Das Interieur-Team baut die Tally Ho technisch modern und ästhetisch klassisch aus. Unterstützt werden Patty, George und Nic von zwei Neuzugängen. Die legen fleißig und kreativ Hand und Hirn mit an. Für die Lacher sorgt Patty.
Vor 114 Jahren lief der Albert-Strange-Rennkutter bei Stow & Son in England zunächst unter dem Namen Betty vom Stapel. Nach einem abenteuerlichen Leben fiel er gute 100 Jahre später unter dem Namen Tally Ho dem Segler und Bootsbauer Leo Sampson Goolden für einen Dollar in die Hände.
Seit bald sechs Jahren ist Leo mit einem „Haufen fantastischer Menschen“ dabei, das alte Boot komplett neu zu bauen. Während der Metamorphose wird das alte und verrottete Holz durch neues ersetzt. Die Tally Ho sieht von außen fast genauso aus wie damals beim Stapellauf.
Historisch undogmatisch
Der Innenausbau entsteht nach moderneren Gesichtspunkten und ist komplett durchgeplant. Die Technik, nach der Maschine, Elektrosystem, Klempnerei konstruiert sind, war vor einem Jahrhundert noch nicht erfunden. Trotzdem wird der Innenraum klassisch. Eine echte Hybrid-Replik der alten Tally Ho, die langsam ihrer Vollendung entgegengeht.

Aber genau das macht den Reiz dieses Projektes aus. Leo wollte diese alten Linien und das Ambiente, ein hohes Gaffelrigg mit selbstgefertigten Blöcken und ohne technischen Schnickschnack wie elektrische Winschen an Deck, dafür ein sicheres Schiff mit moderner Betriebstechnik.
Er ist wahnsinnig kreativ und versteht sowohl die Planung als auch sein Handwerk. Leo holt sich Rat bei allen Spezialisten, die er über sein riesiges Netzwerk erreichen kann, und hat einige sehr gute Handwerker um sich geschart, die mit Spaß und Geschick ihrer Arbeit nachgehen. Kein Wunder bei einem solch wunderbaren Projekt.
Geld und Material kommt durch die zahlreichen YouTube-Follower und Unterstützer herein. Port Townsend ist genau der richtige Ort für ein solches Projekt, denn hier ist ein Sammelpunkt für qualifizierte Boots- und Schiffshandwerker, die sowohl Yachtbau als auch Arbeitsschiffbau können.
Neu im Team
Neu im Team ist Raquel. Sie versteht sich aufs Filmen, Schneiden und den Umgang mit Social Media. Mit ihren blauen Haaren und dem Berner Sennenhund Django passt sie genau ins Team. Sie freut sich, dass Patty so ein fotogener Typ ist und sie mit seinen Sprüchen und seiner lockeren Art immer wieder zum Lachen bringt, auch noch beim Editieren des Film-Materials. Für Leo, der einmal berichtete, dass er bis zu zwei volle Tage und eine Nacht mit dem Bearbeiten der Videos verbringt, ist sie eine echte Entlastung.

David, der Lackierer aus Florida, liebt einfach die Arbeit an schönen Schiffen. Dabei hat er sich auf das Finishing spezialisiert und ist ein Künstler an Pinsel und Rolle. Er quetscht sich in die kleinsten Ecken, schleift und streicht, bis alles glänzt wie poliert.
Dabei ist gerade das „Naturlackieren“, also die Beschichtung mit Klarlack, eine Kunst für sich. Je mehr Schichten man aufbringt, umso tiefer wird der Glanz. Das nimmt einen großen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Denn dazwischen kommt immer wieder ein Zwischenschliff und das Entstauben. Die Lackier-Räume sollten weitgehend staubfrei sein, damit die Lack-Beschichtung wie eine Glasur wirkt. Patty und David gackern beim Lackieren im Team, als wenn die Lösungsmitteldämpfe Marihuana-Qualm wären.
Zu 98 Prozent gut
Seit Wochen ist Youngster George dabei, die Sitzecke im Salon zu bauen. Gerade hat er die Sitzfläche und die Rückenlehne fertiggebaut und alles weiß lackiert.

