Die 100. Episode seiner Videos über den Neu-Aufbau der 111 Jahre alten englischen Kutterjacht Tally Ho aus der Feder von Albert Strange nutzt Leo Sampson für einen langen Rückblick. Er gibt einen tieferen Einblick in seine aktuelle Situation und einen kleinen Ausblick auf die Zukunft der Fastnet-Race-Gewinnerin von 1927, die bald umziehen wird.
Vom Straßenmusiker zum Profi-Skipper
Der Kiel muss noch untergebolzt werden, dann ist die alte Lady reisefertig. Megan, Pete und Patrick bereiten alles vor. Und Leo erzählt in 29 Minuten die ganze Geschichte. Wie er mit 20 mit der Gitarre von Süd-England aus durch die Welt trampte und davon träumte, Musiker zu werden. Und wie er dann seine Liebe zu Booten entdeckte und eine Bootsbauer-Ausbildung bei RB Boatbuilding in Bristol machte.
Ein Holz-Folkeboot war sein erstes Restaurierungs-Objekt. Mit ihm ging die erste Reise über Spanien zu den Kanaren. Nebenbei verdiente er seine Brötchen als mobiler Bootsbauer. Als sein Folke „Lorema“ entsprechend ausgerüstet war, wagte er den Sprung über den Atlantik in die Karibik. Der Gewinn der Antigua Classic Week katapultierte ihn in die Szene der großen Klassiker. Nicht jeder hat das Glück, in seinem ersten Job Boat Captain auf einer 30-Meter-Ketsch wie der norwegischen „Sincerity“ zu werden.
Reisen in den hohen Norden der USA, nach Grönland und ins Mittelmeer bescherten ihm unvergessliche – und bezahlte – Abenteuer. Mit diesen Referenzen konnte er als Bootsmann auf dem klassischen, 65 Meter langen Dreimastschoner „Adix“ anheuern – mit Verantwortung für eine 30-Mann-Crew und einem Millionen-Dollar-Etat.
Das Angestellten-Dasein befriedigte ihn allerdings nicht auf Dauer, und so nahm er sein Erspartes und suchte nach einer neuen Herausforderung.
2017 kommt die Tally Ho in Leos Leben
Die Herausforderung kam auf Empfehlung seines Bootsbauerkollegen Ashley Butler aus Cornwall. „Es gibt da eine Albert-Strange-Kutteryacht, die in Oregon vor sich hinrottet.“ Ein Kleinod, das man mit viel Enthusiasmus wieder zu einem stolzen Schwan machen kann. Leos erste Besichtigung hat es ihm angetan: viel Arbeit, ja. Aber: was für ein schönes Schiff. Die Albert Strange Association wollte 50.000 US-Dollar, Leos Gebot war ein Dollar.
Leo Sampson bekam den Zuschlag und die Transportkosten nach Sequim im Bundesstaat Washington obendrein. Ein schöner Zufall, dass sein Cousin eine Familie in dem kleinen Ort im Nordwesten der USA kannte. Sie stellten ihm den Bauplatz und eine Werkstatt zur Verfügung.
Hier fängt das Zerlegen und der Wiederaufbau der Tally Ho 2017 an, von Anfang an und bis heute begleitet durch float. Anfangs nur mit Hilfe seiner Freundin Cecca, später mit freiwilligen Helfern, den Volunteers. Seit Beginn seiner Reise mit dem Folkeboot hat Leo Videos produziert und ins Netz gestellt. Das Projekt Tally Ho hat mi der Zeit immer mehr Interesse geweckt, und inzwischen ist seine Fan-Gemeinde auf mehrere hunderttausend weltweit gewachsen.
Fast 100 Volunteers haben bisher geholfen
Er sagt nun nicht mehr „Ich bin auf einer Mission, dieses Boot wieder aufzubauen“, sondern er schließt die globale Community mit ein: „We are on the mission to restore this 111 Year old classic yacht“. Und mit „wir“ meint er auch die bald 100 Volunteers, die bis heute mitgearbeitet haben. Einige nur für zwei Wochen, einige für mehrere Monate.
