Die seit wenigen Tagen insolvente A. W. Niemeyer GmbH sucht nach einer neuen Perspektive zur dauerhaften Fortführung des Geschäftsbetriebs. Angestrebt wird nach Aussage des vorläufigen Hamburger Insolvenzverwalters Stefan Denkhaus, neue Investoren für das 1745 gegründete Unternehmen zu finden. Doch schon seit Jahren ist der Hamburger Maritim-Ausrüster finanziell in schwerer See.
„Unser Ziel ist es, das Unternehmen mittels eines strukturierten Investorenprozess neu aufzustellen. Aufgrund des jetzt schon großen Investoreninteresses bin ich optimistisch, dass das gelingen wird.“ so Stefan Denkhaus. Am 23. Januar 2023 hatte die A. W. Niemeyer GmbH beim Hamburger Amtsgericht Insolvenz beantragt.
Zur Perspektive und den aktuellen Herausforderungen für den laufenden Geschäftsbetrieb von AWN sind viele Fragen offen. Ein von float an den Insolvenzverwalter übermittelter Fragenkatalog blieb inhaltlich unbeantwortet – das Verfahren sei schließlich erst drei Tage jung. Wie aus dem Pressebüro des Insolvenzverwalters zu hören ist, gelte es jetzt für den vorläufigen Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus, „diese Themen zu prüfen und zu bewerten“. Aktuell sei es „zu früh, um verbindliche Auskünfte zu geben“.
Schon zur Bekanntgabe der Insolvenz des Traditionsbetriebs hatte es erst mit einem Tag Verzögerung eine Stellungnahme gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte float bereits berichtet. Nach anderen Medienberichten waren die Ladengeschäfte zeitweilig nicht zu erreichen. Viele Mitarbeiter waren überrascht über die Mitteilung der Insolvenz.
Zur weltgrößten Bootsmesse, der zurzeit nach zwei Jahren Pandemie-Pause wieder stattfindenden boot Düsseldorf, war das Unternehmen bereits nicht mehr als Aussteller angemeldet.
115 Beschäftigte betroffen
Nach Aussage der Anwaltskanzlei soll der operative Betrieb zunächst in allen Filialen weitergehen. „Der Geschäftsbetrieb“, heißt es aus Hamburg, „läuft wie gewohnt weiter.“ In einer am Tag nach der Insolvenzanmeldung (24. Januar 2023) verbreiteten Mitteilung kündigt der Insolvenzverwalter an, man werde gemeinsam mit der Geschäftsführung „zuerst den Geschäftsbetrieb stabilisieren“. Dabei könne es „in den beiden ersten Wochen durchaus ein wenig ruckeln“. Was das bedeutet, führte der Anwalt nicht aus.
Wie die Zukunft für 115 Beschätigten aussehen wird, ist zumindest für die nächsten Wochen klar: Die Gehälter der Beschäftigten werden über Insolvenzgeldvorfinanzierung für drei Monate, also bis einschließlich März 2023, gesichert. „Für die Zeit danach ist vorgesehen, dass das Unternehmen die Gehälter im Insolvenzverfahren wieder selber tragen kann“, heißt es vom Insolvenzverwalter.
Corona als Ursache?
Aus dem Boom der Wassersportwirtschaft der vergangenen zwei Jahre hatte das 1745 gegründete Unternehmen offenbar nicht dauerhaft Kapital schlagen können – trotz einer eigenen, sehr gut besuchten Wassersportmesse im Firmensitz in Hamburg und einer Inwater-Schau an der Elbe.
Trotz häufig wiederholter Aussagen, das Geschäft laufe hervorragend, macht Geschäftsführer und Minderheitengesellschafter Christoph Steinkuhl die aktuellen Krisen für die Insolvenz verantwortlich. „Aufgrund von mehreren Corona-Lockdowns und Lieferengpässen waren viele nachgefragte Artikel erst nach Ende der Saison für unsere Kunden verfügbar“, so Steinkuhl.
Dabei war A. W. Niemeyer eines der wenigen Unternehmen, die ihre Systemrelevanz nachweisen und so den Filialbetrieb während des ersten Lockdowns aufrecht erhalten konnten. Erschwert wurde die Situation in letzter Zeit nach Aussage des Geschäftsführers „durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, insbesondere die erhebliche Kaufzurückhaltung durch Inflation, allgemeine Unsicherheit und die allgegenwärtigen Kostensteigerungen“.
Hausgemachte Probleme?
Ob nur die vielfältigen Krisen oder hausgemachte Probleme die Insolvenz verursacht haben, wird noch zu klären sein. In den Geschäftsjahr 2018 bis 2020, also vor dem Beginn der Pandemie, hatte die A. W. Niemeyer GmbH nach Angaben des Wirtschaftsinformationsdiensts North Data Verluste jeweils in Millionenhöhe ausgewiesen. 2019 gab es bei einer Bilanzsumme von 11,7 Millionen Euro einen Fehlbetrag von 3,8 Millionen Euro – also noch vor dem Beginn der Covid-Pandemie.
Nach float-Informationen hatten Lieferanten sich in den Monaten zuvor zurückgezogen. Noch kurz vor Weihnachten hatte ein Sprecher von A. W. Niemeyer die Eröffnung von zwei neuen Filialen nach Umzug angekündigt. Auch die Messe im März wurde am 19. Dezember 2022 noch angekündigt. Auch die Frage von float an den Insovlenzverwalter, ob dieses Event stattfinden wird, wurde nicht beantwortet.