Wanderung im Kreis
„Das ist aber wiederum eine andere Geschichte“, erklärt Röse. Der Kölpinsee sei ein ideales Aalgewässer. Jedes Jahr werde der See mit 500.000 Jungfischen, sogenannten Glasaalen, besatzt. In den nächsten zwanzig Jahren wachsen die Aale im Kölpinsee auf bis zu 60 Zentimeter heran. Armstarke Schlangenfische, wie sie die Fischer mehrmals pro Woche auf ihren Kahn bergen.
Erst, wenn die Aale geschlechtsreif sind, wandern sie einmal halb um den Erdball bis vor die Küste Nordamerikas. Dort laichen sie ab und sterben. Die Brut der Fischlarven schwimmt innerhalb von drei Jahren mit dem Golfstrom zurück an das europäische Festland. Dort, zum Beispiel in Frankreich, wandeln sich die Larven in Glasaale. Ein Teil von ihnen landet als Fischbesatz zurück in Mecklenburg. Das ist der bemerkenswerte Kreislauf.
Als der Fischerkahn gegen Mittag in den kleinen Hafen von Eldenburg zurückkehrt, recken die Touristen am Ufer die Hälse. Steffen senkt den Blick und geht schnell vorüber. „Gleich fragen die wieder, ob wir was gefangen haben“, brubbelt er und verschwindet im Pausenraum des Fischerschuppens. Röse hingegen bleibt stehen und beantwortet dies und das. Dann nimmt auch er bei den Kollegen zwischen Spintreihen, alten Netzen und Fischkisten Platz. Mit am Tisch sitzt jetzt auch Wolfgang Ksienzyk, einer von drei weiteren Kollegen.
Der drahtige Mann im blauen Arbeitskittel hat heute Spätschicht und kümmert sich um den Räucherofen. Auch im Fischladen hilft er mit. „Nach ihm“, freut sich Röse, „ist die Meisterreuse draußen auf dem See benannt.“ Und das interessiert den jungen Fischer jetzt selbst: „Wann hast Du die gebaut, Meister?“ Der 61-Jährige winkt erst einmal ab, versucht sich aber doch noch zu erinnern. Fast vierzig Jahre müsse es her sein.
Die Angler kommen
Röse kaut wieder auf einem Pausenbrot und leert einen Pott Kaffee. „Komm Bodo, wir tragen den Fisch rein.“ Auch wenn seinem Kollegen sichtlich die Laune fehlt, unter die neugierigen Blicke der Urlauber zu treten, schiebt auch er sich an den Steg, wo noch ihr Kahn steht. Im Halbrund von Schaulustigen füllen sie den Tagesfang in große, blaue Fässer um. Röse gibt Antwort auf jede Frage – Gästebetreuung pur. Steffen schweigt eisern und ist damit ganz das Mecklenburger Original fürs Urlaubsfoto der Touristen.
Die Aale, Karpfen und Hechte werden getrennt voneinander in das alte Fischerhaus gebracht und in verschiedenen Fischkästen gehältert. Die Aale, es sind circa zehn Dutzend, bringen heute 320 Kilo auf die Waage. Ein Zander, den die Fischer in der letzten Reuse fanden, wird noch vom Boot weg verkauft. Nach Hecht fragt hier niemand.
Für Röse ist der Arbeitstag noch nicht zu Ende. Man sieht ihn noch zwei Stunden lang auf dem Fischereigelände herumflitzen.
Einmal steht er mit einer Herrenrunde vor einer großen Gewässertafel. Er erklärt den Anglern die besten Tagesausflüge mit den Booten. Dann macht sich der Fischer an die fünf Angelkähne, die im Hafen vornan liegen. Die Tanks werden mit Benzin befüllt und dann kommen schon die nächsten Gäste. Zu ihren Ferienwohnungen haben sie eines der Boote gemietet. Ob es denn etwas zu fangen gäbe, wollen sie von Röse wissen. „Ja“, sagt der. „Ich habe euch heute einen schönen Hecht übrig gelassen.“
Dieser Text stammt aus dem Magazin Seenland – dem Reisemagazin für Urlaub auf dem Boot in Mecklenburg und Brandenburg. Der Autor des Beitrags ist Robert Tremmel. Zu beziehen ist die aktuelle Ausgabe des Reisemagazin direkt im Magazin-Shop des Verlags sowie deutschlandweit im Zeitschriftenhandel.
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