Sie alle haben ein bisschen von ihrem Spirit in dem Schiff hinterlassen, und so wird es am Ende den Stapellauf eines riesigen Gemeinschaftsprojekts geben. Denn auch jeder, der für Leos Projekt gespendet hat, die Geschichte weitererzählt oder nur zuschaut, trägt seinen Teil dazu bei, die „Tally Ho“-Story in die Welt zu bringen.

Inzwischen gibt es viele Spender, und auch die Videos bringen Geld ein. Sonst sähe das Projekt ganz anders aus: Gebaut würde nicht mit gutem Holz, sondern mit dem, was preiswert zu kaufen ist. Es gäbe keine gegossenen Bronze-Spanten und Knie und keinen angestellten Bootsbauer Pete, der Leo gehörig entlastet und auch die Volunteers anleitet.
Denn von Donnerstagmittag bis Samstagmorgen ist Leo in jeder zweiten Woche – manchmal bis vier Uhr in der Frühe – mit dem Schneiden und Hochladen der exzellenten Videos beschäftigt. Und immer kommen hier auch die Volunteers zu Wort.
Ein neuer Abschnitt beginnt
Der Streit mit dem Nachbarn und der Gemeinde hat Leo mehr Nerven gekostet, als er in den Videos hat durchblicken lassen. Und so ist er ganz froh, dass diese Staffel sich dem Ende zuneigt. Tally Ho ist beplankt, kalfatert und gestrichen. Nun ist es Zeit, Sequim zu verlassen und in Port Townsend – das ist näher am Wasser – die nächste Staffel der Tally-Ho-Serie bis zum Stapellauf anzugehen. Pancho, die Papageiendame, bleibt zurück. Sie ist bei Leos Gastgebern zu Hause.
Bis die Tally Ho schwimmt, liegt noch viel Arbeit vor Leo und seiner Crew: Deck legen, Inneneinrichtung und Motor einbauen, die Masten, Bäume und Gaffeln bauen und und und. Der Rumpf ist fertig, das ist aber nur ein Drittel der Arbeit.
Ein Blick in die Zukunft
Leo ist bescheiden genug um zu wissen, dass er nicht der Einzige ist, der so ein Projekt durchzieht: „Viele da draußen restaurieren Klassiker, und über die meisten wird nicht berichtet.“ Sein Projekt ist von außen betrachtet aber schon einzigartig, Es hat eine Riesen-Strahlkraft auf viele Menschen.
Wann ist das Projekt fertig? „ In zwei Jahren“, sagt Leo immer. Und das wird er vielleicht auch in zwei Jahren sagen.
Und was kommt dann? „Segeln. Möglichst um die Welt, mit dem Boot sinnvolle Projekte betreiben und jungen Menschen nachhaltiges und naturverbundenes Leben nahe bringen.“ Und dies: „Wälder aufforsten, damit es später gutes Bootsbauholz gibt und dieser Planet wieder ein bisschen gesünder wird.“
Gerne möchte er auch eine Werft gründen und mit anderen Holzboot-Enthusiasten schöne Boote bauen oder restaurieren. Und ganz später, wenn er vom Segeln müde ist, wäre vielleicht ein kleines Häuschen auf dem Lande schön – mit Familie. Er hat viele Pläne.
Leo schont sich selbst nicht, er klagt nicht, und er hat es sich selbst so ausgesucht. Aber er hat auch das Zeug dazu, Menschen zu begeistern, um ihre eigenen Fähigkeiten zu gebrauchen und zu verbessern. Wir wünschen ihm viel Glück dabei – und dass die Tally Ho ihn zu seinen Zielen trägt.
Wer Leo Sampsons Refit-Projekt unterstützen möchte, folge diesem Link.