Am Wochenende fand das Trainingswochenende Go4Speed des Deutschen Segler-Verbands in Kiel statt. Daran nimmt die ganze deutsche Hochseeflotte teil – alle, die sich auf die kommende Saison vorbereiten wollen. Wie das erste Regatta-Training für die Tutima-Crew gelaufen ist, hat float von Kirsten „Kirsche“ Harmstorf-Schönwitz, Skipperin der Tutima-Frauencrew, erfahren.
float: Kirsten, Du kommst gerade zurück aus Kiel. Wie ist es gelaufen?
Kirsten: Windig, sehr windig! Wir hatten 18 bis 23 Knoten bei 6 bis 8 Grad Celsius. Wir sind Kurzwettfahrten gesegelt und hatten ganz schön zu kämpfen. Insgesamt war es erfolgreich – ein sehr professionelles Training, von North Sails organisiert, mit abschließender Videoanalyse. Ein toller Auftakt, wir haben eine Menge mitgenommen. Das können wir nächste Woche gleich auf der MaiOR anwenden.

float: Wie sieht euer Regattaplan für dieses Jahr aus?
Nächstes Wochenende ist die MaiOR-Regatta, die Mai-Offshore-Regatta, die der Kieler Yachtclub jedes Jahr ausruft. Das ist die erste Regatta der Saison, bei der wir uns drei Tage lang einsegeln. Danach soll es rund Fünen gehen, eine Mittelstrecke – nonstop um Fünen rum, mit Nachtsegeln, was spannend ist, weil man in verschiedenen Wachsystemen segelt. Und dann kommt schon die Kieler Woche, die für uns ein echtes Highlight ist, weil Tutima, unser Sponsor, als offizieller Zeitnehmer auch Sponsor der Kieler Woche ist.

float: Wie kommt es eigentlich, dass Tutima ein Frauenteam sponsert?
Ich bin ja schon seit über 20 Jahren Skipperin von Frauenteams. Ich habe mit der J24 angefangen und ein Team mit sechs Mädels aufgebaut. Mit dieser Truppe sind wir 2006 in die Dickschiff-Szene eingestiegen. Zu Anfang fuhren wir auf einem 41-Fuß-Boot des Mühlenberger-Segel-Clubs in Hamburg. So sind wir in die Offshore-Szene reingerutscht. Wir waren schon damals das einzige Mädels-Team. Das haben wir ein paar Jahre gemacht und uns auch gut geschlagen.
Unser heutiges Boot, die dk46, hat Tutima 2009 gekauft. Jörg Delecate, Geschäftsführer der Tutima Uhrenfabrik GmbH suchte dann eine passende Crew. Er wollte etwas Neues, etwas anderes. Empfehlungen führten ihn zu uns. Delecate war von der Idee, eine Frauencrew zu sponsern, sofort angetan. Die Chemie zwischen uns stimmte, und wir waren uns sehr schnell einig. Zur Kieler Woche war unser Aufschlag. Wir verstehen uns super, es ist eine traumhafte Partnerschaft.
float: Worin besteht eure Partnerschaft genau?
Als reine Amateurcrew arbeiten wir im Alltag in unseren Berufen. Der Segelsport ist unser Hobby, wir haben auch keine Profi-Seglerin an Bord. Tutima stellt uns das Boot samt Equipment und die Kleidung. Wir tun alles dafür, dass wir erfolgreich segeln und gute Presse bekommen, um Tutima bestmöglich zu repräsentieren.
float: Was macht ihr denn für Aktionen?
Wir waren letztes Jahr am Tag der deutschen Einheit in Dresden und hatten unser Schiff vor der Frauenkirche aufgebockt, weil Tutima ja aus Glashütte um die Ecke kommt. Drei Tage lang haben wir locker 600 Leute übers Schiffs geführt, mit acht Mädels von morgens bis abends. Das zieht Kreise. Es freut uns, die Marke zu vertreten, wo es nur geht, und deswegen funktioniert es so gut.

float: Wie setzt sich euer Team zusammen?
Das feste Team besteht aus dreizehn Frauen, aber wir haben noch einmal so viele Mädels im erweiterten Pool, die einspringen, wenn eine beruflich oder privat verhindert ist. Je nachdem, um welche Position es geht, können wir dann aus unserem Pool eine andere Seglerin anrufen. Wir suchen auch immer wieder neue Mitglieder, damit wir genug Springerinnen haben.
float: Was macht euch als Team aus?
Eindeutig unser Teamgeist! Der nötige Ehrgeiz und die Chemie untereinander muss stimmen, um so ein Projekt über so viele Jahre erfolgreich führen zu können. Wir sind befreundet und kennen uns schon lange – und haben viel Vertrauen zueinander. Es funktioniert nur, wenn man sich aufeinander verlassen kann und keine ihr Ego beweisen muss.

