Sie lagen gut platziert im Southern Ocean hinter Holcim PRB auf dem 2. Platz und segelten mit rund 25 Knoten in dieser härtesten und längsten Etappe des The Ocean Race, als die Crew an Bord der Guyot environnement – Team Europe heute morgen um 7:30 Uhr Ortszeit plötzlich zwei aufeinanderfolgende knackende Geräusche unterhalb des Cockpits wahrnahmen.
„Ich kam gerade von der Wache und versuchte, meine Klamotten auszuziehen. Es war schwierig, weil wir in ziemlich hohen Wellen unterwegs waren. Ich wollte mich gerade hinlegen, als ich sah, wie sich auf der anderen Seite ein Koffer bewegte, den wir am Boden festgeschnallt hatten. Ich dachte zunächst: Vielleicht bin ich ein bisschen paranoid. Aber dann sah ich wieder, wie er sich bewegte. Also ging ich rüber und hörte Geräusche von Delamination. Ich habe Ben alarmiert und Charles geweckt. Leider konnten auch sie es hören. Als ich meine Hand auf den Boden legte, spürte ich, wie er sich auf und ab bewegte“, berichtet Annie Lush von dem Moment, in dem sie den Schaden bemerkte.

Benjamin Dutreux erinnert die Situation so: „Wir verlangsamten sofort das Boot und versuchten zu verstehen, was passiert war. Tatsächlich sah ich, dass sich der Boden auf der Backbordseite des Rumpfes stark bewegte. Wir holten die Segel ein und versuchten, eine ruhige Position zu finden, was bei dem starken Seegang mit Wellen von sechs bis sieben Metern nicht einfach war. Dann kontaktierten wir das technische Team, das die Bootskonstrukteure anrief, um zu erfahren, was sie davon hielten.“
Gemeinsam kamen sie zu dem Schluss, dass es sich um einen Bruch im Sandwich-Laminat handeln muss. „Angesichts der aktuellen Position des Bootes und der Entfernung zum nächsten Hafen in Itajaí ist es deshalb für die Sicherheit der Besatzung besser, nach Kapstadt zurückzukehren“, folgerte Thomas Cardrin, der technische Direktor von Guyot environnement – Team Europe, der aktuell in intensivem Kontakt zum Team steht. Sobald das technische Team das achtjährige und älteste Boot im Rennen einer detaillierten Inspektion unterzogen hat, kann ein Aktionsplan für die Reparaturen erstellt werden.

„Für Ben und mich ist es das erste Mal, dass wir in einem Offshore-Rennen nach Hause zurückkehren müssen. Es ist eine große Etappe und wir haben uns darauf gefreut. Wir waren in einer starken Position und die Stimmung an Bord war sehr gut und wir haben das Rennen genossen. Es gibt nichts, das wir jetzt tun können, außer zu versuchen, so schnell und so sicher wie möglich zurückzukommen und den Schaden zu begutachten und zu sehen, was als nächstes passiert. Aber zum Glück ist es nicht die Vendée Globe, es ist ein Rennen mit mehreren Etappen. Wir werden zurückkommen – sobald wie möglich,“ sagt Annie Lush hoffnungsvoll.

Alle Crew-Mitglieder (Benjamin Dutreux, Robert Stanjek, Sébastien Simon, Annie Lush und Onboard-Reporter Charles Drapeau) sind unverletzt und sicher. Das Team segelt die etwas mehr als 600 Seemeilen jetzt zurück nach Kapstadt. Die Wetterbedingungen sind günstig, vor ihnen liegt ein Hoch, das ihnen ruhigeres Segeln ermöglicht. „Wir segeln gedrosselt mit 8 kn Fahrt Richtung Kapstadt. Alle Schotten im Schiff sind geschlossen. Für den Extremfall ist alles griffbereit. Wir verbleiben im Wachsystem, um die Yacht nicht zu belasten zurück nach Kapstadt“, so Robert Stanjek. In drei bis fünf Tagen werden sie dort erwartet.
Dann machte es zweimal Knack
Für den Co-Skipper Stanjek, der seine Premiere im The Ocean Race segelt, platzt mit der Aufgabe dieser Etappe ein großer persönlicher Traum, der ihn lange angetrieben hat. Die Rückkehr nach Kapstadt ist für den Berliner eine bittere Pille: „Es ist sehr enttäuschend, diese Königsetappe aufgeben zu müssen. Wir sind sehr gut gesegelt und die Mannschaft hatte eine sehr positive Konzentration. Gerade nach den beiden ersten Etappen hatten wir gehofft, dass das Pech mal abgeschöpft ist und wir endlich unser Potenzial zeigen können. Dann machte es zweimal Knack!, und innerhalb von Sekunden hat sich das Vorhaben umgekehrt. Sport ist manchmal so brutal.“

Trotz aller Enttäuschung gilt der Fokus nun der aktuellen Situation: „Wir haben die delaminierte Stelle stark mit Ausrüstungsteilen beschwert, damit der Sandwichboden nicht so starkes Spiel hat und von den Wellen durchgedrückt wird.“
Alle Vorkehrungen zu einer eventuellen Evakuierung der Yacht sind getroffen. Die Rennleitung ist alamiert und involviert. Falls sich die Situation verschlechtern sollte, könnte ein Helikopter das Team abbergen. Die Stimmung an Bord ist trotz des tiefen Rückschlags hoffnungsvoll. Möglicherweise kann das Team doch noch wieder in das Rennen einsteigen.