diese Gatten zu ziehen, die Limberhole Chain. Am Ende ist sie jeweils mit einem Stück Gummileine (bungee cord) versehen, um die Löcher durch einfaches Ziehen an einem Ende frei zu halten. George sieht aus wie ein echter Gangster-Rapper mit der goldglänzenden Kette um den Hals.

Klappern gehört zum Handwerk
Leo ist sehr dankbar, dass er eine weltweite Gemeinde von Förderern und Bewunderern hat. Dafür produziert er mit viel Aufwand seine Videos, die inzwischen das Projekt voll finanzieren.
Doch Besucher auf der Werft muss er schweren Herzens abweisen. Sie würden ihn und sein Team zu sehr von der Arbeit abhalten. Umso mehr freut er sich, einen Tag der offenen Tür anzubieten. Gelegenheit dafür hat ihm das Port Townsend Wooden Boat Festival Anfang September gegeben.