Jede muss an Bord wissen und verstehen, was die andere macht und nicht nur auf sich achten. Das versuchen wir unter anderem beim Training zu optimieren. Wir nehmen auch Trainer mit, die uns coachen, wir versuchen alles zu geben. Was allerdings auch ganz wichtig bei all dem ist: Spaß haben! Das ist meiner Meinung nach der allerbeste Motivationsfaktor.
float: Seid ihr das einzige Frauenteam, das bei diesen Regatten mitsegelt?
In der größten Bootsklasse sind wir bis dato das einzige Frauenteam – soweit ich weiß auch über Europas Grenzen hinaus. Nur ganz selten sind wir bei Europa- oder Weltmeisterschaften mal auf andere Damenteams getroffen, die aber auf wesentlich kleineren Booten und somit in anderen Gruppen gesegelt sind. Dabei war auch ein weiteres deutsches Frauenteam, das im Jahr 2016 seinen Auftakt hatte.

float: Gibt es eine klassische Frage, die man euch immer wieder stellt?
Von der Presse oder Leuten, die nicht in der Szene sind, ist die Top-1-Frage: ‚So viele Frauen? Das kann doch nur Zickenterror geben.‘ Anders sind unsere männliche Segelkollegen. Da bekommen wir eher Respekt für das, was wir machen. Wenn es mal richtig kachelt, wir also viel Wind haben und uns da genauso gut durchkämpfen wie die Jungs, bekommen wir viel Anerkennung am Ende des Tages.
float: Ihr segelt mit größerer Crew, was macht ihr anders?
Wir segeln mit 14 bis 15 Frauen, eine Männercrew würde das Boot nur zu elft oder zwölft segeln. Das ist eine Frage der Muskelkraft. Am Mast, wo die Männer nur einen brauchen, haben wir zwei Mädels. Auch zum Dichtkurbeln der Genua sind zwei da, und die Großtrimmerin hat auch eine Assistentin.

float: Wie ist das Handling des Schiffs mit einer größeren Crew?
Wir haben genug Platz an Bord, und es funktioniert so gut, weil wir die Abläufe und Manöver ständig trainieren. Jeder Handgriff muss sitzen, und das müssen wir viel besser beherrschen als unsere männlichen Kollegen, damit wir uns nicht gegenseitig im Weg stehen. Wir sind drei Personen mehr an Bord. Und eine große Crew zu koordinieren, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Aber wir kennen es ja auch nicht anders, wir waren schon immer so viele. Deshalb kriegen wir das so gut hin.
float: Warum gibt es nicht mehr Frauen, die so wie ihr in Frauencrews segeln?
Es ist leider immer noch ein weiter Weg, bis Frauen als Seglerinnen genauso wahrgenommen werden wie Männer. Wenn wir bei Überführungen mit unserem großen Boot in den Hafen kommen, dann ist das oft Hafenkino. Die Leute am Steg warten darauf, dass der Mann rauskommt, um das Boot anzulegen. Sie sind offenbar überfordert damit, dass da nur Mädels an Bord rumturnen.
float: Wie ist euer Ansehen in der Öffentlichkeit?
Es ist kaum fassbar, was für eine Reichweite wir haben! Wir bekommen total viel Zuspruch, die ganze Berichterstattung ist sensationell. Als unser Sponsor selbst in Hongkong eine Regatta segelte, und das Schiff war mit Tutima gebrandet, sagte ein Australier zu ihm: ‚Tutima, das ist doch die Mädels-Crew aus Deutschland, die pinkfarbene Jacken trägt‘. Er hatte auf Sailing Anarchy etwas über uns gelesen.

<emfloat: Was habt ihr für diese Saison verändert?
Wir mussten ein bisschen umstellen, weil ein paar Mädels aufhören mussten. Wir haben seit dem Anfang der Saison eine neue Großtrimmern. Das ist schon eine große Umstellung. Und unsere Genua-Trimmerin ist seit letztem Jahr neu dabei, weil die Vorgängerin schwanger geworden ist. Das ist ja in einer Frauen-Crew ganz normal (lacht).
float: Wie lange braucht es, bis eine Position perfekt funktioniert?
Da reicht ein Jahr kaum aus. Dabei zählt jedes Training auf dem Wasser. Es ist natürlich nicht so, dass die, die schon lange dabei sind, kein Training mehr bräuchten. Aber man fängt ja auch nicht mit der ganzen Crew von vorne an. Viele fahren schon lange auf ihrer Position und nehmen die Unerfahreneren dann mit und arbeiten sie ein.
Die Crew bildet sich natürlich auch in Theorie und Sicherheit weiter. Sicherheit an Bord wird ganz groß geschrieben. Wir besuchen dafür regelmäßig das ISAF-Sicherheitstraining bei Fire & Safety Training in Elsfleth. Das zweistündige Wassertraining in Dunkelheit bei Wellengang mit Sturmgetöse und Blitzen ist zwar hart, aber dafür extrem hilfreich.
float: Seid ihr jedes Wochenende auf dem Boot?
Fast. Ich sowieso, weil ich die meisten Schiffs-Überführungen begleite. In der Sommerpause, also Juli und August, gibt es schon mal zwei, drei Wochenenden, die frei sind. In der Regel ist der Sommer durchgetaktet, und der halbe Jahresurlaub geht auch noch mit drauf.
float: Was sind eure Highlights für dieses Jahr?
Die Höhepunkte sind ganz klar die Kieler Woche und die Europameisterschaft in Danzig. Natürlich werden wir auch an anderen wichtigen Events teilnehmen, wie zum Beispiel die ‚Internationalen Deutschen Meisterschaften‘ in Warnemünde.
float: Herzlichen Dank für das Gespräch, Kirsten, und viel Erfolg in dieser Saison!