Das hintere Stück kann schon fest mit den Spanten verschraubt werden. Überall gibt es Klappen mit Staufächern, dahinter denn Schapps. Von denen kann man nie genug haben. Die Sitzfläche wird später montiert, hier werden noch Kabel gezogen und Schläuche für die Warmluft-Heizung verlegt.
Für gemütliche Wärme im Salon sorgt indes ein Bollerofen, wenn es draußen kalt wird. Für das Schapp, in dem das Brennholz verstaut wird, hat George einen massiven Kirschholzdeckel gebaut – selbstverständlich hochglanzlackiert. Er ist mit sich und seine Arbeit zufrieden, zu 98 Prozent ist alles gut gelaufen, aber kleine Fehler passieren auch ihm.
Patty ist nervös
Die Küchenzeile in der Galley (oder Pantry) ist der Spiel- und Arbeitsplatz von Patty. Die Unterschränke mit Aufnahme für Kühl- und Gefrierschrank, Herd und Natursteinspüle sind fertig. Nun schneidet er die Arbeitsfläche (Countertop). Das macht ihn etwas nervös, vor allem wenn Raquel ihn dabei filmt. Er ist zwar Öffentlichkeit gewohnt, möchte aber bloß keine Fehler machen. Vielleicht ist er aber auch ein bisschen verliebt …

Seine Kirschholz-Arbeitsfläche (wo nehmen sie nur das viele Kirschholz her?) mit den genau passenden Ausschnitten und vormontierten Schlingerleisten hat er auch zigmal lackiert vor dem „Trockeneinbau“. Alles passt natürlich genau, wie es soll. Mit dem Modellaufbau der edlen Messingarmatur kriegt die Galley auch schon richtig Gesicht. Es gibt natürlich wieder jede Menge Schapps mit Klappen und sogar einen gelochten Edelstahl-Halbbogen, in dem man den halbkardanischen Herd bei langen Schlägen fixieren kann, damit der Truthahn nicht aus der Bratröhre fliegt.
Nun sind die Hängeschränke dran. Doch vorher muss Patty noch in der Navigations-Ecke arbeiten. Neben der Frontplatte für den Navy-Schrank aus Kirsche baut er eine Blende zum Schutz der Navy-Elektronik aus dem GFK-Verbundwerkstoff G10. Den gab es 1909 genauso wenig wie Plotter, UKW und GPS.
Eiche im Quartiersschnitt
Nachdem er im Frühjahr schon die Eingangstür für den Rumpf gebaut hat (Tally-Hos Aprilscherz), beschäftigt sich Nic jetzt mit den Türen für Headroom (vulgo Toilette) und Achterkabine. Nach bester Zimmerermanier baut er sie in Kassettenbauweise. Das Eichenholz dafür ist im Quartiersschnitt (Quartersawn) aus dem Stamm geschnitten. Dadurch hat man fast stehende Jahresringe, wodurch sich das Holz nicht verziehen kann. Außerdem schafft dieser Schnitt eine sehr schöne Maserung.

Nachdem er die Türen verzapft, besäumt und geschliffen hat, ist der Navi-Sitz dran. Ein sehr schönes Stück mit einem außengerundeten Eckpfosten mit X-förmigem Profil mit vielen Nuten. Es passt wie alles andere haargenau und Nic ist ein bisschen stolz darauf.
Rundholz von der Heilsarmee
Rundholz ist alles auf einem Boot, was – naja – rund ist. Also Mast, Baum, Gaffel, Bugspriet, Spibaum, Riemen und Peekhaken. Das sind die Teile, die Leo beim Northwest Maritime Center bauen lässt. Ein Sponsor wollte dafür zahlen, ist aber leider wieder abgesprungen. Aber auch das kriegt Leo noch ins Budget.

Dafür sind die Jungs dort absolute Spezialisten und bauen ein echtes Edelrigg aus Sitka Spruce. Bis auf den Bugspriet, den baut Bruce aus einem Heilsarmee-Flaggenmast aus Douglasie aus dem vorletzten Jahrhundert, älter als die Original-Tally-Ho.
Doch darüber mehr in der nächsten Episode. Leo ist wie immer zufrieden mit den Arbeitsfortschritten und freut sich auf sein Open Ship während des Wooden Boot Festivals am zweiten September-Wochenende. Das war’s mal wieder für dieses Mal, Tally Ho wächst und gedeiht: „A huge thank you and see you next time, Cheers.“