Müritzfischer – Ein Beruf in der Heimat
Röse holt ein Handy unter dem Reißverschluss seiner Jacke hervor. Diesen Schnappschuss habe er vor einigen Wochen gemacht. „Da drüben“, nickt er in Richtung einer bewaldeten Halbinsel. Am Ufer stehen Warnschilder, die mit „Lebensgefahr“ drohen. Auf dem Display erscheint eine Herde von Wisenten. Die kräftigen Urrinder stehen bis zu den Schultern im Wasser. Auf dem Damerower Werder befindet sich ein Reservat für die seltenen Tiere. In freier Wildbahn sind sie seit Jahrzehnten ausgestorben.
Mit 16 Jahren begann Röse seine Lehre bei den Müritzfischern, einem der wenigen großen Arbeitgeber der Region. Von seinen 60 Schulkameraden seien die meisten aus Waren fortgezogen. Röse wollte in der Heimat bleiben. Bei den Fischern suchte man Lehrlinge.
Während seiner Ausbildung und den ersten Berufsjahren arbeitete Röse in verschiedenen Fischereibetrieben rund um die Müritz. Er war bei der Forellenzucht und den Karpfenteichen in Boek. Zwischendurch musste er in der Fischverarbeitung ran, und er flickte Netze in Waren. Später machte er Station beim Maränenfang am Tollensesee bei Neubrandenburg. Die Müritzfischer bewirtschaften nahezu einhundert Gewässer und sind damit Deutschlands größte Fischereigenossenschaft.
Nach „Dieter“ kommt „Meister“ dran. Die Reuse heiße so, erzählt Röse, weil sie das Meisterstück eines Kollegen sei, der in ihrem Betrieb noch aktiv ist. „Den müssen wir nachher mal fragen, wann das genau war“, feixen Röse und Steffen.
Wegweiser zu den Barschbergen
Das Fischerhandwerk, weiß Röse, habe sich nach 1989 kräftig gewandelt. Vor allem das Material sei robuster geworden. Netze aus Kunststoff hätten das alte Garn abgelöst. „Ganz zu schweigen von den Bootsmotoren“, kommt es Steuermann Steffen über die Lippen. „Früher soll bei den Fischern auch viel getrunken worden sein“, setzt Röse launig nach. „Die Flasche mit Braunem soll ja schon an der „Mole“ drei Viertel leer gewesen sein.“ „Mole“ nennen sie die Reuse, die auf ihren Touren meistens als erstes angefahren wird. Kollege Steffen winkt ab und grinst in sich hinein.
Den Großteil der Arbeit leisten die Fischer heute an Land. Die Arbeitsschichten richten sich vor allem nach den Touristen. Die kommen inzwischen nicht mehr nur als Gäste des Fischimbisses mit angeschlossener Räucherei, sondern mieten sich auch in die Ferienwohnungen ein, die von den Müritzfischern aufgebaut wurden. Am Angeltourismus hängt ein intensiver Service. Gäste begrüßen, die Mietangelboote flott machen und immer wieder Angeltipps geben. Als besonderen Clou bieten die Profis geführte Touren für Hobbyangler an.
„Wer das Gewässer nicht kennt, hat wenig Chancen, einen guten Biss an den Haken zu kriegen“, erklärt Röse. „Wir zeigen den Gästen, wo die Barschberge sind und freuen uns mit ihnen über jeden kapitalen Fang. Denn dann kommen sie wieder.“
Darum wurde auch der riesige Hecht vom Morgen in die Freiheit entlassen. „Besser ist doch, den bringt einer unserer Feriengäste mit heim.“ Im Fischhandel, sagt Röse, gehe Hecht heutzutage sowieso nicht mehr so gut. Erstens, weil es ein Fisch sei, den nur die älteren Herrschaften wertschätzten und zweitens, weil von denen niemand eine so große Portion zubereiten würde. „Dann lieber als potentielle Angeltrophäe zurück damit in den See“, rechnet es Röse wie das kleine Einmaleins vor.